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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Urwg in An"a>n mit Toxkin.

die nächsten Schwierigkeiten, mit denen Frankreich weiter zu rechnen und zu
kämpfen haben wird. Ein Friede, der ohne den Suzerän in Peking und gegen
den Willen einer starken Partei in Arran und Tonkin abgeschlossen wird, ist
kein Friede.

Die Gefahr für die französische Stellung an der Mündung und dem untern
Laufe des Roten Flusses liegt nicht sowohl in der Hauptstadt Annäus als in
der Bevölkerung der Südprovinzen Chinas. In jenem Stromdelta vor allem
wird man von jetzt an alle verfügbaren Truppen sammeln müssen, die von
Frankreich und von Saigon in Arran eingetroffen sind, und es ist sehr die
Frage, ob diese, die mit Einrechnung der eingebornen Kontingente nicht über
fünftausend Mann zählen, genügen werden, um die Stellung auf die Dauer zu
behaupten und erhebliche weitere Fortschritte zu machen. Sie haben die Garnison
für vier Orte zu stellen und außerdem Kolonnen zur Vertreibung von Feinden
auszusenden, welche sich den Flußarmen, die jene Orte verbinden, in unbequemer
Weise nähern. Da sie sich nicht fern von der See befinden, so werden sie sich
mit allen Bedürfnissen europäischer Armeen leicht versehen können; da sie aber
in morastigen Gegenden unter der glühenden Tropensonne stehen, so werden sie
schwer von den Krankheiten heimgesucht werden, welche Malaria und Sonnenstich
erzeugen. Sie werden weit schneller als anderswo durch Todesfälle und Siech¬
tum zusammeuschwinden und, wenn nicht für raschen und genügenden Nach¬
schub gesorgt wird, täglich weniger fähig werden, die Unternehmungen auszu¬
führen, welche ihre Regierung mit der Expedition nach Hinterindien im Auge
hatte. Es ist ferner fraglich, ob ihre Führer sich nicht über die Stärke der
Gegner getäuscht haben. Wie groß oder wie gering die Zahl der letztern auch
an dem oder jenem Punkte außerhalb des vom französischen Jnvasionsheere
besetzten Dreiecks sein mag, sicher ist, daß sie den Angreifern in dieser Hinsicht
überlegen sind, und ebenso gewiß scheint uns, daß sie keine Übeln Soldaten sind.
Sie verstehen sich auf den Schanzenbau, auf die Befestigung von Dörfern und
wissen Sümpfe und Bambusgebüsche recht wohl zur Lähmung der Operationen
des Gegners zu benutzen. Sie legen eine bei ungeübten Leuten seltene Kalt¬
blütigkeit an den Tag, die ihr Feuer spart, bis die Feinde wirksam beschossen
werden können. Sie ersehen den rechten Augenblick zum Übergang aus der
Verteidigung zum Angriff und wissen, was eine ungestüme und ausdauernde
Verfolgung geschlagner Gegner wert ist. Kurz, es scheint, als ob die französischen
Offiziere gut thun würden, wenn sie sich etwas mehr Achtung vor den soldatischen
Tugenden ihrer Feinde anschafften, mögen dieselben nun Tonkinesen oder Chinesen,
Räuber oder eine Art Landsturm sein. Die Franzosen haben sich im Delta
des Roten Flusses festgesetzt, die Verteidiger des Landes können sie mit Aus¬
sicht auf Erfolg nicht angreifen, aber andrerseits können die republikanischen
Truppen, wenn sie nicht sehr verstärkt werden, nicht viel weiter mehr vordringen
und noch weniger an eine Eroberung von ganz Arran denken.


Der Urwg in An»a>n mit Toxkin.

die nächsten Schwierigkeiten, mit denen Frankreich weiter zu rechnen und zu
kämpfen haben wird. Ein Friede, der ohne den Suzerän in Peking und gegen
den Willen einer starken Partei in Arran und Tonkin abgeschlossen wird, ist
kein Friede.

Die Gefahr für die französische Stellung an der Mündung und dem untern
Laufe des Roten Flusses liegt nicht sowohl in der Hauptstadt Annäus als in
der Bevölkerung der Südprovinzen Chinas. In jenem Stromdelta vor allem
wird man von jetzt an alle verfügbaren Truppen sammeln müssen, die von
Frankreich und von Saigon in Arran eingetroffen sind, und es ist sehr die
Frage, ob diese, die mit Einrechnung der eingebornen Kontingente nicht über
fünftausend Mann zählen, genügen werden, um die Stellung auf die Dauer zu
behaupten und erhebliche weitere Fortschritte zu machen. Sie haben die Garnison
für vier Orte zu stellen und außerdem Kolonnen zur Vertreibung von Feinden
auszusenden, welche sich den Flußarmen, die jene Orte verbinden, in unbequemer
Weise nähern. Da sie sich nicht fern von der See befinden, so werden sie sich
mit allen Bedürfnissen europäischer Armeen leicht versehen können; da sie aber
in morastigen Gegenden unter der glühenden Tropensonne stehen, so werden sie
schwer von den Krankheiten heimgesucht werden, welche Malaria und Sonnenstich
erzeugen. Sie werden weit schneller als anderswo durch Todesfälle und Siech¬
tum zusammeuschwinden und, wenn nicht für raschen und genügenden Nach¬
schub gesorgt wird, täglich weniger fähig werden, die Unternehmungen auszu¬
führen, welche ihre Regierung mit der Expedition nach Hinterindien im Auge
hatte. Es ist ferner fraglich, ob ihre Führer sich nicht über die Stärke der
Gegner getäuscht haben. Wie groß oder wie gering die Zahl der letztern auch
an dem oder jenem Punkte außerhalb des vom französischen Jnvasionsheere
besetzten Dreiecks sein mag, sicher ist, daß sie den Angreifern in dieser Hinsicht
überlegen sind, und ebenso gewiß scheint uns, daß sie keine Übeln Soldaten sind.
Sie verstehen sich auf den Schanzenbau, auf die Befestigung von Dörfern und
wissen Sümpfe und Bambusgebüsche recht wohl zur Lähmung der Operationen
des Gegners zu benutzen. Sie legen eine bei ungeübten Leuten seltene Kalt¬
blütigkeit an den Tag, die ihr Feuer spart, bis die Feinde wirksam beschossen
werden können. Sie ersehen den rechten Augenblick zum Übergang aus der
Verteidigung zum Angriff und wissen, was eine ungestüme und ausdauernde
Verfolgung geschlagner Gegner wert ist. Kurz, es scheint, als ob die französischen
Offiziere gut thun würden, wenn sie sich etwas mehr Achtung vor den soldatischen
Tugenden ihrer Feinde anschafften, mögen dieselben nun Tonkinesen oder Chinesen,
Räuber oder eine Art Landsturm sein. Die Franzosen haben sich im Delta
des Roten Flusses festgesetzt, die Verteidiger des Landes können sie mit Aus¬
sicht auf Erfolg nicht angreifen, aber andrerseits können die republikanischen
Truppen, wenn sie nicht sehr verstärkt werden, nicht viel weiter mehr vordringen
und noch weniger an eine Eroberung von ganz Arran denken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/580>, abgerufen am 08.09.2024.