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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Krieg in Arran und Tonkin.

eit geraumer Zeit schon war mit jeder ostasiatischen Post immer
deutlicher zu erkennen, daß die Franzosen sich auf ein bedenkliches
Unternehmen eingelassen haben, als sie in der Absicht, Siam in
den Bereich ihres schutzherrlichen Einflusses zu bringen, sich ent¬
schlossen, Tonkin und Arran zu unterwerfen. Natürlich werden,
falls man genug Truppen und Geld auf die Sache verwendet, die begehrten
Landstriche über kurz oder lang in den Besitz der Republik gelangen. Aber
inzwischen werden sehr erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden sein, selbst wenn
man von der Möglichkeit absteht, daß der Krieg mit Arran zuletzt China zum
Einschreiten für die von Frankreich Angegriffenen veranlaßt. Die neuern Nach¬
richten von den Operationen der Franzosen haben diese Annahme bestätigt. Nach
dem Tode des tapfern Riviere, der ein besseres Schicksal verdient hätte, als ihm
zu Teil geworden, schickte man aus Frankreich in Gestalt von Mannschaften
und Kanonenbooten beträchtliche Verstärkungen nach den Küsten von Tonkin
und Kochinchina. Dieselben standen unter den Befehlen eines Admirals, eines
Generals und eines Zivilkommifsärs. Dieses Triumvirat entwarf, ohne Zweifel
im Einverständnis mit der Oberbehörde daheim, einen ziemlich ausgedehnten
Feldzugsplan. Die französischen Besatzungen nahmen Besitz von dem Delta des
Roten Flusses, wobei die Stadt Hanoi die Spitze ihrer dreieckigen Stellung
bildete. Die Verbindungswege zwischen den Hauptpunkten liefen der Natur der
Sache nach an den beiden Armen des untern Laufes des Stromes hin, und so
mußte ihre erste Sorge dahin gehen, diese unumgänglichen Kanäle vollständig
in ihre Gewalt zu bringen, sodaß sie frei darüber verfügen konnten. Nun liegt
am südlichen Arme Nam Din, am nördlichen Haifong, Städte, deren man sich
bald bemächtigte; aber zwischen Hanoi, der Hauptposition der Franzosen, und
dem letztgenannten Orte befand sich die Festung Haiznong, die, noch von den
Verteidigern des Landes besetzt, den Wasserweg nach Hanoi weiter im Innern
sperrte. Man beschloß daher, zunächst Haizuvng zu nehmen, und dies scheint
vom Obersten Brionval, der am 13. August dahin aufbrach, ohne Verlust be¬
werkstelligt worden zu sein. Um dieselbe Zeit wurde der General Bouet, der
in Hanoi den Oberbefehl führt, angewiesen, die Stadt songeai anzugreifen,
welche am obern Laufe des Roten Flusses, etwa fünf deutsche Meilen ober¬
halb der Hauptstadt, gelegen ist. Diese Operation sollte ausgeführt werden,
während der Admiral Courbet mit einem Geschwader und einer Abteilung
Landtruppen die Forts an der Mündung des Hueflusfes einnehmen und
dann nach Huc, der Hauptstadt Arraus, vordringen sollte. Bei der ver-


Der Krieg in Arran und Tonkin.

