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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Arieg in Aimain und Tonkin.

hältnismäßig geringen Zahl der französischen Strcitkrüfte sah dieser Plan einiger¬
maßen gewagt aus, und in der That ist er bis jetzt zunächst in Tonkin nur
insoweit gelungen, als, wie gesagt, Haizuong sich seit drei Wochen in der Ge¬
walt der Angreifer befindet. Der Vormarsch gegen songeai dagegen ist auf¬
gehalten worden, und was hier geschehen ist, sieht wie eine Niederlage der
Franzosen aus; jedenfalls haben sie nur einen Teil ihrer Aufgabe zu lösen
vermocht, und ihre Hauptmacht hat sich nach Hanoi zurückziehen müssen.

In der Nacht vom 14. zum 15. August rückte Bouet mit 2000 Mann
und sechs Kanonen von Hanoi gegen songeai aus, wobei er auf dem Flusse
von fünf Kanonenbooten unterstützt wurde. Er marschirte in drei Kolonnen
vor, von denen die eine, vom Obersten Revillon kommandirt, längs des Wassers
hinzog. Seine Absicht war, die am Ufer befindlichen Schanzen des Feindes
entweder zu erstürmen oder zu umgehen. Ungefähr zwei Wegstunden von Hanoi
stieß die Revillvnsche Kolonne auf die ersten Berschanzungeii, welche die An-
männer vor dem Granatfeuer der Kanonenboote bald darauf räumten. Auch
eine zweite befestigte Stellung der Landesverteidiger wurde nach kurzer Zeit
von diesen verlassen. Bei der dritten aber kam das Gefecht zum Stocken. Es
handelte sich um ein Dorf, das mit starken Bambuspfählen verpalisfadirt war.
Nachdem dasselbe vom Wasser her kräftig beschossen worden war, ging Revillons
Infanterie zum Sturme vor, stieß aber auf einen so energischen Widerstand,
daß sie sich rückwärts konzentriren mußte. Weiteres Feuer der Kanonenboote
vermochte, obwohl länger als eine Stunde unterhalten, die Anmänner nicht zu
vertreiben, und ein zweiter Sturmangriff der französischen Infanterie mißglückte
wie der erste. Ebenso war ein dritter erfolglos. Während Revillon sich auf
einen vierten vorbereitete, der mit Tagesanbruch stattfinden sollte, hatte die vom
Obersten Coronae befehligte, im Zentrum vorgehende Kolonne fast gar keinen
Widerstand gefunden und war infolge dessen bis zu dem Dorfe Jenoi vorge¬
drungen, in dem sie sich festsetzte, um das Ergebnis der Umgehung abzuwarten,
welche von der Kolonne auf dem linken Flügel der französischen Schlachtord¬
nung ausgeführt werden sollte. Die letzterwähnte Kolonne, die der Oberst Thier
führte, sandte eine Abteilung zum Rekognosziren vor, die bald auf Schanzen
stieß, welche die Straße sperrten und nicht umgangen werden konnten, dn das
Terrain rechts und links vom Wege teils überschwemmt, teils Sumpfland war.
Es war dieselbe Straße, auf welcher Riviere von den Anmänner geschlagen
worden und gefallen war. Ohne Widerstand zu finden, passirte man die Stelle,
wo dies geschehen, und gelangte vor das Dorf Wug, wo die Straße mit einer
Berschanzung geschlossen war. Die französischen Kanoniere beschossen die Be¬
festigung mit Granaten, konnten mit ihren Geschützen aber keine breite Auf¬
stellung nehmen, da Pferde und Räder zu beiden Seiten des Weges im Sumpfe
stecken blieben. Eine ziemlich lange Zeit blieb das Feuer, das die Angreifer
in der Entfernung von tausend Schritt von dem Dorfe eröffnet hatten, von


Grmzboren HI. 1883, 72
Der Arieg in Aimain und Tonkin.

hältnismäßig geringen Zahl der französischen Strcitkrüfte sah dieser Plan einiger¬
maßen gewagt aus, und in der That ist er bis jetzt zunächst in Tonkin nur
insoweit gelungen, als, wie gesagt, Haizuong sich seit drei Wochen in der Ge¬
walt der Angreifer befindet. Der Vormarsch gegen songeai dagegen ist auf¬
gehalten worden, und was hier geschehen ist, sieht wie eine Niederlage der
Franzosen aus; jedenfalls haben sie nur einen Teil ihrer Aufgabe zu lösen
vermocht, und ihre Hauptmacht hat sich nach Hanoi zurückziehen müssen.

