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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Grafen von Altenschroerdt.

pulösen Leute, welche vor lauter Feinheit der Empfindung und vor lauter edler
Rücksichtnahme einander das größte Leid zufügten.

Was ist denn weiter mit diesen Briefen? sagte sie ermutigend. Habe ich
denn nicht schon vorher erklärt, wie Dorothea beschaffen ist und wie sie mit
ihrem Vater steht? Oder soll ich jetzt vielleicht zu Hause bestellen, daß dieser
Papierwisch Ihre schöne Leidenschaft erstickt hat, und daß Sie in einfältigen
Gehorsam darauf antworten wollen?

Eberhard: seufzte.

Meine Leidenschaft ist nicht erstickt, liebes Fräulein, sagte er, aber aller¬
dings haben diese Worte von Dvrotheens eigner Hand mir von neuem alle die
Schwierigkeiten gezeigt, die wir zu überwinden haben.

Diese Worte sind ihr abgepreßt worden und haben gar keine Bedeutung,
sagte Millicent heftig. Ich bürge dafür, daß Dorothea zur Stelle sein wird,
wenn Sie bei Ihrem Vorsatz bleiben. Wer aber nicht wagt, der gewinnt nicht.

So sei es denn, erwiederte Eberhardt, dessen Hoffnung durch Millicents
Entschiedenheit neu entflammt wurde. So sei es denn! Ich will es versuchen.
Ich werde mit einem Boote an dem bezeichneten Punkte sein, sorgen Sie dafür,
daß Dorothea kommt.

Es ward nun in genauer Weise verabredet, wie die Liebenden sich am folgenden
Tage treffen sollten. Eberhardt wollte schon am Nachmittage an der bezeichneten
Stelle sein und warten. Millicent konnte den Zeitpunkt, wann sie mit Dorothea
käme, nicht genau vorherbestimmen, versprach aber, im Laufe des Nachmittags
oder Abends sicher mit ihr dort zu sein.

Dann machten sie sich beide auf den Weg, denn Eberhardt ließ es sich nicht
nehmen, das junge Mädchen selbst zurückzugeleiten. Er war glücklich, aus ihrem
Munde immer neue Mitteilungen über die Geliebte zu erhalten und ward nicht
müde, nach so vielen Kleinigkeiten zu fragen, die dem liebenden Herzen wichtig
sind, aber oft hielt er gedankenvoll im Gespräch inne, wenn ihm Dvrotheens
Billet wieder lebhafter vor die Seele trat, und zu wiederholten malen fragte
er Millicent, ob sie wirklich glaube, daß ihr Plan der Entführung ausführ¬
bar sei,

Millicent erwiederte jedesmal, daß er sicher ausführbar sei, aber sie machte
sich über Eberhardts Unruhe und Zweifel ihre eignen Gedanken. Sie verstand
seine wahren Beweggründe nicht, und als sie sich am Saume des Waldes von
ihm getrennt hatte und er zurückkehrte, sah sie ihm mit einem mißtrauischen
Blicke nach und seufzte.

Ich hätte die Briefe für mich behalten sollen, sagte sie innerlich zu sich
selber, indem sie die Lippen zusammenkniff. Männer sind Männer, in ihren
Augen sieht ein Mädchen, welches nichts hat, doch nie so schön aus wie eins,
das Rittergüter in seinen Röcken mitbringt.




Dreiunddreißigstes Uapitel.

Ganz erfüllt von dem Plan des anbrechenden Tages, ganz Sehnsucht und
Entschlossenheit, erhob sich Eberhardt schon früh von seinem Lager, gab dem
Schwarzen die Weisung, alles Gepäck zur Abreise bereit zu halten und machte
sich auf den Weg zu dem ihm bekannten Schiffer, um ein gutes, starkes Boot


Grenzboten III. 1883. 7
Die Grafen von Altenschroerdt.

pulösen Leute, welche vor lauter Feinheit der Empfindung und vor lauter edler
Rücksichtnahme einander das größte Leid zufügten.

Was ist denn weiter mit diesen Briefen? sagte sie ermutigend. Habe ich
denn nicht schon vorher erklärt, wie Dorothea beschaffen ist und wie sie mit
ihrem Vater steht? Oder soll ich jetzt vielleicht zu Hause bestellen, daß dieser
Papierwisch Ihre schöne Leidenschaft erstickt hat, und daß Sie in einfältigen
Gehorsam darauf antworten wollen?

Eberhard: seufzte.

Meine Leidenschaft ist nicht erstickt, liebes Fräulein, sagte er, aber aller¬
dings haben diese Worte von Dvrotheens eigner Hand mir von neuem alle die
Schwierigkeiten gezeigt, die wir zu überwinden haben.

Diese Worte sind ihr abgepreßt worden und haben gar keine Bedeutung,
sagte Millicent heftig. Ich bürge dafür, daß Dorothea zur Stelle sein wird,
wenn Sie bei Ihrem Vorsatz bleiben. Wer aber nicht wagt, der gewinnt nicht.

So sei es denn, erwiederte Eberhardt, dessen Hoffnung durch Millicents
Entschiedenheit neu entflammt wurde. So sei es denn! Ich will es versuchen.
Ich werde mit einem Boote an dem bezeichneten Punkte sein, sorgen Sie dafür,
daß Dorothea kommt.

Es ward nun in genauer Weise verabredet, wie die Liebenden sich am folgenden
Tage treffen sollten. Eberhardt wollte schon am Nachmittage an der bezeichneten
Stelle sein und warten. Millicent konnte den Zeitpunkt, wann sie mit Dorothea
käme, nicht genau vorherbestimmen, versprach aber, im Laufe des Nachmittags
oder Abends sicher mit ihr dort zu sein.

Dann machten sie sich beide auf den Weg, denn Eberhardt ließ es sich nicht
nehmen, das junge Mädchen selbst zurückzugeleiten. Er war glücklich, aus ihrem
Munde immer neue Mitteilungen über die Geliebte zu erhalten und ward nicht
müde, nach so vielen Kleinigkeiten zu fragen, die dem liebenden Herzen wichtig
sind, aber oft hielt er gedankenvoll im Gespräch inne, wenn ihm Dvrotheens
Billet wieder lebhafter vor die Seele trat, und zu wiederholten malen fragte
er Millicent, ob sie wirklich glaube, daß ihr Plan der Entführung ausführ¬
bar sei,

Millicent erwiederte jedesmal, daß er sicher ausführbar sei, aber sie machte
sich über Eberhardts Unruhe und Zweifel ihre eignen Gedanken. Sie verstand
seine wahren Beweggründe nicht, und als sie sich am Saume des Waldes von
ihm getrennt hatte und er zurückkehrte, sah sie ihm mit einem mißtrauischen
Blicke nach und seufzte.

Ich hätte die Briefe für mich behalten sollen, sagte sie innerlich zu sich
selber, indem sie die Lippen zusammenkniff. Männer sind Männer, in ihren
Augen sieht ein Mädchen, welches nichts hat, doch nie so schön aus wie eins,
das Rittergüter in seinen Röcken mitbringt.




Dreiunddreißigstes Uapitel.

Ganz erfüllt von dem Plan des anbrechenden Tages, ganz Sehnsucht und
Entschlossenheit, erhob sich Eberhardt schon früh von seinem Lager, gab dem
Schwarzen die Weisung, alles Gepäck zur Abreise bereit zu halten und machte
sich auf den Weg zu dem ihm bekannten Schiffer, um ein gutes, starkes Boot


Grenzboten III. 1883. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/57>, abgerufen am 08.09.2024.