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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Krieg in Arran und Tonkin.

am südlichen Ufer wurden am 21. besetzt, ohne daß hier vorher zu kämpfen ge¬
wesen wäre. An der Beschießung der übrigen Werke beteiligten sich die Fahr¬
zeuge Bayard, Atalante. ClMeau Renaud, Drac, Vipere und Lynx, und zwar
schössen dieselben sehr gut. Die Landungstruppen bestanden aus Matrosen von
den drei erstgenannten Schiffen, zwei Kompagnien Marineinfanterie, einer Kom¬
pagnie einheimischer Scharfschützen, zwei Batterien Schiffsartillerie und hundert
Kukis, alles in allem aus 1050 Mann mit fünfzehn Geschützen. Während der
Zwischenzeit, die zwischen der Einnahme des nördlichen Forts und der Besetzung
des südlichen verfloß, ankerte" die Vipere und die Lynx, unterstützt durch die
übrigen Fahrzeuge des Geschwaders, innerhalb der Barre und im Vereich der
annamitischen Festnngsgeschütze. Der Bayard erhielt drei Schüsse in den Rumpf,
die Vipere wurde ebenfalls an verschiednen Stellen getroffen, doch waren die
Beschädigungen bei keinem der beiden Fahrzeuge ernster Art, auch gab es auf
französischer Seite nur wenige Verwundete. Dagegen richteten die Bomben der
Angreifer großen Schaden an, und die Anmänner verloren über 600 Mann
an Toten. Weiter wurde von Saigon nach Paris telegraphirt, daß ein Waffen¬
stillstand abgeschlossen worden, und daß Dr. Harmand, der französische Zivil¬
kommissär für Tonkin, mit dem Vertreter des Gouverneurs von Kochinchina,
Herrn de Champeaux, am 22. nach der Hauptstadt von Arran abgereist ist,
um über den Frieden zu unterhandeln. Ein drittes Telegramm meldet endlich,
daß die beiden Herren in der Schaluppe Bayard und in Begleitung von zwei
kleinen Dampfern nach Huc abfuhren, die eine Eskorte von 90 Marinesoldaten
mit mehreren Offizieren an Bord hatten. Außerdem waren zwei Kanonenboote
hinter ihnen hergesandt worden, die den Hnefluß soweit als möglich hinauf¬
dampfen sollten, während ein drittes Befehl erhielt, die Verbindung zwischen
ihnen und dem Admiral aufrecht zu erhalten. Die Depesche fügt hinzu, daß
Harmand sich auf ausdrücklichen Wunsch des Nachfolgers des Kaisers Tu Duk
nach Huc begeben habe, da dieser, am Tage des Bombardements mit Not der
Ermordung durch seine einheimischen Gegner entgangen, seine Person und die
Hauptstadt unter französischen Schutz zu stellen beabsichtige. Der ganze Hof
befinde sich in größter Angst. Nach diesen Mitteilungen scheint die annamitische
Regierung bereit, sich unter jeder Bedingung zu unterwerfen und alle For¬
derungen, die Frankreich stellen wird, zu bewilligen; es fragt sich nur, wieviel
sie der Gegenpartei gegenüber noch gilt und vermag, und ob die Franzosen
mehr als den untern Lauf des Huestromes und dessen Ufer zu erobern und zu
behaupten imstande sein werden. Hinge der Ausgang der Expedition nach Tonkin
und Arran nur von der Haltung des Nachfolgers Tu Duks ab, fo könnte man
die Sache als praktisch abgethan betrachten. Bei näherer Prüfung trifft aber
jene Voraussetzung schwerlich zu. Der Zusammenbruch des Hofes von Huc
wird die nicht offiziellen Gegner Frankreichs in Tonkin wahrscheinlich mit neuer
Energie erfüllen, und hier, nicht in Arran, liegen bei der Nachbarschaft Chinas


Der Krieg in Arran und Tonkin.

