Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Höhe der Prozeßkosten.

soll, als ihm selbst die Justiz kostet. Wieviel aber den deutschen Staaten die
Ziviljustiz kostet, ist nicht leicht zu sagen, weil die Organe derselben zugleich
die Strafjustiz ausüben, welche unzweifelhaft ihre Kosten nicht deckt, die Kosten
beider Dienstzweige aber schwer auseinander zu rechnen sind. Zugleich kommt
nun in Betracht, daß die deutschen Staaten fast durchgängig an Finanznot
leiden, daß die direkten Steuern nicht wohl erhöht werden können, und daß die
Einführung neuer indirekten Steuern bisher in den Beschlüssen des Reichstags
unbesiegbare Schwierigkeiten gefunden hat. Wenn wir uun auch hoffen, daß
die Verbündeten Regierungen das, man darf wohl sagen einmütige, Begehren
des deutschen Volkes nach Herabsetzung der Prozeßkosten berücksichtigen werden,
so dürfen wir uns doch nicht der Illusion hingeben, als ob die Gerichtskosten
zu einem sehr erheblichen Bruchteil herabgesetzt werden könnten. Es ist dies
eine finanzielle Unmöglichkeit.

Was würde es nun aber ausmachen, wenn zur Minderung der Proze߬
kosten die Gerichtskosten allein, ohne die Anwaltskosten, zu einem geringen
Bruchteil herabgesetzt würden?' Es würde von den Prozeßführeuden garnicht
als eine Wohlthat empfunden werden. Die Prozeßkosten würden nach wie vor
eine empfindliche Höhe haben!

Wir wollen dies zunächst nachweisen unter Zugrundelegung der Kostenskala,
welche die Abgeordneten Payer und Schröder bei der Beratung des Gesetzes
vom 29. Juni 1881 für die ersten elf Sätze vorschlugen. Wir stellen die Zahlen
der jetzt bestehenden und der von jenen Abgeordneten vorgeschlagenen Sätze
hier untereinander und ziehen deren Differenz. (Die Zahlen bedeuten Mark.)

1 -- 2,40 4,60 7,50 11 15 20 26 32 33 44
0,S0 1,60 3,50 6,-- 9 13 18 24 30 36 42
Differenz: 0,50 0,90 1,10 1,50 2 2 2 2 2 2 2

Diese Differenz würde ja in den ersten fünf Sätzen (Prozesse bis zu 360
Mark) allerdings ziemlich fühlbar werden, wenn der Prozeß -- was gesetzlich
zulässig ist -- ohne Anwalt geführt würde. Öfters sind aber die Parteien not¬
gedrungen in der Lage, auch in diesen geringfügigen Sachen Anwälte anzunehmen,
und wir müssen daher zugleich sehen, wie in diesem Falle die Herabsetzung
wirken würde. Bei den weitergehenden Sätzen kommen wegen des in den höhern
Prozessen bestehenden Anwaltszwanges jederzeit neben den Gerichtskosten auch
die Anwaltskvsten in Betracht. Über den praktischen Wert jener Minderung
gelangen wir also zu einer richtigen Anschauung, wenn wir jenen Sätzen die
einfachen Anwaltssätze (doppelt) hinzurechnen. Dann ergeben sich zur Begleichung
folgende Zahlenreihen:

5,-- 8,40 12,60 21,50 31 43 48 74 88 102 116
4,50 7,50 11,50 20-- 29 41 46 72 86 100 114

Das Verhältnis der Minderung beginnt also bei dem ersten Satze mit ^
und vermindert sich von da ab bis zu ^.g. Dabei muß man noch immer im


Die Höhe der Prozeßkosten.

soll, als ihm selbst die Justiz kostet. Wieviel aber den deutschen Staaten die
Ziviljustiz kostet, ist nicht leicht zu sagen, weil die Organe derselben zugleich
die Strafjustiz ausüben, welche unzweifelhaft ihre Kosten nicht deckt, die Kosten
beider Dienstzweige aber schwer auseinander zu rechnen sind. Zugleich kommt
nun in Betracht, daß die deutschen Staaten fast durchgängig an Finanznot
leiden, daß die direkten Steuern nicht wohl erhöht werden können, und daß die
Einführung neuer indirekten Steuern bisher in den Beschlüssen des Reichstags
unbesiegbare Schwierigkeiten gefunden hat. Wenn wir uun auch hoffen, daß
die Verbündeten Regierungen das, man darf wohl sagen einmütige, Begehren
des deutschen Volkes nach Herabsetzung der Prozeßkosten berücksichtigen werden,
so dürfen wir uns doch nicht der Illusion hingeben, als ob die Gerichtskosten
zu einem sehr erheblichen Bruchteil herabgesetzt werden könnten. Es ist dies
eine finanzielle Unmöglichkeit.

Was würde es nun aber ausmachen, wenn zur Minderung der Proze߬
kosten die Gerichtskosten allein, ohne die Anwaltskosten, zu einem geringen
Bruchteil herabgesetzt würden?' Es würde von den Prozeßführeuden garnicht
als eine Wohlthat empfunden werden. Die Prozeßkosten würden nach wie vor
eine empfindliche Höhe haben!