In der Nacht vom 14. zum 15. August rückte Bouet mit 2000 Mann
und sechs Kanonen von Hanoi gegen songeai aus, wobei er auf dem Flusse
von fünf Kanonenbooten unterstützt wurde. Er marschirte in drei Kolonnen
vor, von denen die eine, vom Obersten Revillon kommandirt, längs des Wassers
hinzog. Seine Absicht war, die am Ufer befindlichen Schanzen des Feindes
entweder zu erstürmen oder zu umgehen. Ungefähr zwei Wegstunden von Hanoi
stieß die Revillvnsche Kolonne auf die ersten Berschanzungeii, welche die An-
männer vor dem Granatfeuer der Kanonenboote bald darauf räumten. Auch
eine zweite befestigte Stellung der Landesverteidiger wurde nach kurzer Zeit
von diesen verlassen. Bei der dritten aber kam das Gefecht zum Stocken. Es
handelte sich um ein Dorf, das mit starken Bambuspfählen verpalisfadirt war.
Nachdem dasselbe vom Wasser her kräftig beschossen worden war, ging Revillons
Infanterie zum Sturme vor, stieß aber auf einen so energischen Widerstand,
daß sie sich rückwärts konzentriren mußte. Weiteres Feuer der Kanonenboote
vermochte, obwohl länger als eine Stunde unterhalten, die Anmänner nicht zu
vertreiben, und ein zweiter Sturmangriff der französischen Infanterie mißglückte
wie der erste. Ebenso war ein dritter erfolglos. Während Revillon sich auf
einen vierten vorbereitete, der mit Tagesanbruch stattfinden sollte, hatte die vom
Obersten Coronae befehligte, im Zentrum vorgehende Kolonne fast gar keinen
Widerstand gefunden und war infolge dessen bis zu dem Dorfe Jenoi vorge¬
drungen, in dem sie sich festsetzte, um das Ergebnis der Umgehung abzuwarten,
welche von der Kolonne auf dem linken Flügel der französischen Schlachtord¬
nung ausgeführt werden sollte. Die letzterwähnte Kolonne, die der Oberst Thier
führte, sandte eine Abteilung zum Rekognosziren vor, die bald auf Schanzen
stieß, welche die Straße sperrten und nicht umgangen werden konnten, dn das
Terrain rechts und links vom Wege teils überschwemmt, teils Sumpfland war.
Es war dieselbe Straße, auf welcher Riviere von den Anmänner geschlagen
worden und gefallen war. Ohne Widerstand zu finden, passirte man die Stelle,
wo dies geschehen, und gelangte vor das Dorf Wug, wo die Straße mit einer
Berschanzung geschlossen war. Die französischen Kanoniere beschossen die Be¬
festigung mit Granaten, konnten mit ihren Geschützen aber keine breite Auf¬
stellung nehmen, da Pferde und Räder zu beiden Seiten des Weges im Sumpfe
stecken blieben. Eine ziemlich lange Zeit blieb das Feuer, das die Angreifer
in der Entfernung von tausend Schritt von dem Dorfe eröffnet hatten, von


Grmzboren HI. 1883, 72
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[0577] Der Arieg in Aimain und Tonkin. hältnismäßig geringen Zahl der französischen Strcitkrüfte sah dieser Plan einiger¬ maßen gewagt aus, und in der That ist er bis jetzt zunächst in Tonkin nur insoweit gelungen, als, wie gesagt, Haizuong sich seit drei Wochen in der Ge¬ walt der Angreifer befindet. Der Vormarsch gegen songeai dagegen ist auf¬ gehalten worden, und was hier geschehen ist, sieht wie eine Niederlage der Franzosen aus; jedenfalls haben sie nur einen Teil ihrer Aufgabe zu lösen vermocht, und ihre Hauptmacht hat sich nach Hanoi zurückziehen müssen. In der Nacht vom 14. zum 15. August rückte Bouet mit 2000 Mann und sechs Kanonen von Hanoi gegen songeai aus, wobei er auf dem Flusse von fünf Kanonenbooten unterstützt wurde. Er marschirte in drei Kolonnen vor, von denen die eine, vom Obersten Revillon kommandirt, längs des Wassers hinzog. Seine Absicht war, die am Ufer befindlichen Schanzen des Feindes entweder zu erstürmen oder zu umgehen. Ungefähr zwei Wegstunden von Hanoi stieß die Revillvnsche Kolonne auf die ersten Berschanzungeii, welche die An- männer vor dem Granatfeuer der Kanonenboote bald darauf räumten. Auch eine zweite befestigte Stellung der Landesverteidiger wurde nach kurzer Zeit von diesen verlassen. Bei der dritten aber kam das Gefecht zum Stocken. Es handelte sich um ein Dorf, das mit starken Bambuspfählen verpalisfadirt war. Nachdem dasselbe vom Wasser her kräftig beschossen worden war, ging Revillons Infanterie zum Sturme vor, stieß aber auf einen so energischen Widerstand, daß sie sich rückwärts konzentriren mußte. Weiteres Feuer der Kanonenboote vermochte, obwohl länger als eine Stunde unterhalten, die Anmänner nicht zu vertreiben, und ein zweiter Sturmangriff der französischen Infanterie mißglückte wie der erste. Ebenso war ein dritter erfolglos. Während Revillon sich auf einen vierten vorbereitete, der mit Tagesanbruch stattfinden sollte, hatte die vom Obersten Coronae befehligte, im Zentrum vorgehende Kolonne fast gar keinen Widerstand gefunden und war infolge dessen bis zu dem Dorfe Jenoi vorge¬ drungen, in dem sie sich festsetzte, um das Ergebnis der Umgehung abzuwarten, welche von der Kolonne auf dem linken Flügel der französischen Schlachtord¬ nung ausgeführt werden sollte. Die letzterwähnte Kolonne, die der Oberst Thier führte, sandte eine Abteilung zum Rekognosziren vor, die bald auf Schanzen stieß, welche die Straße sperrten und nicht umgangen werden konnten, dn das Terrain rechts und links vom Wege teils überschwemmt, teils Sumpfland war. Es war dieselbe Straße, auf welcher Riviere von den Anmänner geschlagen worden und gefallen war. Ohne Widerstand zu finden, passirte man die Stelle, wo dies geschehen, und gelangte vor das Dorf Wug, wo die Straße mit einer Berschanzung geschlossen war. Die französischen Kanoniere beschossen die Be¬ festigung mit Granaten, konnten mit ihren Geschützen aber keine breite Auf¬ stellung nehmen, da Pferde und Räder zu beiden Seiten des Weges im Sumpfe stecken blieben. Eine ziemlich lange Zeit blieb das Feuer, das die Angreifer in der Entfernung von tausend Schritt von dem Dorfe eröffnet hatten, von Grmzboren HI. 1883, 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/577>, abgerufen am 08.09.2024.