eit geraumer Zeit schon war mit jeder ostasiatischen Post immer
deutlicher zu erkennen, daß die Franzosen sich auf ein bedenkliches
Unternehmen eingelassen haben, als sie in der Absicht, Siam in
den Bereich ihres schutzherrlichen Einflusses zu bringen, sich ent¬
schlossen, Tonkin und Arran zu unterwerfen. Natürlich werden,
falls man genug Truppen und Geld auf die Sache verwendet, die begehrten
Landstriche über kurz oder lang in den Besitz der Republik gelangen. Aber
inzwischen werden sehr erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden sein, selbst wenn
man von der Möglichkeit absteht, daß der Krieg mit Arran zuletzt China zum
Einschreiten für die von Frankreich Angegriffenen veranlaßt. Die neuern Nach¬
richten von den Operationen der Franzosen haben diese Annahme bestätigt. Nach
dem Tode des tapfern Riviere, der ein besseres Schicksal verdient hätte, als ihm
zu Teil geworden, schickte man aus Frankreich in Gestalt von Mannschaften
und Kanonenbooten beträchtliche Verstärkungen nach den Küsten von Tonkin
und Kochinchina. Dieselben standen unter den Befehlen eines Admirals, eines
Generals und eines Zivilkommifsärs. Dieses Triumvirat entwarf, ohne Zweifel
im Einverständnis mit der Oberbehörde daheim, einen ziemlich ausgedehnten
Feldzugsplan. Die französischen Besatzungen nahmen Besitz von dem Delta des
Roten Flusses, wobei die Stadt Hanoi die Spitze ihrer dreieckigen Stellung
bildete. Die Verbindungswege zwischen den Hauptpunkten liefen der Natur der
Sache nach an den beiden Armen des untern Laufes des Stromes hin, und so
mußte ihre erste Sorge dahin gehen, diese unumgänglichen Kanäle vollständig
in ihre Gewalt zu bringen, sodaß sie frei darüber verfügen konnten. Nun liegt
am südlichen Arme Nam Din, am nördlichen Haifong, Städte, deren man sich
bald bemächtigte; aber zwischen Hanoi, der Hauptposition der Franzosen, und
dem letztgenannten Orte befand sich die Festung Haiznong, die, noch von den
Verteidigern des Landes besetzt, den Wasserweg nach Hanoi weiter im Innern
sperrte. Man beschloß daher, zunächst Haizuvng zu nehmen, und dies scheint
vom Obersten Brionval, der am 13. August dahin aufbrach, ohne Verlust be¬
werkstelligt worden zu sein. Um dieselbe Zeit wurde der General Bouet, der
in Hanoi den Oberbefehl führt, angewiesen, die Stadt songeai anzugreifen,
welche am obern Laufe des Roten Flusses, etwa fünf deutsche Meilen ober¬
halb der Hauptstadt, gelegen ist. Diese Operation sollte ausgeführt werden,
während der Admiral Courbet mit einem Geschwader und einer Abteilung
Landtruppen die Forts an der Mündung des Hueflusfes einnehmen und
dann nach Huc, der Hauptstadt Arraus, vordringen sollte. Bei der ver-


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[0576] Der Krieg in Arran und Tonkin. eit geraumer Zeit schon war mit jeder ostasiatischen Post immer deutlicher zu erkennen, daß die Franzosen sich auf ein bedenkliches Unternehmen eingelassen haben, als sie in der Absicht, Siam in den Bereich ihres schutzherrlichen Einflusses zu bringen, sich ent¬ schlossen, Tonkin und Arran zu unterwerfen. Natürlich werden, falls man genug Truppen und Geld auf die Sache verwendet, die begehrten Landstriche über kurz oder lang in den Besitz der Republik gelangen. Aber inzwischen werden sehr erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden sein, selbst wenn man von der Möglichkeit absteht, daß der Krieg mit Arran zuletzt China zum Einschreiten für die von Frankreich Angegriffenen veranlaßt. Die neuern Nach¬ richten von den Operationen der Franzosen haben diese Annahme bestätigt. Nach dem Tode des tapfern Riviere, der ein besseres Schicksal verdient hätte, als ihm zu Teil geworden, schickte man aus Frankreich in Gestalt von Mannschaften und Kanonenbooten beträchtliche Verstärkungen nach den Küsten von Tonkin und Kochinchina. Dieselben standen unter den Befehlen eines Admirals, eines Generals und eines Zivilkommifsärs. Dieses Triumvirat entwarf, ohne Zweifel im Einverständnis mit der Oberbehörde daheim, einen ziemlich ausgedehnten Feldzugsplan. Die französischen Besatzungen nahmen Besitz von dem Delta des Roten Flusses, wobei die Stadt Hanoi die Spitze ihrer dreieckigen Stellung bildete. Die Verbindungswege zwischen den Hauptpunkten liefen der Natur der Sache nach an den beiden Armen des untern Laufes des Stromes hin, und so mußte ihre erste Sorge dahin gehen, diese unumgänglichen Kanäle vollständig in ihre Gewalt zu bringen, sodaß sie frei darüber verfügen konnten. Nun liegt am südlichen Arme Nam Din, am nördlichen Haifong, Städte, deren man sich bald bemächtigte; aber zwischen Hanoi, der Hauptposition der Franzosen, und dem letztgenannten Orte befand sich die Festung Haiznong, die, noch von den Verteidigern des Landes besetzt, den Wasserweg nach Hanoi weiter im Innern sperrte. Man beschloß daher, zunächst Haizuvng zu nehmen, und dies scheint vom Obersten Brionval, der am 13. August dahin aufbrach, ohne Verlust be¬ werkstelligt worden zu sein. Um dieselbe Zeit wurde der General Bouet, der in Hanoi den Oberbefehl führt, angewiesen, die Stadt songeai anzugreifen, welche am obern Laufe des Roten Flusses, etwa fünf deutsche Meilen ober¬ halb der Hauptstadt, gelegen ist. Diese Operation sollte ausgeführt werden, während der Admiral Courbet mit einem Geschwader und einer Abteilung Landtruppen die Forts an der Mündung des Hueflusfes einnehmen und dann nach Huc, der Hauptstadt Arraus, vordringen sollte. Bei der ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/576>, abgerufen am 08.09.2024.