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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens,

annehmen können, daß die jetzigen Gebühren der Anwälte die von den preußischen
Anwälten vor 1875 bezogenen etwa um das Doppelte überwiegen, zu den von
1875 bis 1879 bezogenen aber in dem Verhältnis wie etwa 8 zu 5 stehen.
Das ist der Erfolg des Neichsgesetzes vom 7. Juli 1879.*)

(Schluß folgt.)




Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens.

in gewöhnlichen Leben hat man sich gewöhnt, vom "deutschen
Heere" als von einem einheitlichen Ganzen zu sprechen, und auch
die Reichsverfassung gebraucht zu wiederholten malen ausdrücklich
diese Bezeichnung. Trotzdem ist dieselbe nicht zutreffend. Die auf
blutigen Schlachtfeldern erkämpfte Waffenbrüderschaft der Söhne
aller deutschen Stämme ist während der friedlichen Entwicklung der deutschen
Heeresverhültnisse keineswegs vollständig oder auch nur in dem wünschenswerten
Maße in die Erscheinung getreten. Das "deutsche Heer" gliedert sich vielmehr
in vier administrativ völlig von einander getrennte, in mehr oder minder hohem
Grade selbständige Körper: die preußische Armee mit den ihr eng verbundenen
Kontingenten, die sächsische, die würtenbergische und die bairische Armee. Die ein¬
schlägigen Verhältnisse sind im allgemeinen so wenig bekannt, daß eine genauere
Darlegung derselben auch manchem Leser dieser Zeitschrift willkommen sein dürfte.

Im Großen und Ganzen sind die Bestimmungen der Verfassung des nord¬
deutschen Bundes in Bezug auf das Militärwesen auch in die Reichsverfassung über¬
gegangen. Der 3. Artikel des vierten Abschnittes der letztern sichert in politischer
Beziehung dem Könige von Preußen als deutschem Kaiser das Präsidium des



Als ein Beispiel, wie die neue Gebührenordnung unter Umständen wirkt, kann
folgender Fall dienen. Eine Partei, die einen Prozeß über ein großes Streitobjekt geführt
hatte, wurde nach Erledigung desselben durch Vergleich von einem Rechtsanwalt, der den
Prozeß nicht geführt hatte, auf Zahlung eines Honorars für den von ihm dem General¬
bevollmächtigten der Partei erteilten Rat (H 47 der Gebührenordnung) verklagt. Nach dem
Zeugnis des Generalbevollmächtigten verhielt sich die Sache folgendermaßen. Derselbe war
mit dem gedachten Rechtsanwälte nahe befreundet. Die beiden Freunde sehen einander
fast täglich. Dann sprachen sie auch über den Prozeß. Einigemale hatte der General
bevollmächtigte auch Konferenzen darüber mit seinem Freunde abgehalten. Auch hatte er
sich von diesem einige Schriften durchsehen lassen, welche der Anmalt jedoch regelmäßig an
dem nämlichen Tage wieder zurückgab. Das für diese "Ratsertcilungen" tarifmäßig be¬
rechnete Honorar, welches der Anwalt einklagte, betrug S9 019 Mark 70 Pfennige. Die
Klage wurde nur wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen.
Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens,

annehmen können, daß die jetzigen Gebühren der Anwälte die von den preußischen
Anwälten vor 1875 bezogenen etwa um das Doppelte überwiegen, zu den von
1875 bis 1879 bezogenen aber in dem Verhältnis wie etwa 8 zu 5 stehen.
Das ist der Erfolg des Neichsgesetzes vom 7. Juli 1879.*)

(Schluß folgt.)




Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens.

in gewöhnlichen Leben hat man sich gewöhnt, vom „deutschen
Heere" als von einem einheitlichen Ganzen zu sprechen, und auch
die Reichsverfassung gebraucht zu wiederholten malen ausdrücklich
diese Bezeichnung. Trotzdem ist dieselbe nicht zutreffend. Die auf
blutigen Schlachtfeldern erkämpfte Waffenbrüderschaft der Söhne
aller deutschen Stämme ist während der friedlichen Entwicklung der deutschen
Heeresverhültnisse keineswegs vollständig oder auch nur in dem wünschenswerten
Maße in die Erscheinung getreten. Das „deutsche Heer" gliedert sich vielmehr
in vier administrativ völlig von einander getrennte, in mehr oder minder hohem
Grade selbständige Körper: die preußische Armee mit den ihr eng verbundenen
Kontingenten, die sächsische, die würtenbergische und die bairische Armee. Die ein¬
schlägigen Verhältnisse sind im allgemeinen so wenig bekannt, daß eine genauere
Darlegung derselben auch manchem Leser dieser Zeitschrift willkommen sein dürfte.

