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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Karl Knaakcs Luther-Ausgabe.

Denn was Luther vertreten und in die kirchliche Lehre man eingeführt hat,
bildet ja auch für die Gegenwart einen Teil der allgemein verbreiteten Kennt¬
nisse; nur wie er es vertreten hat, welche vielseitige", erhabenen und zugleich
lichens- und verehrungswürdigen Eigenschaften des Geistes und des Gemütes
den Boden bilden, aus welchem seine gewaltigen Leistungen erwachsen sind, davon
scheint die Kenntnis in dem lebenden Geschlechte nicht mehr ein in der wünschens¬
werten Weise verbreitetes Gemeingut zu sein, und die Verbreitung dieser Kenntnis
darf man von den" neuen, die echten Quellen frisch erschließenden Unternehmen
hoffen, welches direkt und voraussichtlich durch zahlreiche kleinere, anch populäre
geschichtliche Darstellungen, die aus ihm ihre Nahrung ziehen werden, die Er¬
innerung an Luthers Große neu beleben wird. Luther selbst zwar hat sich der
Absicht widersetzt, seine Schriften gesammelt herauszugeben, und dachte über
seine Bücher so bescheiden, daß er wünschte, sie möchten alle untergehen und
allein die Bibel gelesen werden.") Doch anders dachten darüber seine Zeit¬
genossen, anders wird darüber auch die fernste Nachwelt denken. So lange die
Erinnerung an deutsche Sprache und Literatur fortdauern wird, so lange wird
anch die Erinnerung daran fortleben, welche Stellung Luthers Werke in ihrer
Geschichte einnehmen; so lange es eine historische Forschung geben wird, werden
ihr seine Schriften die unentbehrlichsten Urkunden sein, um zu einer genauern
Kenntnis der Leistungen eines der größten Helden des deutschen Volkes und
der Eigenart einer der folgenreichsten Epochen in der Entwicklung der deutsche"
Nationalität zu gelangen.

Die bevorstehende Säkularfeier der Geburt Luthers fordert dazu auf, die
Liebe zu ihm neu zu bethätigen und, wenn nötig, in seiner Nation frisch an¬
zuregen. Dies mag es rechtfertigen, wenn ich hier zum Schluß noch zwei wenig
bekannte Äußerungen über ihn mitteile, deren eine von einem seiner Zeitgenossen
herrührt, der zu ihm in einem nahen persönlichen Verhältnisse stand, deren andre
aus neuerer Zeit stammt und den ruhmgekrönten Vorkämpfer deutscher Ehre
Ernst Moritz Arndt zum Urheber hat.

Erasmus Alberus schreibt in seinem der Verteidigung Luthers gegen
seine protestantischen Widersacher gewidmeten Buche "Widder die verfluchte lere
der Carlstader" (Neubrandenburg 1656, Bl. siij ff.) über ihn folgendes:

Das die Schweriner allerley speise zu allen zeiten essen mögen, das haben
sie ja von D. Martina, als Gottes werckzeüge. Wenn sie jre weiber vnd linder
ansehen, so sollen sie gedencken, Das ich bisse Ehfrawe vnd Ehkinder habe, das
weis ich nach Gott, niemand zu baueten, denn dem frommen D. Martin". Warumb
bin ich denn dem guten man so feind? was hat er mir zu leid gethan? . . .
Aber also ghets zu, wenn ein kunstreicher meister auffstehet, so sind also bald die
sudeler da, die wöllen den rhum haben, als weren sie die rechte meister vnd Helden,



A, Laulerbachs Tagebuch, herausgegeben von I. K. Seideumuu. Dresden, 1872.
S. 137 f.
Karl Knaakcs Luther-Ausgabe.

Denn was Luther vertreten und in die kirchliche Lehre man eingeführt hat,
bildet ja auch für die Gegenwart einen Teil der allgemein verbreiteten Kennt¬
nisse; nur wie er es vertreten hat, welche vielseitige», erhabenen und zugleich
lichens- und verehrungswürdigen Eigenschaften des Geistes und des Gemütes
den Boden bilden, aus welchem seine gewaltigen Leistungen erwachsen sind, davon
scheint die Kenntnis in dem lebenden Geschlechte nicht mehr ein in der wünschens¬
werten Weise verbreitetes Gemeingut zu sein, und die Verbreitung dieser Kenntnis
darf man von den« neuen, die echten Quellen frisch erschließenden Unternehmen
hoffen, welches direkt und voraussichtlich durch zahlreiche kleinere, anch populäre
geschichtliche Darstellungen, die aus ihm ihre Nahrung ziehen werden, die Er¬
innerung an Luthers Große neu beleben wird. Luther selbst zwar hat sich der
Absicht widersetzt, seine Schriften gesammelt herauszugeben, und dachte über
seine Bücher so bescheiden, daß er wünschte, sie möchten alle untergehen und
allein die Bibel gelesen werden.") Doch anders dachten darüber seine Zeit¬
genossen, anders wird darüber auch die fernste Nachwelt denken. So lange die
Erinnerung an deutsche Sprache und Literatur fortdauern wird, so lange wird
anch die Erinnerung daran fortleben, welche Stellung Luthers Werke in ihrer
Geschichte einnehmen; so lange es eine historische Forschung geben wird, werden
ihr seine Schriften die unentbehrlichsten Urkunden sein, um zu einer genauern
Kenntnis der Leistungen eines der größten Helden des deutschen Volkes und
der Eigenart einer der folgenreichsten Epochen in der Entwicklung der deutsche«
Nationalität zu gelangen.

