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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die internationale Runstausstellung in München.

Wagmüllers Gedächtnis ist durch die Ausstellung des Originalmodells zu
seiner Liebigstatue geehrt worden, welche erst vor kurzem in München enthüllt
worden ist. Ohne Frage verdient das Werk wegen seiner schlichten, ungemein
natürlichen Haltung und der geistvollen, höchst lebendigen Charakteristik des edeln
Kopfes unsre bedingungslose Bewunderung. Bei der Marmoransführung ist
es aber ohne eine barocke Zuthat nicht abgegangen, welche ernsten Tadel heraus¬
fordert. Man hat nämlich den Einfall gehabt, in geschmackloser Weise Zufälliges
mit dem Bleibenden zu verbinden, indem man an dem weißen Sockel einen
kolossalen Lorbeerkranz von vergoldeter Bronze derart befestigt hat, als hätte
ihn jemand wie zufällig dort aufgehängt.

Das wäre das Wesentlichste an Neuheiten, welche uns die Münchener
Kunst auf der Ausstellung bietet. Wir sehen die Resultate eines radikalen
Umschwungs vor uns und können nicht leugnen, daß die frisch aufstrebende,
realistisch-malerische Richtung einen weit erfreulichem Eindruck macht, als es
vor vier Jahren die absterbende Richtung der pomphaft sich gebührenden
Historienmalerei alten Stils gethan hat- Wenn die diesjährige internationale
Ausstellung eine bessere Gesamtphysiognomie zur Schau trägt, so dürfen die
Münchener Künstler mit Recht einen Teil dieses Verdienstes für sich in An¬
spruch nehmen.

Den größten Teil können freilich die Fremden, und zwar die Spanier, die
Italiener und die Amerikaner, letztere in Bezug auf die reproduzirenden
Künste, in Anspruch nehmen. Darin, daß die internationale Kunstausstellung
von 1883 von Italienern, Spaniern und Amerikanern benutzt worden ist, um
einmal die Gesamtheit ihres augenblicklichen Kunstvermögens in großem Ma߬
stabe zu zeigen, liegt sogar das Haupt-, wenn nicht das ausschließliche Verdienst
dieser Ausstellung.

Während die Historienmalerei großen Stils in Deutschland, in Belgien,
in Italien und in den meisten andern Ländern mit Ausnahme Frankreichs, wo
sie auch nur noch durch künstliche Mittel am Leben erhalten wird, so ziemlich
ausgestorben ist, hat sie urplötzlich in einer abgelegenen, von den Hauptströ¬
mungen der europäischen Kunst fast unberührten Ecke Europas eine Auferstehung
gefeiert. Schon auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien hatte
man mit Erstaunen bemerkt, daß Spanien nach Jahrzehnten absoluter Unfrucht¬
barkeit auf künstlerischem Gebiete einen mächtigen, auf nationaler Basis beruhenden
Ausschwung genommen hat. Nach zwei großen Historienbildern, der "Eroberung
Numantias" von Vera und der "Glocke von Huesca" von Casado, die wir
jetzt auch in München sehen, konnte man sich aber noch keinen Begriff über
den Umfang und den vollständigen Charakter dieses Aufschwunges machen. Die
Münchener Ausstellung bietet uns das ausreichende Material dazu. Es scheint,
daß die Spanier, ermutigt durch den Beifall, den ihre Kunstwerke in Wien
gefunden haben, sich in eorxors an der Münchener Ausstellung beteiligt haben,


Die internationale Runstausstellung in München.

Wagmüllers Gedächtnis ist durch die Ausstellung des Originalmodells zu
seiner Liebigstatue geehrt worden, welche erst vor kurzem in München enthüllt
worden ist. Ohne Frage verdient das Werk wegen seiner schlichten, ungemein
natürlichen Haltung und der geistvollen, höchst lebendigen Charakteristik des edeln
Kopfes unsre bedingungslose Bewunderung. Bei der Marmoransführung ist
es aber ohne eine barocke Zuthat nicht abgegangen, welche ernsten Tadel heraus¬
fordert. Man hat nämlich den Einfall gehabt, in geschmackloser Weise Zufälliges
mit dem Bleibenden zu verbinden, indem man an dem weißen Sockel einen
kolossalen Lorbeerkranz von vergoldeter Bronze derart befestigt hat, als hätte
ihn jemand wie zufällig dort aufgehängt.

Das wäre das Wesentlichste an Neuheiten, welche uns die Münchener
Kunst auf der Ausstellung bietet. Wir sehen die Resultate eines radikalen
Umschwungs vor uns und können nicht leugnen, daß die frisch aufstrebende,
realistisch-malerische Richtung einen weit erfreulichem Eindruck macht, als es
vor vier Jahren die absterbende Richtung der pomphaft sich gebührenden
Historienmalerei alten Stils gethan hat- Wenn die diesjährige internationale
Ausstellung eine bessere Gesamtphysiognomie zur Schau trägt, so dürfen die
Münchener Künstler mit Recht einen Teil dieses Verdienstes für sich in An¬
spruch nehmen.

