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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Dcividsbnndler.

Hauptmitarbeiter aber war von vornherein der "Davidsbund." Was hat es
nun mit diesem Bunde für eine Bewandtnis?

Vielfach begegnen in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift Aufsätze und
Kritiken, die entweder von Florestan oder Eusebius oder Naro unterschrieben
oder auch als von allen dreien gemeinschaftlich verfaßt bezeichnet sind, derge¬
stalt, daß die Beiträge der Einzelnen einander gegenübergestellt waren und jeder
seine Ansicht vertrat. Das waren die drei Dnvidsbündler. Ihr Schutzpatron
war König David, der gekrönte Sänger und Besieger des größten Philisters.
War doch die Aufgabe des Bundes nach Florestcms Ausspruch, daß sie "tot¬
schlagen sollten die Philister, musikalische wie sonstige." Das Publikum zerbrach
sich die Köpfe über die Inhaber der seltsamen Namen, und einigermaßen war
dies Schumanns Absicht. Die Leser sollten ein wenig mystifizirt werden, denn,
wie Schumann damals an Zueealmaglio schrieb: "Das Geheimnisvolle der Sache
hat für manche einen besondern Reiz und überdies wie alles Verhüllte eine
besondre Kraft." Die 38. Nummer der Zeitschrift brachte endlich die Erklärung:
"Es gehen mannichfache Gerüchte über die unterzeichnete Bündlerschaft. Da
wir leider mit den Gründen unsrer Verschleierung noch zurückhalten müssen,
so ersuchen wir Herrn Schumann (sollte dieser einer verehrlichen Redaktion
bekannt sein), uns in Fällen mit seinem Namen vertreten zu wollen. Die Davids-
bündler." Darunter: "Ich thu's mit Freuden. R. Schumann." Dies war
deutlich gesprochen. In der That war, wie Schumann später in der Einleitung
zu seinen Gesammelten Schriften bekannte, der Davidsbuud ein mehr als ge¬
heimer, er bestand zunächst nur in seinem eignen Kopfe. "Es schien, verschiedne
Ansichten der Kunstanschauung zur Aussprache zu bringen, nicht unpassend,
gegensätzliche Kunstcharaktere zu erfinden, von denen Florestan und Eusebius die
bedeutendsten waren, zwischen denen vermittelnd Meister Raro stand." Die
ganze Wahrheit ist das freilich nicht. Die Figuren waren keineswegs "erfunden,"
sondern sie waren Wiederspiegelungen verschiedner Seiten von Schumanns eignem
Naturell. Immer wieder wird man an den jungen Goethe erinnert. Wie dieser
es liebte, die beiden einander bekämpfenden Seiten seines Wesens, Herz und
Verstand, brennende Leidenschaft und kühle Überlegung, in Kontrastfignren
dichterisch zu objektiviren -- man denke an Werther und Albert, Clavigo und
Carlos, Faust und Mephisto, Tasso und Antonio --, so hat auch Schumann
in Eusebius und Florestan zwei Hauptseiten seines Charakters personifizirt.
Beide sind poetische Naturen, Eusebius -- die Namen sind fein gewählt -- ist
ein sanfter, bescheidner Jüngling, ein zartbesaitetes, schwärmerisches Gemüt,
Florestan ein brausender, übermütiger Sturmläufer, gruudehrlich, aber oft ex¬
zentrisch und seltsamen Grillen hingegeben. Krieg, meint Florestan, ist von nöten.
"Soll diese verdammte deutsche Höflichkeit fortdauern? Warum die Talentlosen
nicht geradezu zurückweisen? Warum die Flachen und Halbgesunden nicht aus
den Schranken werfen samt den Anmaßenden? Warum schreiben die Autoren


Die Dcividsbnndler.

Hauptmitarbeiter aber war von vornherein der „Davidsbund." Was hat es
nun mit diesem Bunde für eine Bewandtnis?

