Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Die interiuirwiiale Rnnstausstellung in München. formen nicht gar zu sehr von der italienischen unterscheidet. Dem oberflächlichen Die interiuirwiiale Rnnstausstellung in München. formen nicht gar zu sehr von der italienischen unterscheidet. Dem oberflächlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154268"/> <fw type="header" place="top"> Die interiuirwiiale Rnnstausstellung in München.</fw><lb/> <p xml:id="ID_280" prev="#ID_279" next="#ID_281"> formen nicht gar zu sehr von der italienischen unterscheidet. Dem oberflächlichen<lb/> Beobachter werden sich freilich nicht so bald die eigentümlichen Züge der spanischen<lb/> Historienmalerei offenbaren. Ihm wird eher die Verwandtschaft mit den gleich¬<lb/> artigen Arbeiten der Franzosen in die Augen springen als die Vorzüge, welche<lb/> die Spanier vor den Franzosen voraushaben. Die Stoffe tragen dazu bei,<lb/> die Verwandtschaft mit den Franzosen deutlicher ins Auge springen zu lassen, als<lb/> die charakteristischen Unterscheidungszeichen. Veras „Verteidigung von Numantia"<lb/> ist eine grauenhafte Mordszene, vor welcher selbst die Römer zurückschrecke»,<lb/> welche durch die zerstörte Mauer eindringen. Zum Tode verwundet liegt ein<lb/> Numantiner über Leichen auf dem Erdboden und weist mit trotziger Geberde<lb/> ans die in Flammen stehende Stadt. Ein andrer hat sich eben den Dolch in die<lb/> Brust gestoßen, ein dritter wartet mit der Waffe in der Hand, um vor seinem<lb/> Tode noch einen der verhaßten Feinde in das Verderben hineinzuziehen, und<lb/> eine Frau leert den Giftbecher. Ein Greis fleht auf seinen Knien den Sohn<lb/> an, ihm die Brust mit dem Schwerte zu durchbohren, während der Sohn sich<lb/> entsetzt vor dieser Zumutung abwendet. Und rings umher Leichen und Trümmer,<lb/> Flammen und Rauch, welcher die ganze Komposition in einen schwärzlich-grauen<lb/> Nebel einhüllt. Wir haben also alle Elemente beisammen, aus welchen die<lb/> Franzosen ihre blutigen Historienbilder aufbauen. Während aber diese bei jedem<lb/> Versuch, intensive Gefühle zum Ausdruck zu bringen, in ein hohles, bühnenmäßiges<lb/> Pathos verfallen, halten sich die Spanier durchaus in den Grenzen einer edeln<lb/> Natürlichkeit. Da ist nichts Gemachtes »ut künstlich Aufgebautes, die Bewegungen<lb/> sind einfach nud natürlich, und jede Figur ist die Trägerin einer wahren und echten<lb/> Empfindung. Diese tiefe Innerlichkeit, diese anspruchslos und naiv auftretende<lb/> Wahrheitsliebe, diese von einer innerlichen Notwendigkeit durchdrungene und<lb/> doch wie zufällig erscheinende Geberdensprnche unterscheiden die spanische Histo¬<lb/> rienmalerei von der französischen. Es sind diese Vorzüge ebenso charakteristisch<lb/> für die Genremalerei; aber i» der Historienmalerei treten sie doch noch poten-<lb/> zirter zu Tage, getragen durch einen heiligen Ernst und durch das energische<lb/> Streben, jede Bewegung als durch einen Gedanken inspirirt zu zeigen. Die<lb/> „Übergabe von Granada" von Francisco de Pradilla, welcher schon 1878 in<lb/> Paris durch ein figurenreiches Bild „Johanna die Wahnsinnige begleitet den<lb/> Sarg ihres Gatten" die Aufmerksamkeit der Welt auf die beginnende Entwick¬<lb/> lung der spanischen Malerei zu hohen Zielen gelenkt hatte, faßt alle jene Vor¬<lb/> züge zusammen. Die Aufgabe, welche sich der Maler gestellt, war eine sehr<lb/> schwierige. Die Übergabe vollzog sich am 2. Januar vor den Thoren der letzten<lb/> Zufluchtsstätte der unterliegenden Mauren. Es ist ein grauer, kalter Morgen<lb/> nach einer regnerischen Nacht. An einer starken Eiche haben Ferdinand der<lb/> Katholische und Jsabella, beide auf Rosse» sitzend, welche mit prunkvollen Decken<lb/> behängt sind, und umgeben von Pagen, Herolden, Rittern und Soldaten, Halt<lb/> gemacht. Neben Fahnen und Lanzen ragt aus der Mitte des Heerhaufens das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
Die interiuirwiiale Rnnstausstellung in München.
