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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Dcwidsbündler.

Schumann, für 1772 1832, für die Stürmer und Drünger die Davidsbündler,
für "Götz" und "Werther" die "Davidsbündlertänze" und den "Carnaval,"
für die "Frankfurter Gelehrten Anzeigen" die "Neue Zeitschrift für Musik" --
so stimmt alles Äußere vollkommen überein. Noch mehr aber deckt sich der
geistige Inhalt beider Bewegungen: der Kampf gegen geistlosen Formalismus
für echte, aus vollem Herzen quellende Poesie, dort in Worten, hier in Tönen!

Das große Publikum, das sein Fünfzigpfcnnigkonzert und seine Wagnersche
Oper besucht, weiß von den Davidsbündlern nichts, der gewöhnliche Musiker
ebenfalls nichts. Aber man kann auch schon ein feiner organisirtes musika¬
lisches Gemüt sein, kann Schumann kennen und lieben, in seinen Liedern, Sym¬
phonien und Quartetten, in "Paradies und Perl" und "Genovefa" gut zu
Hause sein und braucht doch von den Davidsbündlern nicht viel mehr als eine
dunkle Kunde zu haben. Etwas genaueres über diesen wunderbaren Bund hat
bis jetzt doch nur der eigentliche "Schnmannianer" gewußt, der, von den
reifen Werken Schumanns ausgehend, sich selbständig den Weg zurückgebahnt
hat zu den Klavierkompositioncn seiner Jugend, und der sich dabei nicht begnügt
hat, etwa unter den "Davidsbündlertänzen" die abwechselnden Unterschriften
F. und E. zu lesen, sondern, dem Winke des Herausgebers der dritten Aus¬
gabe von 1861, DAS (d. i. Dr. A. Schubring in Dessau) folgend, Schumanns
"Gesammelte Schriften" studirt und sich dort über "die große Firma Florestan
und Eusebius" belehrt hat. Aber je eifriger er sich in diese Dinge vertieft hat,
desto mehr wird er die Empfindung gehabt haben, wie unzulänglich doch die
bis jetzt zugänglichen Nachrichten darüber sind, und den Wunsch, daß eine Hand
sich finden möchte, die, solange es noch Zeit ist, d. h. solange noch Genossen
Schumanns aus jenen merkwürdigen Jahren am Leben und noch schriftliche
Zeugnisse jener Zeit vor der Gefahr der Verzettelung oder Vernichtung zu retten
sind, alles irgend Erreichbare darüber sammeln und veröffentliche!: möchte.
Diesen Wunsch erfüllt das vorliegende Buch in einer Weise, die den wärmsten
Dank aller Schumannfreunde -- und welcher wirkliche Musikus wäre das heute
nicht! -- verdient.*)

Der Verfasser dieses Buches, Musikdirektor Jansen in Werden, hat jahre¬
lang bei den noch lebenden Freunden Schumanns mündliche und schriftliche
Mitteilungen über ihn, namentlich über die frühern Jahre seiner Thätigkeit, ge¬
sammelt, eine stattliche Anzahl bisher unveröffentlichter Briefe Schumanns ab¬
getrieben, dazu reiches, in Zeitschriften und Büchern zerstreutes Material zur
Stelle geschafft und aus alledem einen höchst wertvollen Beitrag zusammen-



*) Die Davidsbündler. Aus Robert Schumanns Sturm- und Drangperiode. Ein
Beitrag zur Biographie R- Schumanns nebst ungedruckten Briefen, Zinssätzen und Porträt-
skizzcu aus seinem Freundeskreise. Vou F. Gustav Jansen. Mit zwei Bildnissen. Leipzig,
Breitkopf und Härtel, 1383.
Grenzboten III. 1883. 85
Die Dcwidsbündler.

Schumann, für 1772 1832, für die Stürmer und Drünger die Davidsbündler,
für „Götz" und „Werther" die „Davidsbündlertänze" und den „Carnaval,"
für die „Frankfurter Gelehrten Anzeigen" die „Neue Zeitschrift für Musik" —
so stimmt alles Äußere vollkommen überein. Noch mehr aber deckt sich der
geistige Inhalt beider Bewegungen: der Kampf gegen geistlosen Formalismus
für echte, aus vollem Herzen quellende Poesie, dort in Worten, hier in Tönen!

Das große Publikum, das sein Fünfzigpfcnnigkonzert und seine Wagnersche
Oper besucht, weiß von den Davidsbündlern nichts, der gewöhnliche Musiker
ebenfalls nichts. Aber man kann auch schon ein feiner organisirtes musika¬
lisches Gemüt sein, kann Schumann kennen und lieben, in seinen Liedern, Sym¬
phonien und Quartetten, in „Paradies und Perl" und „Genovefa" gut zu
Hause sein und braucht doch von den Davidsbündlern nicht viel mehr als eine
dunkle Kunde zu haben. Etwas genaueres über diesen wunderbaren Bund hat
bis jetzt doch nur der eigentliche „Schnmannianer" gewußt, der, von den
reifen Werken Schumanns ausgehend, sich selbständig den Weg zurückgebahnt
hat zu den Klavierkompositioncn seiner Jugend, und der sich dabei nicht begnügt
hat, etwa unter den „Davidsbündlertänzen" die abwechselnden Unterschriften
F. und E. zu lesen, sondern, dem Winke des Herausgebers der dritten Aus¬
gabe von 1861, DAS (d. i. Dr. A. Schubring in Dessau) folgend, Schumanns
„Gesammelte Schriften" studirt und sich dort über „die große Firma Florestan
und Eusebius" belehrt hat. Aber je eifriger er sich in diese Dinge vertieft hat,
desto mehr wird er die Empfindung gehabt haben, wie unzulänglich doch die
bis jetzt zugänglichen Nachrichten darüber sind, und den Wunsch, daß eine Hand
sich finden möchte, die, solange es noch Zeit ist, d. h. solange noch Genossen
Schumanns aus jenen merkwürdigen Jahren am Leben und noch schriftliche
Zeugnisse jener Zeit vor der Gefahr der Verzettelung oder Vernichtung zu retten
sind, alles irgend Erreichbare darüber sammeln und veröffentliche!: möchte.
Diesen Wunsch erfüllt das vorliegende Buch in einer Weise, die den wärmsten
Dank aller Schumannfreunde — und welcher wirkliche Musikus wäre das heute
nicht! — verdient.*)