Vielfach begegnen in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift Aufsätze und
Kritiken, die entweder von Florestan oder Eusebius oder Naro unterschrieben
oder auch als von allen dreien gemeinschaftlich verfaßt bezeichnet sind, derge¬
stalt, daß die Beiträge der Einzelnen einander gegenübergestellt waren und jeder
seine Ansicht vertrat. Das waren die drei Dnvidsbündler. Ihr Schutzpatron
war König David, der gekrönte Sänger und Besieger des größten Philisters.
War doch die Aufgabe des Bundes nach Florestcms Ausspruch, daß sie „tot¬
schlagen sollten die Philister, musikalische wie sonstige." Das Publikum zerbrach
sich die Köpfe über die Inhaber der seltsamen Namen, und einigermaßen war
dies Schumanns Absicht. Die Leser sollten ein wenig mystifizirt werden, denn,
wie Schumann damals an Zueealmaglio schrieb: „Das Geheimnisvolle der Sache
hat für manche einen besondern Reiz und überdies wie alles Verhüllte eine
besondre Kraft." Die 38. Nummer der Zeitschrift brachte endlich die Erklärung:
„Es gehen mannichfache Gerüchte über die unterzeichnete Bündlerschaft. Da
wir leider mit den Gründen unsrer Verschleierung noch zurückhalten müssen,
so ersuchen wir Herrn Schumann (sollte dieser einer verehrlichen Redaktion
bekannt sein), uns in Fällen mit seinem Namen vertreten zu wollen. Die Davids-
bündler." Darunter: „Ich thu's mit Freuden. R. Schumann." Dies war
deutlich gesprochen. In der That war, wie Schumann später in der Einleitung
zu seinen Gesammelten Schriften bekannte, der Davidsbuud ein mehr als ge¬
heimer, er bestand zunächst nur in seinem eignen Kopfe. „Es schien, verschiedne
Ansichten der Kunstanschauung zur Aussprache zu bringen, nicht unpassend,
gegensätzliche Kunstcharaktere zu erfinden, von denen Florestan und Eusebius die
bedeutendsten waren, zwischen denen vermittelnd Meister Raro stand." Die
ganze Wahrheit ist das freilich nicht. Die Figuren waren keineswegs „erfunden,"
sondern sie waren Wiederspiegelungen verschiedner Seiten von Schumanns eignem
Naturell. Immer wieder wird man an den jungen Goethe erinnert. Wie dieser
es liebte, die beiden einander bekämpfenden Seiten seines Wesens, Herz und
Verstand, brennende Leidenschaft und kühle Überlegung, in Kontrastfignren
dichterisch zu objektiviren — man denke an Werther und Albert, Clavigo und
Carlos, Faust und Mephisto, Tasso und Antonio —, so hat auch Schumann
in Eusebius und Florestan zwei Hauptseiten seines Charakters personifizirt.
Beide sind poetische Naturen, Eusebius — die Namen sind fein gewählt — ist
ein sanfter, bescheidner Jüngling, ein zartbesaitetes, schwärmerisches Gemüt,
Florestan ein brausender, übermütiger Sturmläufer, gruudehrlich, aber oft ex¬
zentrisch und seltsamen Grillen hingegeben. Krieg, meint Florestan, ist von nöten.
„Soll diese verdammte deutsche Höflichkeit fortdauern? Warum die Talentlosen
nicht geradezu zurückweisen? Warum die Flachen und Halbgesunden nicht aus
den Schranken werfen samt den Anmaßenden? Warum schreiben die Autoren


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[0686] Die Dcividsbnndler. Hauptmitarbeiter aber war von vornherein der „Davidsbund." Was hat es nun mit diesem Bunde für eine Bewandtnis? Vielfach begegnen in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift Aufsätze und Kritiken, die entweder von Florestan oder Eusebius oder Naro unterschrieben oder auch als von allen dreien gemeinschaftlich verfaßt bezeichnet sind, derge¬ stalt, daß die Beiträge der Einzelnen einander gegenübergestellt waren und jeder seine Ansicht vertrat. Das waren die drei Dnvidsbündler. Ihr Schutzpatron war König David, der gekrönte Sänger und Besieger des größten Philisters. War doch die Aufgabe des Bundes nach Florestcms Ausspruch, daß sie „tot¬ schlagen sollten die Philister, musikalische wie sonstige." Das Publikum zerbrach sich die Köpfe über die Inhaber der seltsamen Namen, und einigermaßen war dies Schumanns Absicht. Die Leser sollten ein wenig mystifizirt werden, denn, wie Schumann damals an Zueealmaglio schrieb: „Das Geheimnisvolle der Sache hat für manche einen besondern Reiz und überdies wie alles Verhüllte eine besondre Kraft." Die 38. Nummer der Zeitschrift brachte endlich die Erklärung: „Es gehen mannichfache Gerüchte über die unterzeichnete Bündlerschaft. Da wir leider mit den Gründen unsrer Verschleierung noch zurückhalten müssen, so ersuchen wir Herrn Schumann (sollte dieser einer verehrlichen Redaktion bekannt sein), uns in Fällen mit seinem Namen vertreten zu wollen. Die Davids- bündler." Darunter: „Ich thu's mit Freuden. R. Schumann." Dies war deutlich gesprochen. In der That war, wie Schumann später in der Einleitung zu seinen Gesammelten Schriften bekannte, der Davidsbuud ein mehr als ge¬ heimer, er bestand zunächst nur in seinem eignen Kopfe. „Es schien, verschiedne Ansichten der Kunstanschauung zur Aussprache zu bringen, nicht unpassend, gegensätzliche Kunstcharaktere zu erfinden, von denen Florestan und Eusebius die bedeutendsten waren, zwischen denen vermittelnd Meister Raro stand." Die ganze Wahrheit ist das freilich nicht. Die Figuren waren keineswegs „erfunden," sondern sie waren Wiederspiegelungen verschiedner Seiten von Schumanns eignem Naturell. Immer wieder wird man an den jungen Goethe erinnert. Wie dieser es liebte, die beiden einander bekämpfenden Seiten seines Wesens, Herz und Verstand, brennende Leidenschaft und kühle Überlegung, in Kontrastfignren dichterisch zu objektiviren — man denke an Werther und Albert, Clavigo und Carlos, Faust und Mephisto, Tasso und Antonio —, so hat auch Schumann in Eusebius und Florestan zwei Hauptseiten seines Charakters personifizirt. Beide sind poetische Naturen, Eusebius — die Namen sind fein gewählt — ist ein sanfter, bescheidner Jüngling, ein zartbesaitetes, schwärmerisches Gemüt, Florestan ein brausender, übermütiger Sturmläufer, gruudehrlich, aber oft ex¬ zentrisch und seltsamen Grillen hingegeben. Krieg, meint Florestan, ist von nöten. „Soll diese verdammte deutsche Höflichkeit fortdauern? Warum die Talentlosen nicht geradezu zurückweisen? Warum die Flachen und Halbgesunden nicht aus den Schranken werfen samt den Anmaßenden? Warum schreiben die Autoren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/686>, abgerufen am 08.09.2024.