formen nicht gar zu sehr von der italienischen unterscheidet. Dem oberflächlichen
Beobachter werden sich freilich nicht so bald die eigentümlichen Züge der spanischen
Historienmalerei offenbaren. Ihm wird eher die Verwandtschaft mit den gleich¬
artigen Arbeiten der Franzosen in die Augen springen als die Vorzüge, welche
die Spanier vor den Franzosen voraushaben. Die Stoffe tragen dazu bei,
die Verwandtschaft mit den Franzosen deutlicher ins Auge springen zu lassen, als
die charakteristischen Unterscheidungszeichen. Veras „Verteidigung von Numantia"
ist eine grauenhafte Mordszene, vor welcher selbst die Römer zurückschrecke»,
welche durch die zerstörte Mauer eindringen. Zum Tode verwundet liegt ein
Numantiner über Leichen auf dem Erdboden und weist mit trotziger Geberde
ans die in Flammen stehende Stadt. Ein andrer hat sich eben den Dolch in die
Brust gestoßen, ein dritter wartet mit der Waffe in der Hand, um vor seinem
Tode noch einen der verhaßten Feinde in das Verderben hineinzuziehen, und
eine Frau leert den Giftbecher. Ein Greis fleht auf seinen Knien den Sohn
an, ihm die Brust mit dem Schwerte zu durchbohren, während der Sohn sich
entsetzt vor dieser Zumutung abwendet. Und rings umher Leichen und Trümmer,
Flammen und Rauch, welcher die ganze Komposition in einen schwärzlich-grauen
Nebel einhüllt. Wir haben also alle Elemente beisammen, aus welchen die
Franzosen ihre blutigen Historienbilder aufbauen. Während aber diese bei jedem
Versuch, intensive Gefühle zum Ausdruck zu bringen, in ein hohles, bühnenmäßiges
Pathos verfallen, halten sich die Spanier durchaus in den Grenzen einer edeln
Natürlichkeit. Da ist nichts Gemachtes »ut künstlich Aufgebautes, die Bewegungen
sind einfach nud natürlich, und jede Figur ist die Trägerin einer wahren und echten
Empfindung. Diese tiefe Innerlichkeit, diese anspruchslos und naiv auftretende
Wahrheitsliebe, diese von einer innerlichen Notwendigkeit durchdrungene und
doch wie zufällig erscheinende Geberdensprnche unterscheiden die spanische Histo¬
rienmalerei von der französischen. Es sind diese Vorzüge ebenso charakteristisch
für die Genremalerei; aber i» der Historienmalerei treten sie doch noch poten-
zirter zu Tage, getragen durch einen heiligen Ernst und durch das energische
Streben, jede Bewegung als durch einen Gedanken inspirirt zu zeigen. Die
„Übergabe von Granada" von Francisco de Pradilla, welcher schon 1878 in
Paris durch ein figurenreiches Bild „Johanna die Wahnsinnige begleitet den
Sarg ihres Gatten" die Aufmerksamkeit der Welt auf die beginnende Entwick¬
lung der spanischen Malerei zu hohen Zielen gelenkt hatte, faßt alle jene Vor¬
züge zusammen. Die Aufgabe, welche sich der Maler gestellt, war eine sehr
schwierige. Die Übergabe vollzog sich am 2. Januar vor den Thoren der letzten
Zufluchtsstätte der unterliegenden Mauren. Es ist ein grauer, kalter Morgen
nach einer regnerischen Nacht. An einer starken Eiche haben Ferdinand der
Katholische und Jsabella, beide auf Rosse» sitzend, welche mit prunkvollen Decken
behängt sind, und umgeben von Pagen, Herolden, Rittern und Soldaten, Halt
gemacht. Neben Fahnen und Lanzen ragt aus der Mitte des Heerhaufens das
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