Der Verfasser dieses Buches, Musikdirektor Jansen in Werden, hat jahre¬
lang bei den noch lebenden Freunden Schumanns mündliche und schriftliche
Mitteilungen über ihn, namentlich über die frühern Jahre seiner Thätigkeit, ge¬
sammelt, eine stattliche Anzahl bisher unveröffentlichter Briefe Schumanns ab¬
getrieben, dazu reiches, in Zeitschriften und Büchern zerstreutes Material zur
Stelle geschafft und aus alledem einen höchst wertvollen Beitrag zusammen-



*) Die Davidsbündler. Aus Robert Schumanns Sturm- und Drangperiode. Ein
Beitrag zur Biographie R- Schumanns nebst ungedruckten Briefen, Zinssätzen und Porträt-
skizzcu aus seinem Freundeskreise. Vou F. Gustav Jansen. Mit zwei Bildnissen. Leipzig,
Breitkopf und Härtel, 1383.
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[0681] Die Dcwidsbündler. Schumann, für 1772 1832, für die Stürmer und Drünger die Davidsbündler, für „Götz" und „Werther" die „Davidsbündlertänze" und den „Carnaval," für die „Frankfurter Gelehrten Anzeigen" die „Neue Zeitschrift für Musik" — so stimmt alles Äußere vollkommen überein. Noch mehr aber deckt sich der geistige Inhalt beider Bewegungen: der Kampf gegen geistlosen Formalismus für echte, aus vollem Herzen quellende Poesie, dort in Worten, hier in Tönen! Das große Publikum, das sein Fünfzigpfcnnigkonzert und seine Wagnersche Oper besucht, weiß von den Davidsbündlern nichts, der gewöhnliche Musiker ebenfalls nichts. Aber man kann auch schon ein feiner organisirtes musika¬ lisches Gemüt sein, kann Schumann kennen und lieben, in seinen Liedern, Sym¬ phonien und Quartetten, in „Paradies und Perl" und „Genovefa" gut zu Hause sein und braucht doch von den Davidsbündlern nicht viel mehr als eine dunkle Kunde zu haben. Etwas genaueres über diesen wunderbaren Bund hat bis jetzt doch nur der eigentliche „Schnmannianer" gewußt, der, von den reifen Werken Schumanns ausgehend, sich selbständig den Weg zurückgebahnt hat zu den Klavierkompositioncn seiner Jugend, und der sich dabei nicht begnügt hat, etwa unter den „Davidsbündlertänzen" die abwechselnden Unterschriften F. und E. zu lesen, sondern, dem Winke des Herausgebers der dritten Aus¬ gabe von 1861, DAS (d. i. Dr. A. Schubring in Dessau) folgend, Schumanns „Gesammelte Schriften" studirt und sich dort über „die große Firma Florestan und Eusebius" belehrt hat. Aber je eifriger er sich in diese Dinge vertieft hat, desto mehr wird er die Empfindung gehabt haben, wie unzulänglich doch die bis jetzt zugänglichen Nachrichten darüber sind, und den Wunsch, daß eine Hand sich finden möchte, die, solange es noch Zeit ist, d. h. solange noch Genossen Schumanns aus jenen merkwürdigen Jahren am Leben und noch schriftliche Zeugnisse jener Zeit vor der Gefahr der Verzettelung oder Vernichtung zu retten sind, alles irgend Erreichbare darüber sammeln und veröffentliche!: möchte. Diesen Wunsch erfüllt das vorliegende Buch in einer Weise, die den wärmsten Dank aller Schumannfreunde — und welcher wirkliche Musikus wäre das heute nicht! — verdient.*) Der Verfasser dieses Buches, Musikdirektor Jansen in Werden, hat jahre¬ lang bei den noch lebenden Freunden Schumanns mündliche und schriftliche Mitteilungen über ihn, namentlich über die frühern Jahre seiner Thätigkeit, ge¬ sammelt, eine stattliche Anzahl bisher unveröffentlichter Briefe Schumanns ab¬ getrieben, dazu reiches, in Zeitschriften und Büchern zerstreutes Material zur Stelle geschafft und aus alledem einen höchst wertvollen Beitrag zusammen- *) Die Davidsbündler. Aus Robert Schumanns Sturm- und Drangperiode. Ein Beitrag zur Biographie R- Schumanns nebst ungedruckten Briefen, Zinssätzen und Porträt- skizzcu aus seinem Freundeskreise. Vou F. Gustav Jansen. Mit zwei Bildnissen. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1383. Grenzboten III. 1883. 85

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/681>, abgerufen am 08.09.2024.