Den größten Teil können freilich die Fremden, und zwar die Spanier, die
Italiener und die Amerikaner, letztere in Bezug auf die reproduzirenden
Künste, in Anspruch nehmen. Darin, daß die internationale Kunstausstellung
von 1883 von Italienern, Spaniern und Amerikanern benutzt worden ist, um
einmal die Gesamtheit ihres augenblicklichen Kunstvermögens in großem Ma߬
stabe zu zeigen, liegt sogar das Haupt-, wenn nicht das ausschließliche Verdienst
dieser Ausstellung.

Während die Historienmalerei großen Stils in Deutschland, in Belgien,
in Italien und in den meisten andern Ländern mit Ausnahme Frankreichs, wo
sie auch nur noch durch künstliche Mittel am Leben erhalten wird, so ziemlich
ausgestorben ist, hat sie urplötzlich in einer abgelegenen, von den Hauptströ¬
mungen der europäischen Kunst fast unberührten Ecke Europas eine Auferstehung
gefeiert. Schon auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien hatte
man mit Erstaunen bemerkt, daß Spanien nach Jahrzehnten absoluter Unfrucht¬
barkeit auf künstlerischem Gebiete einen mächtigen, auf nationaler Basis beruhenden
Ausschwung genommen hat. Nach zwei großen Historienbildern, der „Eroberung
Numantias" von Vera und der „Glocke von Huesca" von Casado, die wir
jetzt auch in München sehen, konnte man sich aber noch keinen Begriff über
den Umfang und den vollständigen Charakter dieses Aufschwunges machen. Die
Münchener Ausstellung bietet uns das ausreichende Material dazu. Es scheint,
daß die Spanier, ermutigt durch den Beifall, den ihre Kunstwerke in Wien
gefunden haben, sich in eorxors an der Münchener Ausstellung beteiligt haben,


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[0700] Die internationale Runstausstellung in München. Wagmüllers Gedächtnis ist durch die Ausstellung des Originalmodells zu seiner Liebigstatue geehrt worden, welche erst vor kurzem in München enthüllt worden ist. Ohne Frage verdient das Werk wegen seiner schlichten, ungemein natürlichen Haltung und der geistvollen, höchst lebendigen Charakteristik des edeln Kopfes unsre bedingungslose Bewunderung. Bei der Marmoransführung ist es aber ohne eine barocke Zuthat nicht abgegangen, welche ernsten Tadel heraus¬ fordert. Man hat nämlich den Einfall gehabt, in geschmackloser Weise Zufälliges mit dem Bleibenden zu verbinden, indem man an dem weißen Sockel einen kolossalen Lorbeerkranz von vergoldeter Bronze derart befestigt hat, als hätte ihn jemand wie zufällig dort aufgehängt. Das wäre das Wesentlichste an Neuheiten, welche uns die Münchener Kunst auf der Ausstellung bietet. Wir sehen die Resultate eines radikalen Umschwungs vor uns und können nicht leugnen, daß die frisch aufstrebende, realistisch-malerische Richtung einen weit erfreulichem Eindruck macht, als es vor vier Jahren die absterbende Richtung der pomphaft sich gebührenden Historienmalerei alten Stils gethan hat- Wenn die diesjährige internationale Ausstellung eine bessere Gesamtphysiognomie zur Schau trägt, so dürfen die Münchener Künstler mit Recht einen Teil dieses Verdienstes für sich in An¬ spruch nehmen. Den größten Teil können freilich die Fremden, und zwar die Spanier, die Italiener und die Amerikaner, letztere in Bezug auf die reproduzirenden Künste, in Anspruch nehmen. Darin, daß die internationale Kunstausstellung von 1883 von Italienern, Spaniern und Amerikanern benutzt worden ist, um einmal die Gesamtheit ihres augenblicklichen Kunstvermögens in großem Ma߬ stabe zu zeigen, liegt sogar das Haupt-, wenn nicht das ausschließliche Verdienst dieser Ausstellung. Während die Historienmalerei großen Stils in Deutschland, in Belgien, in Italien und in den meisten andern Ländern mit Ausnahme Frankreichs, wo sie auch nur noch durch künstliche Mittel am Leben erhalten wird, so ziemlich ausgestorben ist, hat sie urplötzlich in einer abgelegenen, von den Hauptströ¬ mungen der europäischen Kunst fast unberührten Ecke Europas eine Auferstehung gefeiert. Schon auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien hatte man mit Erstaunen bemerkt, daß Spanien nach Jahrzehnten absoluter Unfrucht¬ barkeit auf künstlerischem Gebiete einen mächtigen, auf nationaler Basis beruhenden Ausschwung genommen hat. Nach zwei großen Historienbildern, der „Eroberung Numantias" von Vera und der „Glocke von Huesca" von Casado, die wir jetzt auch in München sehen, konnte man sich aber noch keinen Begriff über den Umfang und den vollständigen Charakter dieses Aufschwunges machen. Die Münchener Ausstellung bietet uns das ausreichende Material dazu. Es scheint, daß die Spanier, ermutigt durch den Beifall, den ihre Kunstwerke in Wien gefunden haben, sich in eorxors an der Münchener Ausstellung beteiligt haben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/700>, abgerufen am 08.09.2024.