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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens,

Die Landesherrn und die Senate der freien Städte ernennen die Offiziere
ihres Kontingents, wobei Generale der Bestätigung des Kaisers bedürfen; sie
sind Chefs ihrer Truppenabteilungen mit dem Rechte jederzeitiger Jnspizirung
und der Befugnis zur Verfügung über dieselben zu polizeilichen Zwecken. So
die Reichsverfassung.

Diese Bestimmungen sind nun durch Zusätze, besondre Verträge und die
sogenannten Militürkonventivnen in den wesentlichsten Punkten erheblich modi-
fizirt, teils erweitert, teils mich im Partikularinteresse einzelner Buudesstnaten
und ihrer Kontingente derartig beschränkt, daß dem Kaiser gleichmäßig über alle
deutschen Truppen eigentlich nur das Jnspizirungsrecht ungeschmälert zusteht.
Dabei fehlt ein militärisches Zentralorgan. Der in den oben angezognen Ver-
fassnngsbestinunnngen erwähnte Bnndesratsansschnß, welchem der preußische
Kriegsminister präsidire. hat lediglich beratende Stimme, und die kaiserlichen
Befehle gelangen durch Vermittlung des preußischen Kriegsministers an die
selbständigen Kricgsministerien von Vaiern, Sachsen und Würtemberg.

Betrachten wir nnn die Verhältnisse der einzelnen Bnudeskontiugente zum
Kaiser etwas näher.

Zunächst haben der Bündnisvertrag vom 23. November 1870 und die
Schlußbestimmungen zum elften und zwölften Abschnitt der Reichsverfassung dem
zweitgrößten Bundesstaate, dem Königreich Baiern, eine weitgehende Sonder¬
stellung eingeräumt. Darnach bildet die bairische Armee mit ihren zwei Armee¬
korps unter der Militäroberhoheit des Königs einen in sich abgeschlossenen
Bestandteil des deutschen Buudesheeres mit völlig selbständiger Verwaltung.
Die Stärke der bairischen Armee wird durch Neichsgesetz bestimmt, doch trägt
das Land Kosten und Lasten derselben allein. Das Armcebudget unterliegt
also nicht den Beratungen des Reichstages, wenn Baiern sich auch verpflichtet
hat, auf seine Armee einen gleichen Geldbetrag zu verwenden, wie nach Verhältnis
der Kvpfstärke durch den Militäretat des Reiches für die übrigen Teile des
Bundesheeres ausgesetzt wird. Bairische Truppen trete" erst nach erfolgte",
Mobilmachungsbefehl, welcher auf Veranlassung des Kaisers durch den König
ausgesprochen wird, unter den Befehl des Bundesfeldherrn. Das Verhältnis
der auf bairischen Gebiet vorhandenen Festungen ist besonders geregelt, die
Anlegung neuer Befestigungen im Interesse der gesamtdeutschen Verteidigung
ist jedesmaliger Verabredung vorbehalten, lind das Recht des Kaisers, zur Er¬
haltung der öffentlichen Sicherheit den Kriegszustand zu verhängen, soll dnrch
Bundesgesetz geregelt werden. In Bezug auf Organisation, Formation und
Ausbildung hat Baiern die Bestimmungen der Verfassung angenommen, doch
ist erst vor kurzem die gleiche Bewaffnung mit dem Gewehr der übrigen deutschen
Truppen durchgeführt worden. Die traditionelle hellblaue Farbe der Unifvrmiruug
aber ist beibehalten worden, und die bairischen Regimenter führen keine durch¬
laufende Nummer mit den Kontingente" der andern Bundesstaaten. Das kaiser-


Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens,

Die Landesherrn und die Senate der freien Städte ernennen die Offiziere
ihres Kontingents, wobei Generale der Bestätigung des Kaisers bedürfen; sie
sind Chefs ihrer Truppenabteilungen mit dem Rechte jederzeitiger Jnspizirung
und der Befugnis zur Verfügung über dieselben zu polizeilichen Zwecken. So
die Reichsverfassung.

Diese Bestimmungen sind nun durch Zusätze, besondre Verträge und die
sogenannten Militürkonventivnen in den wesentlichsten Punkten erheblich modi-
fizirt, teils erweitert, teils mich im Partikularinteresse einzelner Buudesstnaten
und ihrer Kontingente derartig beschränkt, daß dem Kaiser gleichmäßig über alle
deutschen Truppen eigentlich nur das Jnspizirungsrecht ungeschmälert zusteht.
Dabei fehlt ein militärisches Zentralorgan. Der in den oben angezognen Ver-
fassnngsbestinunnngen erwähnte Bnndesratsansschnß, welchem der preußische
Kriegsminister präsidire. hat lediglich beratende Stimme, und die kaiserlichen
Befehle gelangen durch Vermittlung des preußischen Kriegsministers an die
selbständigen Kricgsministerien von Vaiern, Sachsen und Würtemberg.

Betrachten wir nnn die Verhältnisse der einzelnen Bnudeskontiugente zum
Kaiser etwas näher.