Wir wollen dies zunächst nachweisen unter Zugrundelegung der Kostenskala,
welche die Abgeordneten Payer und Schröder bei der Beratung des Gesetzes
vom 29. Juni 1881 für die ersten elf Sätze vorschlugen. Wir stellen die Zahlen
der jetzt bestehenden und der von jenen Abgeordneten vorgeschlagenen Sätze
hier untereinander und ziehen deren Differenz. (Die Zahlen bedeuten Mark.)

1 — 2,40 4,60 7,50 11 15 20 26 32 33 44
0,S0 1,60 3,50 6,— 9 13 18 24 30 36 42
Differenz: 0,50 0,90 1,10 1,50 2 2 2 2 2 2 2

Diese Differenz würde ja in den ersten fünf Sätzen (Prozesse bis zu 360
Mark) allerdings ziemlich fühlbar werden, wenn der Prozeß — was gesetzlich
zulässig ist — ohne Anwalt geführt würde. Öfters sind aber die Parteien not¬
gedrungen in der Lage, auch in diesen geringfügigen Sachen Anwälte anzunehmen,
und wir müssen daher zugleich sehen, wie in diesem Falle die Herabsetzung
wirken würde. Bei den weitergehenden Sätzen kommen wegen des in den höhern
Prozessen bestehenden Anwaltszwanges jederzeit neben den Gerichtskosten auch
die Anwaltskvsten in Betracht. Über den praktischen Wert jener Minderung
gelangen wir also zu einer richtigen Anschauung, wenn wir jenen Sätzen die
einfachen Anwaltssätze (doppelt) hinzurechnen. Dann ergeben sich zur Begleichung
folgende Zahlenreihen:

5,— 8,40 12,60 21,50 31 43 48 74 88 102 116
4,50 7,50 11,50 20— 29 41 46 72 86 100 114