Die bevorstehende Säkularfeier der Geburt Luthers fordert dazu auf, die
Liebe zu ihm neu zu bethätigen und, wenn nötig, in seiner Nation frisch an¬
zuregen. Dies mag es rechtfertigen, wenn ich hier zum Schluß noch zwei wenig
bekannte Äußerungen über ihn mitteile, deren eine von einem seiner Zeitgenossen
herrührt, der zu ihm in einem nahen persönlichen Verhältnisse stand, deren andre
aus neuerer Zeit stammt und den ruhmgekrönten Vorkämpfer deutscher Ehre
Ernst Moritz Arndt zum Urheber hat.

Erasmus Alberus schreibt in seinem der Verteidigung Luthers gegen
seine protestantischen Widersacher gewidmeten Buche „Widder die verfluchte lere
der Carlstader" (Neubrandenburg 1656, Bl. siij ff.) über ihn folgendes:

Das die Schweriner allerley speise zu allen zeiten essen mögen, das haben
sie ja von D. Martina, als Gottes werckzeüge. Wenn sie jre weiber vnd linder
ansehen, so sollen sie gedencken, Das ich bisse Ehfrawe vnd Ehkinder habe, das
weis ich nach Gott, niemand zu baueten, denn dem frommen D. Martin». Warumb
bin ich denn dem guten man so feind? was hat er mir zu leid gethan? . . .
Aber also ghets zu, wenn ein kunstreicher meister auffstehet, so sind also bald die
sudeler da, die wöllen den rhum haben, als weren sie die rechte meister vnd Helden,



A, Laulerbachs Tagebuch, herausgegeben von I. K. Seideumuu. Dresden, 1872.
S. 137 f.
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[0678] Karl Knaakcs Luther-Ausgabe. Denn was Luther vertreten und in die kirchliche Lehre man eingeführt hat, bildet ja auch für die Gegenwart einen Teil der allgemein verbreiteten Kennt¬ nisse; nur wie er es vertreten hat, welche vielseitige», erhabenen und zugleich lichens- und verehrungswürdigen Eigenschaften des Geistes und des Gemütes den Boden bilden, aus welchem seine gewaltigen Leistungen erwachsen sind, davon scheint die Kenntnis in dem lebenden Geschlechte nicht mehr ein in der wünschens¬ werten Weise verbreitetes Gemeingut zu sein, und die Verbreitung dieser Kenntnis darf man von den« neuen, die echten Quellen frisch erschließenden Unternehmen hoffen, welches direkt und voraussichtlich durch zahlreiche kleinere, anch populäre geschichtliche Darstellungen, die aus ihm ihre Nahrung ziehen werden, die Er¬ innerung an Luthers Große neu beleben wird. Luther selbst zwar hat sich der Absicht widersetzt, seine Schriften gesammelt herauszugeben, und dachte über seine Bücher so bescheiden, daß er wünschte, sie möchten alle untergehen und allein die Bibel gelesen werden.") Doch anders dachten darüber seine Zeit¬ genossen, anders wird darüber auch die fernste Nachwelt denken. So lange die Erinnerung an deutsche Sprache und Literatur fortdauern wird, so lange wird anch die Erinnerung daran fortleben, welche Stellung Luthers Werke in ihrer Geschichte einnehmen; so lange es eine historische Forschung geben wird, werden ihr seine Schriften die unentbehrlichsten Urkunden sein, um zu einer genauern Kenntnis der Leistungen eines der größten Helden des deutschen Volkes und der Eigenart einer der folgenreichsten Epochen in der Entwicklung der deutsche« Nationalität zu gelangen. Die bevorstehende Säkularfeier der Geburt Luthers fordert dazu auf, die Liebe zu ihm neu zu bethätigen und, wenn nötig, in seiner Nation frisch an¬ zuregen. Dies mag es rechtfertigen, wenn ich hier zum Schluß noch zwei wenig bekannte Äußerungen über ihn mitteile, deren eine von einem seiner Zeitgenossen herrührt, der zu ihm in einem nahen persönlichen Verhältnisse stand, deren andre aus neuerer Zeit stammt und den ruhmgekrönten Vorkämpfer deutscher Ehre Ernst Moritz Arndt zum Urheber hat. Erasmus Alberus schreibt in seinem der Verteidigung Luthers gegen seine protestantischen Widersacher gewidmeten Buche „Widder die verfluchte lere der Carlstader" (Neubrandenburg 1656, Bl. siij ff.) über ihn folgendes: Das die Schweriner allerley speise zu allen zeiten essen mögen, das haben sie ja von D. Martina, als Gottes werckzeüge. Wenn sie jre weiber vnd linder ansehen, so sollen sie gedencken, Das ich bisse Ehfrawe vnd Ehkinder habe, das weis ich nach Gott, niemand zu baueten, denn dem frommen D. Martin». Warumb bin ich denn dem guten man so feind? was hat er mir zu leid gethan? . . . Aber also ghets zu, wenn ein kunstreicher meister auffstehet, so sind also bald die sudeler da, die wöllen den rhum haben, als weren sie die rechte meister vnd Helden, A, Laulerbachs Tagebuch, herausgegeben von I. K. Seideumuu. Dresden, 1872. S. 137 f.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/678>, abgerufen am 08.09.2024.