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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten,

Anwaltschaft, einen starken Andrang zu diesem Berufe herbeiführen würden. Auch
dies hat sich vollkommen bestätigt, und die weiter eingetretene Folge eines über¬
großen Andranges zum juristischen Studium wird dieses Verhältnis mich ständig
machen. Zumal in den großen Städten hat sich die Zahl der Anwälte er¬
heblich vermehrt, während umgekehrt die Prozesse wegen der Höhe der Kosten
abgenommen haben. Auf diese Weise kommt es, daß auch viele minder be¬
schäftigte Anwälte existiren, deren Einkommen allerdings nicht die volle Höhe
des Einkommens eines beschäftigten Anwaltes erreicht. Es kann aber unmöglich
Aufgabe einer Gebührenordnung sein, die Gebühren so hoch zu stellen, daß auch
der uur zur Hälfte oder zu einem Drittel seiner Zeit beschäftigte Anwalt ein
überreiches Einkommen hat. Jeder Versuch, dieses zu erreichen, würde nur dem
Schöpfen in ein Danaidenfaß gleichen. Es ergiebt sich zugleich hieraus, daß
es nicht begründet war, wenn man zur Rechtfertigung der überhohen Anwalts¬
gebühren anführte, dieselben würden die Anwälte in die Lage bringen, alle
minder guten Prozesse von sich abzuweisen. Die Erfahrung hat dies nicht
bestätigt.

Besonders betrachten müssen wir sodann noch das Verhältnis der Anwälte,
welche ihren Sitz bei einem Amtsgerichte haben und ihren Haupterwerb in der
Praxis bei diesem und den benachbarten Amtsgerichten suchen. Daß es solche
Anwälte gebe, halten wir mit Rücksicht auf die Größe der Landgerichtsbezirke
und die Unmöglichkeit, daß die Parteien ihre amtsgerichtlichcn Prozesse stets
in Person führen, für durchaus wünschenswert. Man sagt nnn, daß gerade
diese Anwälte durch Herabsetzung der Anwaltsgebühreu, namentlich in den gering¬
fügigen Sachen, soviel verlieren würden, daß sie nicht mehr existiren könnten.
Es mag dies bis zu einem gewissen Maße richtig sein. Wir wüßten aber ein
Mittel dagegen. Das wäre: die amtsgerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen
auf eine höhere Summe zu erstrecken. Sind wir recht unterrichtet, so ist dieser
Gedanke auch bereits bei den Verhandlungen der Reichsjustizkommission auf¬
getaucht und vertreten wordeu. Wir möchten glauben, daß, wenn man die amts¬
gerichtliche Zuständigkeit bis auf 500 oder 600 Mark erhöhte, dadurch unsre
Rechtsprechung keinen erheblichen Schaden leiden würde. Die Lehre, welche be¬
sondern Wert darauf legte, womöglich für jede Rechtssache scholl in erster In¬
stanz ein kollegialisches Urteil zu erlangen, gehört in der That einer bereits
überwundenen Anschauung an. Andrerseits würden mit einer solchen Aus¬
dehnung der amtsgerichtlicheu Kompetenz mancherlei Vorteile verbunden sein.
Den bei den Amtsgerichten thätigen Anwälten würde in der größern Anzahl
der ihnen zufallenden Sachen ein Ersatz für eine Gebührenmindernng gewährt
werden. Die höhern Gerichte würden wesentlich entlastet werden, während die
Mehrbelastung der Amtsgerichte bei den meisten wohl kaum eine Vermehrung
des Personals erheischen würde. Die von den Landgerichtssitzen entfernt
wohnenden würden nicht so oft in die Lage kommen, für ihre Rechtssachen die


Die Höhe der Prozeßkosten,

Anwaltschaft, einen starken Andrang zu diesem Berufe herbeiführen würden. Auch
dies hat sich vollkommen bestätigt, und die weiter eingetretene Folge eines über¬
großen Andranges zum juristischen Studium wird dieses Verhältnis mich ständig
machen. Zumal in den großen Städten hat sich die Zahl der Anwälte er¬
heblich vermehrt, während umgekehrt die Prozesse wegen der Höhe der Kosten
abgenommen haben. Auf diese Weise kommt es, daß auch viele minder be¬
schäftigte Anwälte existiren, deren Einkommen allerdings nicht die volle Höhe
des Einkommens eines beschäftigten Anwaltes erreicht. Es kann aber unmöglich
Aufgabe einer Gebührenordnung sein, die Gebühren so hoch zu stellen, daß auch
der uur zur Hälfte oder zu einem Drittel seiner Zeit beschäftigte Anwalt ein
überreiches Einkommen hat. Jeder Versuch, dieses zu erreichen, würde nur dem
Schöpfen in ein Danaidenfaß gleichen. Es ergiebt sich zugleich hieraus, daß
es nicht begründet war, wenn man zur Rechtfertigung der überhohen Anwalts¬
gebühren anführte, dieselben würden die Anwälte in die Lage bringen, alle
minder guten Prozesse von sich abzuweisen. Die Erfahrung hat dies nicht
bestätigt.

Besonders betrachten müssen wir sodann noch das Verhältnis der Anwälte,
welche ihren Sitz bei einem Amtsgerichte haben und ihren Haupterwerb in der
Praxis bei diesem und den benachbarten Amtsgerichten suchen. Daß es solche
Anwälte gebe, halten wir mit Rücksicht auf die Größe der Landgerichtsbezirke
und die Unmöglichkeit, daß die Parteien ihre amtsgerichtlichcn Prozesse stets
in Person führen, für durchaus wünschenswert. Man sagt nnn, daß gerade
diese Anwälte durch Herabsetzung der Anwaltsgebühreu, namentlich in den gering¬
fügigen Sachen, soviel verlieren würden, daß sie nicht mehr existiren könnten.
Es mag dies bis zu einem gewissen Maße richtig sein. Wir wüßten aber ein
Mittel dagegen. Das wäre: die amtsgerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen
auf eine höhere Summe zu erstrecken. Sind wir recht unterrichtet, so ist dieser
Gedanke auch bereits bei den Verhandlungen der Reichsjustizkommission auf¬
getaucht und vertreten wordeu. Wir möchten glauben, daß, wenn man die amts¬
gerichtliche Zuständigkeit bis auf 500 oder 600 Mark erhöhte, dadurch unsre
Rechtsprechung keinen erheblichen Schaden leiden würde. Die Lehre, welche be¬
sondern Wert darauf legte, womöglich für jede Rechtssache scholl in erster In¬
stanz ein kollegialisches Urteil zu erlangen, gehört in der That einer bereits
überwundenen Anschauung an. Andrerseits würden mit einer solchen Aus¬
dehnung der amtsgerichtlicheu Kompetenz mancherlei Vorteile verbunden sein.
Den bei den Amtsgerichten thätigen Anwälten würde in der größern Anzahl
der ihnen zufallenden Sachen ein Ersatz für eine Gebührenmindernng gewährt
werden. Die höhern Gerichte würden wesentlich entlastet werden, während die
Mehrbelastung der Amtsgerichte bei den meisten wohl kaum eine Vermehrung
des Personals erheischen würde. Die von den Landgerichtssitzen entfernt
wohnenden würden nicht so oft in die Lage kommen, für ihre Rechtssachen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/674>, abgerufen am 08.09.2024.