Das Verhältnis der Minderung beginnt also bei dem ersten Satze mit ^
und vermindert sich von da ab bis zu ^.g. Dabei muß man noch immer im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0672" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154119"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Höhe der Prozeßkosten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2874" prev="#ID_2873"> soll, als ihm selbst die Justiz kostet. Wieviel aber den deutschen Staaten die<lb/>
Ziviljustiz kostet, ist nicht leicht zu sagen, weil die Organe derselben zugleich<lb/>
die Strafjustiz ausüben, welche unzweifelhaft ihre Kosten nicht deckt, die Kosten<lb/>
beider Dienstzweige aber schwer auseinander zu rechnen sind. Zugleich kommt<lb/>
nun in Betracht, daß die deutschen Staaten fast durchgängig an Finanznot<lb/>
leiden, daß die direkten Steuern nicht wohl erhöht werden können, und daß die<lb/>
Einführung neuer indirekten Steuern bisher in den Beschlüssen des Reichstags<lb/>
unbesiegbare Schwierigkeiten gefunden hat. Wenn wir uun auch hoffen, daß<lb/>
die Verbündeten Regierungen das, man darf wohl sagen einmütige, Begehren<lb/>
des deutschen Volkes nach Herabsetzung der Prozeßkosten berücksichtigen werden,<lb/>
so dürfen wir uns doch nicht der Illusion hingeben, als ob die Gerichtskosten<lb/>
zu einem sehr erheblichen Bruchteil herabgesetzt werden könnten. Es ist dies<lb/>
eine finanzielle Unmöglichkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2875"> Was würde es nun aber ausmachen, wenn zur Minderung der Proze߬<lb/>
kosten die Gerichtskosten allein, ohne die Anwaltskosten, zu einem geringen<lb/>
Bruchteil herabgesetzt würden?' Es würde von den Prozeßführeuden garnicht<lb/>
als eine Wohlthat empfunden werden. Die Prozeßkosten würden nach wie vor<lb/>
eine empfindliche Höhe haben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2876"> Wir wollen dies zunächst nachweisen unter Zugrundelegung der Kostenskala,<lb/>
welche die Abgeordneten Payer und Schröder bei der Beratung des Gesetzes<lb/>
vom 29. Juni 1881 für die ersten elf Sätze vorschlugen. Wir stellen die Zahlen<lb/>
der jetzt bestehenden und der von jenen Abgeordneten vorgeschlagenen Sätze<lb/>
hier untereinander und ziehen deren Differenz.  (Die Zahlen bedeuten Mark.)</p><lb/>
          <list>
            <item> 1 &#x2014;  2,40  4,60  7,50  11   15  20  26  32  33 44</item>
            <item> 0,S0  1,60  3,50  6,&#x2014;   9  13  18  24  30  36 42</item>
            <item> Differenz: 0,50  0,90  1,10  1,50   2   2   2   2   2   2 2</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_2877"> Diese Differenz würde ja in den ersten fünf Sätzen (Prozesse bis zu 360<lb/>
Mark) allerdings ziemlich fühlbar werden, wenn der Prozeß &#x2014; was gesetzlich<lb/>
zulässig ist &#x2014; ohne Anwalt geführt würde. Öfters sind aber die Parteien not¬<lb/>
gedrungen in der Lage, auch in diesen geringfügigen Sachen Anwälte anzunehmen,<lb/>
und wir müssen daher zugleich sehen, wie in diesem Falle die Herabsetzung<lb/>
wirken würde. Bei den weitergehenden Sätzen kommen wegen des in den höhern<lb/>
Prozessen bestehenden Anwaltszwanges jederzeit neben den Gerichtskosten auch<lb/>
die Anwaltskvsten in Betracht. Über den praktischen Wert jener Minderung<lb/>
gelangen wir also zu einer richtigen Anschauung, wenn wir jenen Sätzen die<lb/>
einfachen Anwaltssätze (doppelt) hinzurechnen. Dann ergeben sich zur Begleichung<lb/>
folgende Zahlenreihen:</p><lb/>
          <list>
            <item> 5,&#x2014; 8,40 12,60 21,50 31 43 48 74 88 102 116</item>
            <item> 4,50  7,50  11,50  20&#x2014;  29  41  46  72  86  100 114</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_2878" next="#ID_2879"> Das Verhältnis der Minderung beginnt also bei dem ersten Satze mit ^<lb/>
und vermindert sich von da ab bis zu ^.g.  Dabei muß man noch immer im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0672] Die Höhe der Prozeßkosten. soll, als ihm selbst die Justiz kostet. Wieviel aber den deutschen Staaten die Ziviljustiz kostet, ist nicht leicht zu sagen, weil die Organe derselben zugleich die Strafjustiz ausüben, welche unzweifelhaft ihre Kosten nicht deckt, die Kosten beider Dienstzweige aber schwer auseinander zu rechnen sind. Zugleich kommt nun in Betracht, daß die deutschen Staaten fast durchgängig an Finanznot leiden, daß die direkten Steuern nicht wohl erhöht werden können, und daß die Einführung neuer indirekten Steuern bisher in den Beschlüssen des Reichstags unbesiegbare Schwierigkeiten gefunden hat. Wenn wir uun auch hoffen, daß die Verbündeten Regierungen das, man darf wohl sagen einmütige, Begehren des deutschen Volkes nach Herabsetzung der Prozeßkosten berücksichtigen werden, so dürfen wir uns doch nicht der Illusion hingeben, als ob die Gerichtskosten zu einem sehr erheblichen Bruchteil herabgesetzt werden könnten. Es ist dies eine finanzielle Unmöglichkeit. Was würde es nun aber ausmachen, wenn zur Minderung der Proze߬ kosten die Gerichtskosten allein, ohne die Anwaltskosten, zu einem geringen Bruchteil herabgesetzt würden?' Es würde von den Prozeßführeuden garnicht als eine Wohlthat empfunden werden. Die Prozeßkosten würden nach wie vor eine empfindliche Höhe haben! Wir wollen dies zunächst nachweisen unter Zugrundelegung der Kostenskala, welche die Abgeordneten Payer und Schröder bei der Beratung des Gesetzes vom 29. Juni 1881 für die ersten elf Sätze vorschlugen. Wir stellen die Zahlen der jetzt bestehenden und der von jenen Abgeordneten vorgeschlagenen Sätze hier untereinander und ziehen deren Differenz. (Die Zahlen bedeuten Mark.) 1 — 2,40 4,60 7,50 11 15 20 26 32 33 44 0,S0 1,60 3,50 6,— 9 13 18 24 30 36 42 Differenz: 0,50 0,90 1,10 1,50 2 2 2 2 2 2 2 Diese Differenz würde ja in den ersten fünf Sätzen (Prozesse bis zu 360 Mark) allerdings ziemlich fühlbar werden, wenn der Prozeß — was gesetzlich zulässig ist — ohne Anwalt geführt würde. Öfters sind aber die Parteien not¬ gedrungen in der Lage, auch in diesen geringfügigen Sachen Anwälte anzunehmen, und wir müssen daher zugleich sehen, wie in diesem Falle die Herabsetzung wirken würde. Bei den weitergehenden Sätzen kommen wegen des in den höhern Prozessen bestehenden Anwaltszwanges jederzeit neben den Gerichtskosten auch die Anwaltskvsten in Betracht. Über den praktischen Wert jener Minderung gelangen wir also zu einer richtigen Anschauung, wenn wir jenen Sätzen die einfachen Anwaltssätze (doppelt) hinzurechnen. Dann ergeben sich zur Begleichung folgende Zahlenreihen: 5,— 8,40 12,60 21,50 31 43 48 74 88 102 116 4,50 7,50 11,50 20— 29 41 46 72 86 100 114 Das Verhältnis der Minderung beginnt also bei dem ersten Satze mit ^ und vermindert sich von da ab bis zu ^.g. Dabei muß man noch immer im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/672
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/672>, abgerufen am 08.09.2024.