Im Großen und Ganzen sind die Bestimmungen der Verfassung des nord¬
deutschen Bundes in Bezug auf das Militärwesen auch in die Reichsverfassung über¬
gegangen. Der 3. Artikel des vierten Abschnittes der letztern sichert in politischer
Beziehung dem Könige von Preußen als deutschem Kaiser das Präsidium des



Als ein Beispiel, wie die neue Gebührenordnung unter Umständen wirkt, kann
folgender Fall dienen. Eine Partei, die einen Prozeß über ein großes Streitobjekt geführt
hatte, wurde nach Erledigung desselben durch Vergleich von einem Rechtsanwalt, der den
Prozeß nicht geführt hatte, auf Zahlung eines Honorars für den von ihm dem General¬
bevollmächtigten der Partei erteilten Rat (H 47 der Gebührenordnung) verklagt. Nach dem
Zeugnis des Generalbevollmächtigten verhielt sich die Sache folgendermaßen. Derselbe war
mit dem gedachten Rechtsanwälte nahe befreundet. Die beiden Freunde sehen einander
fast täglich. Dann sprachen sie auch über den Prozeß. Einigemale hatte der General
bevollmächtigte auch Konferenzen darüber mit seinem Freunde abgehalten. Auch hatte er
sich von diesem einige Schriften durchsehen lassen, welche der Anmalt jedoch regelmäßig an
dem nämlichen Tage wieder zurückgab. Das für diese „Ratsertcilungen" tarifmäßig be¬
rechnete Honorar, welches der Anwalt einklagte, betrug S9 019 Mark 70 Pfennige. Die
Klage wurde nur wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen.
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[0616] Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens, annehmen können, daß die jetzigen Gebühren der Anwälte die von den preußischen Anwälten vor 1875 bezogenen etwa um das Doppelte überwiegen, zu den von 1875 bis 1879 bezogenen aber in dem Verhältnis wie etwa 8 zu 5 stehen. Das ist der Erfolg des Neichsgesetzes vom 7. Juli 1879.*) (Schluß folgt.) Innere Verhältnisse des deutschen Heerwesens. in gewöhnlichen Leben hat man sich gewöhnt, vom „deutschen Heere" als von einem einheitlichen Ganzen zu sprechen, und auch die Reichsverfassung gebraucht zu wiederholten malen ausdrücklich diese Bezeichnung. Trotzdem ist dieselbe nicht zutreffend. Die auf blutigen Schlachtfeldern erkämpfte Waffenbrüderschaft der Söhne aller deutschen Stämme ist während der friedlichen Entwicklung der deutschen Heeresverhültnisse keineswegs vollständig oder auch nur in dem wünschenswerten Maße in die Erscheinung getreten. Das „deutsche Heer" gliedert sich vielmehr in vier administrativ völlig von einander getrennte, in mehr oder minder hohem Grade selbständige Körper: die preußische Armee mit den ihr eng verbundenen Kontingenten, die sächsische, die würtenbergische und die bairische Armee. Die ein¬ schlägigen Verhältnisse sind im allgemeinen so wenig bekannt, daß eine genauere Darlegung derselben auch manchem Leser dieser Zeitschrift willkommen sein dürfte. Im Großen und Ganzen sind die Bestimmungen der Verfassung des nord¬ deutschen Bundes in Bezug auf das Militärwesen auch in die Reichsverfassung über¬ gegangen. Der 3. Artikel des vierten Abschnittes der letztern sichert in politischer Beziehung dem Könige von Preußen als deutschem Kaiser das Präsidium des Als ein Beispiel, wie die neue Gebührenordnung unter Umständen wirkt, kann folgender Fall dienen. Eine Partei, die einen Prozeß über ein großes Streitobjekt geführt hatte, wurde nach Erledigung desselben durch Vergleich von einem Rechtsanwalt, der den Prozeß nicht geführt hatte, auf Zahlung eines Honorars für den von ihm dem General¬ bevollmächtigten der Partei erteilten Rat (H 47 der Gebührenordnung) verklagt. Nach dem Zeugnis des Generalbevollmächtigten verhielt sich die Sache folgendermaßen. Derselbe war mit dem gedachten Rechtsanwälte nahe befreundet. Die beiden Freunde sehen einander fast täglich. Dann sprachen sie auch über den Prozeß. Einigemale hatte der General bevollmächtigte auch Konferenzen darüber mit seinem Freunde abgehalten. Auch hatte er sich von diesem einige Schriften durchsehen lassen, welche der Anmalt jedoch regelmäßig an dem nämlichen Tage wieder zurückgab. Das für diese „Ratsertcilungen" tarifmäßig be¬ rechnete Honorar, welches der Anwalt einklagte, betrug S9 019 Mark 70 Pfennige. Die Klage wurde nur wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/616>, abgerufen am 08.09.2024.