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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozcßkosten.

einzelne persönlich Beteiligte gewählt wurden. Freilich mag es wohl mich in
den Parlamenten Persönlichkeiten geben, die es mit ihrem Gefühl nicht vereinbar
finden, an Fragen solcher Art irgendwie sich zu beteiligen. Nach den vor¬
herrschenden parlamentarischen Sitten würde eben wohl niemand etwas dabei
gefunden haben, wenn in die Kommission für die Anwaltsgebühren auch eine
kleine Anzahl von Anwälten gelangt wäre. Daß aber eine Kommission dieser
Art zu 5°/zz aus persönlich Jnteressirten zusammengesetzt worden wäre, war
bis dahin, soweit wir die parlamentarischen Verhältnisse überblicken, unerhört.
Und wir möchten wohl erfahren, was die liberalen Parteien sagen würden,
wenn z. B. bei einer Frage über die Eisenzölle die Konservativen fast nur
Eisenindustrielle in eine Kommission entsendeten und damit eine derartige Zu¬
sammensetzung der Kommission erwirkten. Es brauchte nur ein einziges von
den übrigen Mitgliedern der Kommission den zehn Anwälten beizutreten, so
hatten diese die Mehrheit. Dafür war nun auch von vornherein gesorgt. Neben
den vier Anwälten hatten die Nativnalliberalen zwei Richter in die Kommission
entsendet, von denen man sicher erwarten konnte, daß sie den Wünschen der
Anwälte keinen erheblichen Widerstand leisten würden. War doch der eine der¬
selben selbst vierundzwanzig Jahre lang Anwalt gewesen in einem Ländchen,
wo der glückliche Zustand waltete, daß es eine Anwaltsgebührenordnung gar¬
nicht gab. Auch der hannoversche Amtsrichter, welcher im Jahre vorher so eifrig
für die Erhöhung der Gerichtsvollziehergcbühren gekämpft hatte, war wieder
auch in diese Kommission gelangt. So war den Wünschen der Anwälte von
Anfang an die Mehrheit gesichert.

Vorsitzender der Kommission wurde der Hamburger Advokat Dr. Jsaak
Wolffson, Berichterstatter der hannoversche Obergerichtsanwalt Laporte (der auch
schon der Gerichtskostenkommission angehört hatte), beide nationalliberal. Bei
den Kommissionsverhandlungen ging es sehr lebhaft zu. Jeder Versuch einzelner
Mitglieder, die Sätze etwas niedriger zu gestalten, rief auf andrer Seite einen
Sturm der Entrüstung hervor. Bald fand sich eine ziemlich feste Mehrheit
zusammen, welcher die Sätze des Entwurfs noch zu niedrig erschienen. Eine
moralische Unterstützung fand diese Mehrheit in einer lebhaften Agitation der
Anwaltskammern und in den Beschlüssen eines gleichzeitig in Berlin lagerten
Anwaltskongresses. Andrerseits freilich regten sich auch viele Handelskammern
und baten dringend, den Prozeß nicht allzusehr zu verteuern. Auf die Mehrheit
der Kommission machte dies aber keinen Eindruck, und sie beschloß, die Gebühren¬
sätze noch höher zu stellen. Demgemäß wurde eine neue Skala aufgestellt,
deren Sätze zwischen 2 und 68 Mark sich bewegten und deren Summe die
Zahl 596 ergab. Auch die übrigen Verbesserungsanträge der Kommission, so¬
weit sie nicht bloß redaktionell waren, lauteten durchweg zu Gunsten der An¬
wälte. So gelangte die Arbeit, wiederum mit "mündlichem" Bericht, an den
Reichstag.


Die Höhe der Prozcßkosten.

einzelne persönlich Beteiligte gewählt wurden. Freilich mag es wohl mich in
den Parlamenten Persönlichkeiten geben, die es mit ihrem Gefühl nicht vereinbar
finden, an Fragen solcher Art irgendwie sich zu beteiligen. Nach den vor¬
herrschenden parlamentarischen Sitten würde eben wohl niemand etwas dabei
gefunden haben, wenn in die Kommission für die Anwaltsgebühren auch eine
kleine Anzahl von Anwälten gelangt wäre. Daß aber eine Kommission dieser
Art zu 5°/zz aus persönlich Jnteressirten zusammengesetzt worden wäre, war
bis dahin, soweit wir die parlamentarischen Verhältnisse überblicken, unerhört.
Und wir möchten wohl erfahren, was die liberalen Parteien sagen würden,
wenn z. B. bei einer Frage über die Eisenzölle die Konservativen fast nur
Eisenindustrielle in eine Kommission entsendeten und damit eine derartige Zu¬
sammensetzung der Kommission erwirkten. Es brauchte nur ein einziges von
den übrigen Mitgliedern der Kommission den zehn Anwälten beizutreten, so
hatten diese die Mehrheit. Dafür war nun auch von vornherein gesorgt. Neben
den vier Anwälten hatten die Nativnalliberalen zwei Richter in die Kommission
entsendet, von denen man sicher erwarten konnte, daß sie den Wünschen der
Anwälte keinen erheblichen Widerstand leisten würden. War doch der eine der¬
selben selbst vierundzwanzig Jahre lang Anwalt gewesen in einem Ländchen,
wo der glückliche Zustand waltete, daß es eine Anwaltsgebührenordnung gar¬
nicht gab. Auch der hannoversche Amtsrichter, welcher im Jahre vorher so eifrig
für die Erhöhung der Gerichtsvollziehergcbühren gekämpft hatte, war wieder
auch in diese Kommission gelangt. So war den Wünschen der Anwälte von
Anfang an die Mehrheit gesichert.

Vorsitzender der Kommission wurde der Hamburger Advokat Dr. Jsaak
Wolffson, Berichterstatter der hannoversche Obergerichtsanwalt Laporte (der auch
schon der Gerichtskostenkommission angehört hatte), beide nationalliberal. Bei
den Kommissionsverhandlungen ging es sehr lebhaft zu. Jeder Versuch einzelner
Mitglieder, die Sätze etwas niedriger zu gestalten, rief auf andrer Seite einen
Sturm der Entrüstung hervor. Bald fand sich eine ziemlich feste Mehrheit
zusammen, welcher die Sätze des Entwurfs noch zu niedrig erschienen. Eine
moralische Unterstützung fand diese Mehrheit in einer lebhaften Agitation der
Anwaltskammern und in den Beschlüssen eines gleichzeitig in Berlin lagerten
Anwaltskongresses. Andrerseits freilich regten sich auch viele Handelskammern
und baten dringend, den Prozeß nicht allzusehr zu verteuern. Auf die Mehrheit
der Kommission machte dies aber keinen Eindruck, und sie beschloß, die Gebühren¬
sätze noch höher zu stellen. Demgemäß wurde eine neue Skala aufgestellt,
deren Sätze zwischen 2 und 68 Mark sich bewegten und deren Summe die
Zahl 596 ergab. Auch die übrigen Verbesserungsanträge der Kommission, so¬
weit sie nicht bloß redaktionell waren, lauteten durchweg zu Gunsten der An¬
wälte. So gelangte die Arbeit, wiederum mit „mündlichem" Bericht, an den
Reichstag.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/613>, abgerufen am 08.09.2024.