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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten.

Diese Tabelle läßt zunächst soviel erkennen, daß die Kosten der beiden
Anwälte in den ersten zwei Klassen das Doppelte der Gerichtskosten weit über¬
ragen; daß aber von da an ein vermindertes Verhältnis eintritt, und zwar in
der Art, daß die Anwaltskosten sich zu den Gerichtskosten anfangs (bis zu
Klasse 8) verhalten ungefähr wie 5:3, daß dann das Verhältnis auf ^/g, -'/z,
Vs. ^/i4°,u. s- w. übergeht und endlich in der 18. Klasse noch ^ beträgt.

Abgesehen von diesem im allgemeinen richtig sich darstellenden Verhältnis
giebt aber vorstehende Zusammenstellung kein völlig richtiges Bild der wirk¬
lichen Sachlage. Sie läßt weder die Höhe der Prozeßkosten überhaupt, noch
das Verhältnis der Reichskosten zu den frühern preußischen Kosten, noch das
Verhältnis zwischen Anwaltskosten und Gerichtskosten richtig erkennen.

Die Höhe der Prozeßkosten überhaupt läßt die Zusammenstellung nicht
erkennen, weil sie nur auf einer Berechnung der Sätze für die Hauptbandlungen
beruht. Zu diesen kommen aber noch die zahlreichen Gerichts- und Anwalts-
kosteu für Nebenhandlungen, die sich aus ^/i" u. s. w. der Hauptgebühr

zuscunmenaddiren. Dazu kommen die Schreibgebühren und Portoauslagen. Dazu
kommen die sehr hohen Reisekosten für Anwälte, wenn diese nicht am Gerichtsvrte
wohnen. Dazu kommen die Gebühren für Zeugen und Sachverständige, die
Kosten für gerichtliche Augenscheinsvornahmen, welche alle unter Umständen den
Prozeß wesentlich verteuern. Dazu kommen endlich die Kosten der Gerichts¬
vollzieher, von denen man früher auch nichts wußte. So summiren sich die
heutigen Prozeßkosten zu sehr hohen Summen.

Das Verhältnis der Neichskosten zu den preußischen Kosten läßt die Zu¬
sammenstellung nicht erkennen, weil nach dem preußischen Tarif die Zustellungs¬
gebühren, Schreibgebührcn und Portoauslagen bei den Gerichten garnicht be¬
sonders berechnet wurden, sondern in dem Bauschquantum begriffen waren, auch
den Anwälten Schreibgebühren nur in weit geringerem Maße zustanden. Der
Unterschied ist also noch größer, als er in der Zusammenstellung erscheint.
Dazu kommt noch, daß nach dem preußischen Tarif Gerichtskosten lind Anwalts¬
gebühren bei einem bestimmten hohen Satze nicht weiter sich steigerten, während
nach dem Reichstarif beide mit dem Werte des Streitgegenstandes bis ins un¬
endliche wachsen.

Um endlich das wahre Verhältnis zwischen Gerichtskosten und Anwalts-
kosten zu erkennen, müssen wir neben der Höhe der Hauptsätze an sich noch
eine Menge andrer Verhältnisse in Betracht ziehen.

Den drei Hauptsätzen, in welchen die "volle Gerichtsgebühr" zur Erhebung
kommt, nämlich: Verhandlungsgebühr, Beweisgebühr und Entscheidungsgebühr,
kann man drei Hauptsätze, in welchen die volle Anwaltsgebühr zur Erhebung
kommt, gegenüberstellen, nämlich: die Prozeßgebühr, die Verhandlungsgebühr
und die Beweisgcbühr einschließlich der Gebühr für die Beweisverhandlung.
Diese Anwaltsgebühren liegen aber je in einem frühern Stadium des Prozesses,


Die Höhe der Prozeßkosten.

Diese Tabelle läßt zunächst soviel erkennen, daß die Kosten der beiden
Anwälte in den ersten zwei Klassen das Doppelte der Gerichtskosten weit über¬
ragen; daß aber von da an ein vermindertes Verhältnis eintritt, und zwar in
der Art, daß die Anwaltskosten sich zu den Gerichtskosten anfangs (bis zu
Klasse 8) verhalten ungefähr wie 5:3, daß dann das Verhältnis auf ^/g, -'/z,
Vs. ^/i4°,u. s- w. übergeht und endlich in der 18. Klasse noch ^ beträgt.

Abgesehen von diesem im allgemeinen richtig sich darstellenden Verhältnis
giebt aber vorstehende Zusammenstellung kein völlig richtiges Bild der wirk¬
lichen Sachlage. Sie läßt weder die Höhe der Prozeßkosten überhaupt, noch
das Verhältnis der Reichskosten zu den frühern preußischen Kosten, noch das
Verhältnis zwischen Anwaltskosten und Gerichtskosten richtig erkennen.

Die Höhe der Prozeßkosten überhaupt läßt die Zusammenstellung nicht
erkennen, weil sie nur auf einer Berechnung der Sätze für die Hauptbandlungen
beruht. Zu diesen kommen aber noch die zahlreichen Gerichts- und Anwalts-
kosteu für Nebenhandlungen, die sich aus ^/i» u. s. w. der Hauptgebühr

zuscunmenaddiren. Dazu kommen die Schreibgebühren und Portoauslagen. Dazu
kommen die sehr hohen Reisekosten für Anwälte, wenn diese nicht am Gerichtsvrte
wohnen. Dazu kommen die Gebühren für Zeugen und Sachverständige, die
Kosten für gerichtliche Augenscheinsvornahmen, welche alle unter Umständen den
Prozeß wesentlich verteuern. Dazu kommen endlich die Kosten der Gerichts¬
vollzieher, von denen man früher auch nichts wußte. So summiren sich die
heutigen Prozeßkosten zu sehr hohen Summen.

