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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der deutsche Schnlverein in "Österreich.

allmähliche Amortisation der Restkaufgelder (statt Einführung eines Erbpachts),
Beschränkung der Wechselziehung auf höchstens 300 oder 500 Mark, Änderung
des Jntestaterbrechts durch Zwang der Eintragung der Erbquoten auf das nur
an einen Erben zu übertragende Gut. Den Schwerpunkt legt der Verfasser
auf die Reform des Kreditwesens; er verlangt nach Analogie der Reichsbank
eine landwirtschaftliche Kreditbank für den Umfang des Reiches, wobei einheit¬
liche Grundsätze für die Gewährung an Grund- und Betriebskredit aufzustellen
wären, sodaß auch der kleinste Grundbesitzer für den kleinsten Darlehnsbetrag
die Vermittlung dieser Kreditkassen in Anspruch nehmen müßte. Den Schluß
bilden Betrachtungen über die Zwangsvollstreckung und die Begegnung der aus¬
ländischen Konkurrenz.

Der Verfasser hat bereits für manchen Vorschlag die Zustimmung der
liberalen Blätter erlangt, so namentlich für die Parzellirung der Domänen.
Aber gerade dieser Gedanke erscheint bedenklich, insofern er dem Staate den
Reservefonds in Zeiten der Not raubt. In der Mehrzahl der übrigen Vor¬
schläge steht das Buch auf einem sehr verständigen Boden; jedenfalls ist es der
Aufmerksamkeit der weitesten Kreise wert.




Der deutsche schnlverein in (Österreich.

n Deutschösterreich zu reisen ist jetzt für einen Deutschen aus dem
Reiche kein unerfreuliches Geschäft, denn allerorten regt sich kräftig
das lange schlummernde Nationalbewußtsein. Es ist das die lo¬
gische Konsequenz der Versöhnungspvlitik des Ministeriums Taaffe,
die slavischer Begehrlichkeit ein Zugeständnis über das andre ge¬
macht hat. Wenn Polen, Tschechen und Slovenen ihr nationales Interesse
in den Vordergrund stellen dürfen, dann können die Deutschen in Österreich
darauf nur damit antworten, daß auch sie das nationale Banner aufhissen.
Und das thun sie. Bei allen ihren festlichen Vereinigungen erklingt das "deutsche
Lied," und keine Fahne weht dann häufiger als die schwarzrotgoldne, die für
uns im Reiche nur noch historische Bedeutung hat. Selbst bei der jüngsten
Kaiserreise in den Südprovinzen ist sie, z. B. in dem kleinen CM, mitten im
slovenischen Sprachgebiete, nahezu demonstrativ hervorgetreten. Wie sehr aber
die studirende Jugend sich ihres Deutschtums bewußt ist, davon lieferten die
neuesten Vorgänge an der Wiener Universität, so unerfreulich sie an sich sind,
den genügenden Beweis. Noch halten die Deutschen mit dem Eifer für ihre


Der deutsche Schnlverein in «Österreich.

allmähliche Amortisation der Restkaufgelder (statt Einführung eines Erbpachts),
Beschränkung der Wechselziehung auf höchstens 300 oder 500 Mark, Änderung
des Jntestaterbrechts durch Zwang der Eintragung der Erbquoten auf das nur
an einen Erben zu übertragende Gut. Den Schwerpunkt legt der Verfasser
auf die Reform des Kreditwesens; er verlangt nach Analogie der Reichsbank
eine landwirtschaftliche Kreditbank für den Umfang des Reiches, wobei einheit¬
liche Grundsätze für die Gewährung an Grund- und Betriebskredit aufzustellen
wären, sodaß auch der kleinste Grundbesitzer für den kleinsten Darlehnsbetrag
die Vermittlung dieser Kreditkassen in Anspruch nehmen müßte. Den Schluß
bilden Betrachtungen über die Zwangsvollstreckung und die Begegnung der aus¬
ländischen Konkurrenz.

Der Verfasser hat bereits für manchen Vorschlag die Zustimmung der
liberalen Blätter erlangt, so namentlich für die Parzellirung der Domänen.
Aber gerade dieser Gedanke erscheint bedenklich, insofern er dem Staate den
Reservefonds in Zeiten der Not raubt. In der Mehrzahl der übrigen Vor¬
schläge steht das Buch auf einem sehr verständigen Boden; jedenfalls ist es der
Aufmerksamkeit der weitesten Kreise wert.