am südlichen Ufer wurden am 21. besetzt, ohne daß hier vorher zu kämpfen ge¬
wesen wäre. An der Beschießung der übrigen Werke beteiligten sich die Fahr¬
zeuge Bayard, Atalante. ClMeau Renaud, Drac, Vipere und Lynx, und zwar
schössen dieselben sehr gut. Die Landungstruppen bestanden aus Matrosen von
den drei erstgenannten Schiffen, zwei Kompagnien Marineinfanterie, einer Kom¬
pagnie einheimischer Scharfschützen, zwei Batterien Schiffsartillerie und hundert
Kukis, alles in allem aus 1050 Mann mit fünfzehn Geschützen. Während der
Zwischenzeit, die zwischen der Einnahme des nördlichen Forts und der Besetzung
des südlichen verfloß, ankerte» die Vipere und die Lynx, unterstützt durch die
übrigen Fahrzeuge des Geschwaders, innerhalb der Barre und im Vereich der
annamitischen Festnngsgeschütze. Der Bayard erhielt drei Schüsse in den Rumpf,
die Vipere wurde ebenfalls an verschiednen Stellen getroffen, doch waren die
Beschädigungen bei keinem der beiden Fahrzeuge ernster Art, auch gab es auf
französischer Seite nur wenige Verwundete. Dagegen richteten die Bomben der
Angreifer großen Schaden an, und die Anmänner verloren über 600 Mann
an Toten. Weiter wurde von Saigon nach Paris telegraphirt, daß ein Waffen¬
stillstand abgeschlossen worden, und daß Dr. Harmand, der französische Zivil¬
kommissär für Tonkin, mit dem Vertreter des Gouverneurs von Kochinchina,
Herrn de Champeaux, am 22. nach der Hauptstadt von Arran abgereist ist,
um über den Frieden zu unterhandeln. Ein drittes Telegramm meldet endlich,
daß die beiden Herren in der Schaluppe Bayard und in Begleitung von zwei
kleinen Dampfern nach Huc abfuhren, die eine Eskorte von 90 Marinesoldaten
mit mehreren Offizieren an Bord hatten. Außerdem waren zwei Kanonenboote
hinter ihnen hergesandt worden, die den Hnefluß soweit als möglich hinauf¬
dampfen sollten, während ein drittes Befehl erhielt, die Verbindung zwischen
ihnen und dem Admiral aufrecht zu erhalten. Die Depesche fügt hinzu, daß
Harmand sich auf ausdrücklichen Wunsch des Nachfolgers des Kaisers Tu Duk
nach Huc begeben habe, da dieser, am Tage des Bombardements mit Not der
Ermordung durch seine einheimischen Gegner entgangen, seine Person und die
Hauptstadt unter französischen Schutz zu stellen beabsichtige. Der ganze Hof
befinde sich in größter Angst. Nach diesen Mitteilungen scheint die annamitische
Regierung bereit, sich unter jeder Bedingung zu unterwerfen und alle For¬
derungen, die Frankreich stellen wird, zu bewilligen; es fragt sich nur, wieviel
sie der Gegenpartei gegenüber noch gilt und vermag, und ob die Franzosen
mehr als den untern Lauf des Huestromes und dessen Ufer zu erobern und zu
behaupten imstande sein werden. Hinge der Ausgang der Expedition nach Tonkin
und Arran nur von der Haltung des Nachfolgers Tu Duks ab, fo könnte man
die Sache als praktisch abgethan betrachten. Bei näherer Prüfung trifft aber
jene Voraussetzung schwerlich zu. Der Zusammenbruch des Hofes von Huc
wird die nicht offiziellen Gegner Frankreichs in Tonkin wahrscheinlich mit neuer
Energie erfüllen, und hier, nicht in Arran, liegen bei der Nachbarschaft Chinas


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[0579] Der Krieg in Arran und Tonkin. am südlichen Ufer wurden am 21. besetzt, ohne daß hier vorher zu kämpfen ge¬ wesen wäre. An der Beschießung der übrigen Werke beteiligten sich die Fahr¬ zeuge Bayard, Atalante. ClMeau Renaud, Drac, Vipere und Lynx, und zwar schössen dieselben sehr gut. Die Landungstruppen bestanden aus Matrosen von den drei erstgenannten Schiffen, zwei Kompagnien Marineinfanterie, einer Kom¬ pagnie einheimischer Scharfschützen, zwei Batterien Schiffsartillerie und hundert Kukis, alles in allem aus 1050 Mann mit fünfzehn Geschützen. Während der Zwischenzeit, die zwischen der Einnahme des nördlichen Forts und der Besetzung des südlichen verfloß, ankerte» die Vipere und die Lynx, unterstützt durch die übrigen Fahrzeuge des Geschwaders, innerhalb der Barre und im Vereich der annamitischen Festnngsgeschütze. Der Bayard erhielt drei Schüsse in den Rumpf, die Vipere wurde ebenfalls an verschiednen Stellen getroffen, doch waren die Beschädigungen bei keinem der beiden Fahrzeuge ernster Art, auch gab es auf französischer Seite nur wenige Verwundete. Dagegen richteten die Bomben der Angreifer großen Schaden an, und die Anmänner verloren über 600 Mann an Toten. Weiter wurde von Saigon nach Paris telegraphirt, daß ein Waffen¬ stillstand abgeschlossen worden, und daß Dr. Harmand, der französische Zivil¬ kommissär für Tonkin, mit dem Vertreter des Gouverneurs von Kochinchina, Herrn de Champeaux, am 22. nach der Hauptstadt von Arran abgereist ist, um über den Frieden zu unterhandeln. Ein drittes Telegramm meldet endlich, daß die beiden Herren in der Schaluppe Bayard und in Begleitung von zwei kleinen Dampfern nach Huc abfuhren, die eine Eskorte von 90 Marinesoldaten mit mehreren Offizieren an Bord hatten. Außerdem waren zwei Kanonenboote hinter ihnen hergesandt worden, die den Hnefluß soweit als möglich hinauf¬ dampfen sollten, während ein drittes Befehl erhielt, die Verbindung zwischen ihnen und dem Admiral aufrecht zu erhalten. Die Depesche fügt hinzu, daß Harmand sich auf ausdrücklichen Wunsch des Nachfolgers des Kaisers Tu Duk nach Huc begeben habe, da dieser, am Tage des Bombardements mit Not der Ermordung durch seine einheimischen Gegner entgangen, seine Person und die Hauptstadt unter französischen Schutz zu stellen beabsichtige. Der ganze Hof befinde sich in größter Angst. Nach diesen Mitteilungen scheint die annamitische Regierung bereit, sich unter jeder Bedingung zu unterwerfen und alle For¬ derungen, die Frankreich stellen wird, zu bewilligen; es fragt sich nur, wieviel sie der Gegenpartei gegenüber noch gilt und vermag, und ob die Franzosen mehr als den untern Lauf des Huestromes und dessen Ufer zu erobern und zu behaupten imstande sein werden. Hinge der Ausgang der Expedition nach Tonkin und Arran nur von der Haltung des Nachfolgers Tu Duks ab, fo könnte man die Sache als praktisch abgethan betrachten. Bei näherer Prüfung trifft aber jene Voraussetzung schwerlich zu. Der Zusammenbruch des Hofes von Huc wird die nicht offiziellen Gegner Frankreichs in Tonkin wahrscheinlich mit neuer Energie erfüllen, und hier, nicht in Arran, liegen bei der Nachbarschaft Chinas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/579>, abgerufen am 08.09.2024.