Das Verhältnis der Neichskosten zu den preußischen Kosten läßt die Zu¬
sammenstellung nicht erkennen, weil nach dem preußischen Tarif die Zustellungs¬
gebühren, Schreibgebührcn und Portoauslagen bei den Gerichten garnicht be¬
sonders berechnet wurden, sondern in dem Bauschquantum begriffen waren, auch
den Anwälten Schreibgebühren nur in weit geringerem Maße zustanden. Der
Unterschied ist also noch größer, als er in der Zusammenstellung erscheint.
Dazu kommt noch, daß nach dem preußischen Tarif Gerichtskosten lind Anwalts¬
gebühren bei einem bestimmten hohen Satze nicht weiter sich steigerten, während
nach dem Reichstarif beide mit dem Werte des Streitgegenstandes bis ins un¬
endliche wachsen.

Um endlich das wahre Verhältnis zwischen Gerichtskosten und Anwalts-
kosten zu erkennen, müssen wir neben der Höhe der Hauptsätze an sich noch
eine Menge andrer Verhältnisse in Betracht ziehen.

Den drei Hauptsätzen, in welchen die „volle Gerichtsgebühr" zur Erhebung
kommt, nämlich: Verhandlungsgebühr, Beweisgebühr und Entscheidungsgebühr,
kann man drei Hauptsätze, in welchen die volle Anwaltsgebühr zur Erhebung
kommt, gegenüberstellen, nämlich: die Prozeßgebühr, die Verhandlungsgebühr
und die Beweisgcbühr einschließlich der Gebühr für die Beweisverhandlung.
Diese Anwaltsgebühren liegen aber je in einem frühern Stadium des Prozesses,


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[0670] Die Höhe der Prozeßkosten. Diese Tabelle läßt zunächst soviel erkennen, daß die Kosten der beiden Anwälte in den ersten zwei Klassen das Doppelte der Gerichtskosten weit über¬ ragen; daß aber von da an ein vermindertes Verhältnis eintritt, und zwar in der Art, daß die Anwaltskosten sich zu den Gerichtskosten anfangs (bis zu Klasse 8) verhalten ungefähr wie 5:3, daß dann das Verhältnis auf ^/g, -'/z, Vs. ^/i4°,u. s- w. übergeht und endlich in der 18. Klasse noch ^ beträgt. Abgesehen von diesem im allgemeinen richtig sich darstellenden Verhältnis giebt aber vorstehende Zusammenstellung kein völlig richtiges Bild der wirk¬ lichen Sachlage. Sie läßt weder die Höhe der Prozeßkosten überhaupt, noch das Verhältnis der Reichskosten zu den frühern preußischen Kosten, noch das Verhältnis zwischen Anwaltskosten und Gerichtskosten richtig erkennen. Die Höhe der Prozeßkosten überhaupt läßt die Zusammenstellung nicht erkennen, weil sie nur auf einer Berechnung der Sätze für die Hauptbandlungen beruht. Zu diesen kommen aber noch die zahlreichen Gerichts- und Anwalts- kosteu für Nebenhandlungen, die sich aus ^/i» u. s. w. der Hauptgebühr zuscunmenaddiren. Dazu kommen die Schreibgebühren und Portoauslagen. Dazu kommen die sehr hohen Reisekosten für Anwälte, wenn diese nicht am Gerichtsvrte wohnen. Dazu kommen die Gebühren für Zeugen und Sachverständige, die Kosten für gerichtliche Augenscheinsvornahmen, welche alle unter Umständen den Prozeß wesentlich verteuern. Dazu kommen endlich die Kosten der Gerichts¬ vollzieher, von denen man früher auch nichts wußte. So summiren sich die heutigen Prozeßkosten zu sehr hohen Summen. Das Verhältnis der Neichskosten zu den preußischen Kosten läßt die Zu¬ sammenstellung nicht erkennen, weil nach dem preußischen Tarif die Zustellungs¬ gebühren, Schreibgebührcn und Portoauslagen bei den Gerichten garnicht be¬ sonders berechnet wurden, sondern in dem Bauschquantum begriffen waren, auch den Anwälten Schreibgebühren nur in weit geringerem Maße zustanden. Der Unterschied ist also noch größer, als er in der Zusammenstellung erscheint. Dazu kommt noch, daß nach dem preußischen Tarif Gerichtskosten lind Anwalts¬ gebühren bei einem bestimmten hohen Satze nicht weiter sich steigerten, während nach dem Reichstarif beide mit dem Werte des Streitgegenstandes bis ins un¬ endliche wachsen. Um endlich das wahre Verhältnis zwischen Gerichtskosten und Anwalts- kosten zu erkennen, müssen wir neben der Höhe der Hauptsätze an sich noch eine Menge andrer Verhältnisse in Betracht ziehen. Den drei Hauptsätzen, in welchen die „volle Gerichtsgebühr" zur Erhebung kommt, nämlich: Verhandlungsgebühr, Beweisgebühr und Entscheidungsgebühr, kann man drei Hauptsätze, in welchen die volle Anwaltsgebühr zur Erhebung kommt, gegenüberstellen, nämlich: die Prozeßgebühr, die Verhandlungsgebühr und die Beweisgcbühr einschließlich der Gebühr für die Beweisverhandlung. Diese Anwaltsgebühren liegen aber je in einem frühern Stadium des Prozesses,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/670>, abgerufen am 08.09.2024.