Zunächst haben der Bündnisvertrag vom 23. November 1870 und die
Schlußbestimmungen zum elften und zwölften Abschnitt der Reichsverfassung dem
zweitgrößten Bundesstaate, dem Königreich Baiern, eine weitgehende Sonder¬
stellung eingeräumt. Darnach bildet die bairische Armee mit ihren zwei Armee¬
korps unter der Militäroberhoheit des Königs einen in sich abgeschlossenen
Bestandteil des deutschen Buudesheeres mit völlig selbständiger Verwaltung.
Die Stärke der bairischen Armee wird durch Neichsgesetz bestimmt, doch trägt
das Land Kosten und Lasten derselben allein. Das Armcebudget unterliegt
also nicht den Beratungen des Reichstages, wenn Baiern sich auch verpflichtet
hat, auf seine Armee einen gleichen Geldbetrag zu verwenden, wie nach Verhältnis
der Kvpfstärke durch den Militäretat des Reiches für die übrigen Teile des
Bundesheeres ausgesetzt wird. Bairische Truppen trete« erst nach erfolgte»,
Mobilmachungsbefehl, welcher auf Veranlassung des Kaisers durch den König
ausgesprochen wird, unter den Befehl des Bundesfeldherrn. Das Verhältnis
der auf bairischen Gebiet vorhandenen Festungen ist besonders geregelt, die
Anlegung neuer Befestigungen im Interesse der gesamtdeutschen Verteidigung
ist jedesmaliger Verabredung vorbehalten, lind das Recht des Kaisers, zur Er¬
haltung der öffentlichen Sicherheit den Kriegszustand zu verhängen, soll dnrch
Bundesgesetz geregelt werden. In Bezug auf Organisation, Formation und
Ausbildung hat Baiern die Bestimmungen der Verfassung angenommen, doch
ist erst vor kurzem die gleiche Bewaffnung mit dem Gewehr der übrigen deutschen
Truppen durchgeführt worden. Die traditionelle hellblaue Farbe der Unifvrmiruug
aber ist beibehalten worden, und die bairischen Regimenter führen keine durch¬
laufende Nummer mit den Kontingente» der andern Bundesstaaten. Das kaiser-


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[0618] Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens, Die Landesherrn und die Senate der freien Städte ernennen die Offiziere ihres Kontingents, wobei Generale der Bestätigung des Kaisers bedürfen; sie sind Chefs ihrer Truppenabteilungen mit dem Rechte jederzeitiger Jnspizirung und der Befugnis zur Verfügung über dieselben zu polizeilichen Zwecken. So die Reichsverfassung. Diese Bestimmungen sind nun durch Zusätze, besondre Verträge und die sogenannten Militürkonventivnen in den wesentlichsten Punkten erheblich modi- fizirt, teils erweitert, teils mich im Partikularinteresse einzelner Buudesstnaten und ihrer Kontingente derartig beschränkt, daß dem Kaiser gleichmäßig über alle deutschen Truppen eigentlich nur das Jnspizirungsrecht ungeschmälert zusteht. Dabei fehlt ein militärisches Zentralorgan. Der in den oben angezognen Ver- fassnngsbestinunnngen erwähnte Bnndesratsansschnß, welchem der preußische Kriegsminister präsidire. hat lediglich beratende Stimme, und die kaiserlichen Befehle gelangen durch Vermittlung des preußischen Kriegsministers an die selbständigen Kricgsministerien von Vaiern, Sachsen und Würtemberg. Betrachten wir nnn die Verhältnisse der einzelnen Bnudeskontiugente zum Kaiser etwas näher. Zunächst haben der Bündnisvertrag vom 23. November 1870 und die Schlußbestimmungen zum elften und zwölften Abschnitt der Reichsverfassung dem zweitgrößten Bundesstaate, dem Königreich Baiern, eine weitgehende Sonder¬ stellung eingeräumt. Darnach bildet die bairische Armee mit ihren zwei Armee¬ korps unter der Militäroberhoheit des Königs einen in sich abgeschlossenen Bestandteil des deutschen Buudesheeres mit völlig selbständiger Verwaltung. Die Stärke der bairischen Armee wird durch Neichsgesetz bestimmt, doch trägt das Land Kosten und Lasten derselben allein. Das Armcebudget unterliegt also nicht den Beratungen des Reichstages, wenn Baiern sich auch verpflichtet hat, auf seine Armee einen gleichen Geldbetrag zu verwenden, wie nach Verhältnis der Kvpfstärke durch den Militäretat des Reiches für die übrigen Teile des Bundesheeres ausgesetzt wird. Bairische Truppen trete« erst nach erfolgte», Mobilmachungsbefehl, welcher auf Veranlassung des Kaisers durch den König ausgesprochen wird, unter den Befehl des Bundesfeldherrn. Das Verhältnis der auf bairischen Gebiet vorhandenen Festungen ist besonders geregelt, die Anlegung neuer Befestigungen im Interesse der gesamtdeutschen Verteidigung ist jedesmaliger Verabredung vorbehalten, lind das Recht des Kaisers, zur Er¬ haltung der öffentlichen Sicherheit den Kriegszustand zu verhängen, soll dnrch Bundesgesetz geregelt werden. In Bezug auf Organisation, Formation und Ausbildung hat Baiern die Bestimmungen der Verfassung angenommen, doch ist erst vor kurzem die gleiche Bewaffnung mit dem Gewehr der übrigen deutschen Truppen durchgeführt worden. Die traditionelle hellblaue Farbe der Unifvrmiruug aber ist beibehalten worden, und die bairischen Regimenter führen keine durch¬ laufende Nummer mit den Kontingente» der andern Bundesstaaten. Das kaiser-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/618>, abgerufen am 08.09.2024.