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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten.

nun wohl diese Resolution, deren Inhalt jn der unzweifelhafte Sinn der
ganzen Verhandlungen war? Ohne Zweifel wollte der schlaue Taktiker mit
dieser Resolution, die von einer "Ermäßigung" sprach, einen Gegensatz schaffen
zu der andern Resolution, welche nur von einer "Revision" sprach. Auch besaß
man nun eine Resolution auf "Ermäßigung der Gerichtskosten," welche man
später in Bezug nehmen konnte, ohne der häßlichen Resolution auf gleichzeitige
Revision der Anwaltskosten zu gedenken. Wir werden gleich sehen, wie dieser
Kunstgriff weiter verwertet wurde.

Auch in den folgenden Sessionen des Reichstages ruhte die Angelegenheit
nicht. Jn einem aus neuen Wahlen hervorgegangenen Hanse erschollen bereits
bei der Etatsberatung vom 3. Dezember 1831 wieder von allen Seiten die
Klagen über die "Höhe der Gerichtskosten." Am 16. Dezember stellte der Ab¬
geordnete Payer einen neuen selbständigen Antrag: "Wiederholt die Erwartung
auszusprechen," und nnn folgte wörtlich der Inhalt der letzten Resolution
Windthorsts. Die gleichzeitig beschlossene andre Resolution auf Revision der
Anwaltsgebühren glaubte der Antragsteller übergehen zu dürfen. Indessen
bereits der nächste Redner, Abgeordneter Petersen (Oberlandesgcrichts-Präsident
in Kolmar, nativnalliberal), bemerkte, daß durch die Anwaltskvsten die Recht-
suchenden nicht minder beschwert würden wie durch die Gerichtskosten, und daß
auch eine Revision der erstern geboten sei. Der folgende Redner, Abgeordneter
Birkenmeyer (Landgerichtsrat aus Baden), protestirte freilich wiederum ent¬
schieden dagegen, daß, weil die Gerichtskosten hoch seien, nun auch die Anwälte
-- wie er sich geschmackvoll ausdrückte -- "Haare lassen sollten." Der Ab¬
geordnete Hartmann (Staatsanwalt aus Sachsen) aber schloß sich im Namen
der freikonservativen Fraktion der vom Abgeordneten Petersen ausgesprochenen
Ansicht an. Hiernächst gelangte der Antrag Payer zur Annahme.

Wiederum in der folgenden Session fragte bei beiden Etatsberatungen am
23. Januar 1883 der Abgeordnete Payer, am 5. Juni 1883 in Vertretung
Papers der Abgeordnete Richter über den Stand der "Gerichtskostenfrage" an.
Beide male erwiederte der Vorstand des Reichsjustizamtes, daß die zu sammelnden
statistischen Ergebnisse noch nicht vollständig vorlagen. Beide male war von
den Anwaltskvsten nicht die Rede.

Neuerdings hat auch die "Nativnallibemle Korrespondenz" der "Revision
der Gerichtskosten" einen Artikel gewidmet. Auch sie schweigt wieder von den
Anwaltsgebühren.

So liegt zur Zeit die Sache.




Nach der klaren Darlegung, welche der Staatssekretär Dr. von Schelling
am 28. April 1881 über die Sachlage gab, sollte man glauben, es müsse bereits


Die Höhe der Prozeßkosten.

nun wohl diese Resolution, deren Inhalt jn der unzweifelhafte Sinn der
ganzen Verhandlungen war? Ohne Zweifel wollte der schlaue Taktiker mit
dieser Resolution, die von einer „Ermäßigung" sprach, einen Gegensatz schaffen
zu der andern Resolution, welche nur von einer „Revision" sprach. Auch besaß
man nun eine Resolution auf „Ermäßigung der Gerichtskosten," welche man
später in Bezug nehmen konnte, ohne der häßlichen Resolution auf gleichzeitige
Revision der Anwaltskosten zu gedenken. Wir werden gleich sehen, wie dieser
Kunstgriff weiter verwertet wurde.

Auch in den folgenden Sessionen des Reichstages ruhte die Angelegenheit
nicht. Jn einem aus neuen Wahlen hervorgegangenen Hanse erschollen bereits
bei der Etatsberatung vom 3. Dezember 1831 wieder von allen Seiten die
Klagen über die „Höhe der Gerichtskosten." Am 16. Dezember stellte der Ab¬
geordnete Payer einen neuen selbständigen Antrag: „Wiederholt die Erwartung
auszusprechen," und nnn folgte wörtlich der Inhalt der letzten Resolution
Windthorsts. Die gleichzeitig beschlossene andre Resolution auf Revision der
Anwaltsgebühren glaubte der Antragsteller übergehen zu dürfen. Indessen
bereits der nächste Redner, Abgeordneter Petersen (Oberlandesgcrichts-Präsident
in Kolmar, nativnalliberal), bemerkte, daß durch die Anwaltskvsten die Recht-
suchenden nicht minder beschwert würden wie durch die Gerichtskosten, und daß
auch eine Revision der erstern geboten sei. Der folgende Redner, Abgeordneter
Birkenmeyer (Landgerichtsrat aus Baden), protestirte freilich wiederum ent¬
schieden dagegen, daß, weil die Gerichtskosten hoch seien, nun auch die Anwälte
— wie er sich geschmackvoll ausdrückte — „Haare lassen sollten." Der Ab¬
geordnete Hartmann (Staatsanwalt aus Sachsen) aber schloß sich im Namen
der freikonservativen Fraktion der vom Abgeordneten Petersen ausgesprochenen
Ansicht an. Hiernächst gelangte der Antrag Payer zur Annahme.

Wiederum in der folgenden Session fragte bei beiden Etatsberatungen am
23. Januar 1883 der Abgeordnete Payer, am 5. Juni 1883 in Vertretung
Papers der Abgeordnete Richter über den Stand der „Gerichtskostenfrage" an.
Beide male erwiederte der Vorstand des Reichsjustizamtes, daß die zu sammelnden
statistischen Ergebnisse noch nicht vollständig vorlagen. Beide male war von
den Anwaltskvsten nicht die Rede.

Neuerdings hat auch die „Nativnallibemle Korrespondenz" der „Revision
der Gerichtskosten" einen Artikel gewidmet. Auch sie schweigt wieder von den
Anwaltsgebühren.

So liegt zur Zeit die Sache.




Nach der klaren Darlegung, welche der Staatssekretär Dr. von Schelling
am 28. April 1881 über die Sachlage gab, sollte man glauben, es müsse bereits


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/668>, abgerufen am 08.09.2024.