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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

sie die Kinder armer Leute, und so sind sie auch immer gesund. Sie sollen erst
dann in die hohen Wissenschaften des Lesens und Schreibens eingeweiht werden,
wenn sie durch Spielen und Arbeiten im Garten kräftig genug geworden sind,
um geistige Anstrengung ohne Nachteil für ihre Gesundheit ertragen zu können,
und Dorothea denkt, daß sie alsdann leicht nachholen werden, was sie im Ver¬
gleich mit andern Kindern an Zeit versäumt haben.

Baron Sextus ist glücklich, wenn die Enkel seine Knie umspielen. Der
Blasius ist ein verwerteter Kerl, sagt er mit Bewunderung, wenn er sieht,
daß der Älteste, ein Knabe von sechs Jahren, seinen Pony in der Reitbahn
tummelt. Was der Bursche für einen Schluß in seinen kleinen Beinen hat,
und wie er die Zügel hält! Der muß zur Kavallerie. Mein seliger Vater
pflegte zu sagen, das Reiten sei eine Fähigkeit, die angeboren sein müsse, und
noch niemals habe man gesehen, daß ein echter Sextus nicht schon in der Wiege
eine Art von Sattelhaltung gezeigt und die Ellbogen in die Rippen gedrückt hätte.
Ich zweifle uicht, fügt er hinzu, indem er Eberhardt dabei ansieht, daß es bei
den Altenschwerdt ebenso gewesen ist.

Die Zurückhaltung gegenüber der Nachbarschaft ist aufgegeben worden, und
es hat sich ein häufiger Verkehr mit den Gütern der Umgegend ausgebildet.
Obwohl die Bewohner vo" Schloß Eichhausen nicht das Bedürfnis empfinden,
mit fremden Leuten umzugehen, um die Leere des eigenen Heims auszufüllen,
so halten Eberhardt und Dorothea doch für ihre Pflicht, mit den Nachbarn
nachbarlich zu verkehren. Auch die Bürgerlichen, welche alte Edelsitze erworben
haben und deshalb dem alten Baron ein Dorn im Auge waren, werden auf
gleichem Fuße mit den andern behandelt. Baron Sextus hat sich darein ge¬
fügt, denn er ist so glücklich über die Erfüllung seiner Lieblingsidee, daß er
manche Dinge, die ihn ehemals ärgerten, garnicht mehr beachtet.

Die Freundschaft mit Millieent ist von Dorothea aufrechterhalten worden,
und da die junge Frau Försterin durch die Sorgen der Wirtschaft und der
Kinderstube zu sehr in Anspruch genommen ist, um viel zum Schlosse zu kommen,
lenkt Dorothea oft ihren Schimmel zu dein tief im Walde liegenden Forsthause,
und es ist für ihre Kinder ein Fest, wenn der Wagen angespannt wird, der sie
in Gesellschaft der Mutter zu der Frau mit den lustigen Augen und dem Hause
mit den Hirschgeweihen und den Dachshunden führt.

Am häufigsten und innigsten aber ist der Verkehr mit dem Grafen von
Franeker. Fast täglich ist der alte Herr in Schloß Eichhausen und erfreut sein
Auge am Anblick der glücklichen Menschen, die seinem Herzen so nahe stehen.
Und oft gehen die Hufe edler Pferde, welche Eberhardt und Dorothea tragen,
auf dem Waldpfade, der zu dem einsamen Thurme am Strande führt, und die
glücklich Vermählten, die immer noch Liebenden, denen jedes neue Ereignis,
jede neue Stunde ihres Lebens neue Nahrung der unauslöschlich brennenden
Flamme ihrer Herzen bringt, gedenken, Auge in Auge versenkt, auf den Stätten
ihrer ersten Liebesfreuden und Liebesleiden mit süßer Dankbarkeit des Geschickes,
das sie gnädig zusammengeführt hat.







Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Äerlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck vo" Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.
Die Grafen von Altenschwerdt.

sie die Kinder armer Leute, und so sind sie auch immer gesund. Sie sollen erst
dann in die hohen Wissenschaften des Lesens und Schreibens eingeweiht werden,
wenn sie durch Spielen und Arbeiten im Garten kräftig genug geworden sind,
um geistige Anstrengung ohne Nachteil für ihre Gesundheit ertragen zu können,
und Dorothea denkt, daß sie alsdann leicht nachholen werden, was sie im Ver¬
gleich mit andern Kindern an Zeit versäumt haben.

Baron Sextus ist glücklich, wenn die Enkel seine Knie umspielen. Der
Blasius ist ein verwerteter Kerl, sagt er mit Bewunderung, wenn er sieht,
daß der Älteste, ein Knabe von sechs Jahren, seinen Pony in der Reitbahn
tummelt. Was der Bursche für einen Schluß in seinen kleinen Beinen hat,
und wie er die Zügel hält! Der muß zur Kavallerie. Mein seliger Vater
pflegte zu sagen, das Reiten sei eine Fähigkeit, die angeboren sein müsse, und
noch niemals habe man gesehen, daß ein echter Sextus nicht schon in der Wiege
eine Art von Sattelhaltung gezeigt und die Ellbogen in die Rippen gedrückt hätte.
Ich zweifle uicht, fügt er hinzu, indem er Eberhardt dabei ansieht, daß es bei
den Altenschwerdt ebenso gewesen ist.

Die Zurückhaltung gegenüber der Nachbarschaft ist aufgegeben worden, und
es hat sich ein häufiger Verkehr mit den Gütern der Umgegend ausgebildet.
Obwohl die Bewohner vo» Schloß Eichhausen nicht das Bedürfnis empfinden,
mit fremden Leuten umzugehen, um die Leere des eigenen Heims auszufüllen,
so halten Eberhardt und Dorothea doch für ihre Pflicht, mit den Nachbarn
nachbarlich zu verkehren. Auch die Bürgerlichen, welche alte Edelsitze erworben
haben und deshalb dem alten Baron ein Dorn im Auge waren, werden auf
gleichem Fuße mit den andern behandelt. Baron Sextus hat sich darein ge¬
fügt, denn er ist so glücklich über die Erfüllung seiner Lieblingsidee, daß er
manche Dinge, die ihn ehemals ärgerten, garnicht mehr beachtet.

Die Freundschaft mit Millieent ist von Dorothea aufrechterhalten worden,
und da die junge Frau Försterin durch die Sorgen der Wirtschaft und der
Kinderstube zu sehr in Anspruch genommen ist, um viel zum Schlosse zu kommen,
lenkt Dorothea oft ihren Schimmel zu dein tief im Walde liegenden Forsthause,
und es ist für ihre Kinder ein Fest, wenn der Wagen angespannt wird, der sie
in Gesellschaft der Mutter zu der Frau mit den lustigen Augen und dem Hause
mit den Hirschgeweihen und den Dachshunden führt.

Am häufigsten und innigsten aber ist der Verkehr mit dem Grafen von
Franeker. Fast täglich ist der alte Herr in Schloß Eichhausen und erfreut sein
Auge am Anblick der glücklichen Menschen, die seinem Herzen so nahe stehen.
Und oft gehen die Hufe edler Pferde, welche Eberhardt und Dorothea tragen,
auf dem Waldpfade, der zu dem einsamen Thurme am Strande führt, und die
glücklich Vermählten, die immer noch Liebenden, denen jedes neue Ereignis,
jede neue Stunde ihres Lebens neue Nahrung der unauslöschlich brennenden
Flamme ihrer Herzen bringt, gedenken, Auge in Auge versenkt, auf den Stätten
ihrer ersten Liebesfreuden und Liebesleiden mit süßer Dankbarkeit des Geschickes,
das sie gnädig zusammengeführt hat.







Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Äerlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vo» Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.
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[0712] Die Grafen von Altenschwerdt. sie die Kinder armer Leute, und so sind sie auch immer gesund. Sie sollen erst dann in die hohen Wissenschaften des Lesens und Schreibens eingeweiht werden, wenn sie durch Spielen und Arbeiten im Garten kräftig genug geworden sind, um geistige Anstrengung ohne Nachteil für ihre Gesundheit ertragen zu können, und Dorothea denkt, daß sie alsdann leicht nachholen werden, was sie im Ver¬ gleich mit andern Kindern an Zeit versäumt haben. Baron Sextus ist glücklich, wenn die Enkel seine Knie umspielen. Der Blasius ist ein verwerteter Kerl, sagt er mit Bewunderung, wenn er sieht, daß der Älteste, ein Knabe von sechs Jahren, seinen Pony in der Reitbahn tummelt. Was der Bursche für einen Schluß in seinen kleinen Beinen hat, und wie er die Zügel hält! Der muß zur Kavallerie. Mein seliger Vater pflegte zu sagen, das Reiten sei eine Fähigkeit, die angeboren sein müsse, und noch niemals habe man gesehen, daß ein echter Sextus nicht schon in der Wiege eine Art von Sattelhaltung gezeigt und die Ellbogen in die Rippen gedrückt hätte. Ich zweifle uicht, fügt er hinzu, indem er Eberhardt dabei ansieht, daß es bei den Altenschwerdt ebenso gewesen ist. Die Zurückhaltung gegenüber der Nachbarschaft ist aufgegeben worden, und es hat sich ein häufiger Verkehr mit den Gütern der Umgegend ausgebildet. Obwohl die Bewohner vo» Schloß Eichhausen nicht das Bedürfnis empfinden, mit fremden Leuten umzugehen, um die Leere des eigenen Heims auszufüllen, so halten Eberhardt und Dorothea doch für ihre Pflicht, mit den Nachbarn nachbarlich zu verkehren. Auch die Bürgerlichen, welche alte Edelsitze erworben haben und deshalb dem alten Baron ein Dorn im Auge waren, werden auf gleichem Fuße mit den andern behandelt. Baron Sextus hat sich darein ge¬ fügt, denn er ist so glücklich über die Erfüllung seiner Lieblingsidee, daß er manche Dinge, die ihn ehemals ärgerten, garnicht mehr beachtet. Die Freundschaft mit Millieent ist von Dorothea aufrechterhalten worden, und da die junge Frau Försterin durch die Sorgen der Wirtschaft und der Kinderstube zu sehr in Anspruch genommen ist, um viel zum Schlosse zu kommen, lenkt Dorothea oft ihren Schimmel zu dein tief im Walde liegenden Forsthause, und es ist für ihre Kinder ein Fest, wenn der Wagen angespannt wird, der sie in Gesellschaft der Mutter zu der Frau mit den lustigen Augen und dem Hause mit den Hirschgeweihen und den Dachshunden führt. Am häufigsten und innigsten aber ist der Verkehr mit dem Grafen von Franeker. Fast täglich ist der alte Herr in Schloß Eichhausen und erfreut sein Auge am Anblick der glücklichen Menschen, die seinem Herzen so nahe stehen. Und oft gehen die Hufe edler Pferde, welche Eberhardt und Dorothea tragen, auf dem Waldpfade, der zu dem einsamen Thurme am Strande führt, und die glücklich Vermählten, die immer noch Liebenden, denen jedes neue Ereignis, jede neue Stunde ihres Lebens neue Nahrung der unauslöschlich brennenden Flamme ihrer Herzen bringt, gedenken, Auge in Auge versenkt, auf den Stätten ihrer ersten Liebesfreuden und Liebesleiden mit süßer Dankbarkeit des Geschickes, das sie gnädig zusammengeführt hat. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Äerlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vo» Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/712>, abgerufen am 05.12.2024.