Der deutsche schnlverein in (Österreich.

n Deutschösterreich zu reisen ist jetzt für einen Deutschen aus dem
Reiche kein unerfreuliches Geschäft, denn allerorten regt sich kräftig
das lange schlummernde Nationalbewußtsein. Es ist das die lo¬
gische Konsequenz der Versöhnungspvlitik des Ministeriums Taaffe,
die slavischer Begehrlichkeit ein Zugeständnis über das andre ge¬
macht hat. Wenn Polen, Tschechen und Slovenen ihr nationales Interesse
in den Vordergrund stellen dürfen, dann können die Deutschen in Österreich
darauf nur damit antworten, daß auch sie das nationale Banner aufhissen.
Und das thun sie. Bei allen ihren festlichen Vereinigungen erklingt das „deutsche
Lied," und keine Fahne weht dann häufiger als die schwarzrotgoldne, die für
uns im Reiche nur noch historische Bedeutung hat. Selbst bei der jüngsten
Kaiserreise in den Südprovinzen ist sie, z. B. in dem kleinen CM, mitten im
slovenischen Sprachgebiete, nahezu demonstrativ hervorgetreten. Wie sehr aber
die studirende Jugend sich ihres Deutschtums bewußt ist, davon lieferten die
neuesten Vorgänge an der Wiener Universität, so unerfreulich sie an sich sind,
den genügenden Beweis. Noch halten die Deutschen mit dem Eifer für ihre


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[0548] Der deutsche Schnlverein in «Österreich. allmähliche Amortisation der Restkaufgelder (statt Einführung eines Erbpachts), Beschränkung der Wechselziehung auf höchstens 300 oder 500 Mark, Änderung des Jntestaterbrechts durch Zwang der Eintragung der Erbquoten auf das nur an einen Erben zu übertragende Gut. Den Schwerpunkt legt der Verfasser auf die Reform des Kreditwesens; er verlangt nach Analogie der Reichsbank eine landwirtschaftliche Kreditbank für den Umfang des Reiches, wobei einheit¬ liche Grundsätze für die Gewährung an Grund- und Betriebskredit aufzustellen wären, sodaß auch der kleinste Grundbesitzer für den kleinsten Darlehnsbetrag die Vermittlung dieser Kreditkassen in Anspruch nehmen müßte. Den Schluß bilden Betrachtungen über die Zwangsvollstreckung und die Begegnung der aus¬ ländischen Konkurrenz. Der Verfasser hat bereits für manchen Vorschlag die Zustimmung der liberalen Blätter erlangt, so namentlich für die Parzellirung der Domänen. Aber gerade dieser Gedanke erscheint bedenklich, insofern er dem Staate den Reservefonds in Zeiten der Not raubt. In der Mehrzahl der übrigen Vor¬ schläge steht das Buch auf einem sehr verständigen Boden; jedenfalls ist es der Aufmerksamkeit der weitesten Kreise wert. Der deutsche schnlverein in (Österreich. n Deutschösterreich zu reisen ist jetzt für einen Deutschen aus dem Reiche kein unerfreuliches Geschäft, denn allerorten regt sich kräftig das lange schlummernde Nationalbewußtsein. Es ist das die lo¬ gische Konsequenz der Versöhnungspvlitik des Ministeriums Taaffe, die slavischer Begehrlichkeit ein Zugeständnis über das andre ge¬ macht hat. Wenn Polen, Tschechen und Slovenen ihr nationales Interesse in den Vordergrund stellen dürfen, dann können die Deutschen in Österreich darauf nur damit antworten, daß auch sie das nationale Banner aufhissen. Und das thun sie. Bei allen ihren festlichen Vereinigungen erklingt das „deutsche Lied," und keine Fahne weht dann häufiger als die schwarzrotgoldne, die für uns im Reiche nur noch historische Bedeutung hat. Selbst bei der jüngsten Kaiserreise in den Südprovinzen ist sie, z. B. in dem kleinen CM, mitten im slovenischen Sprachgebiete, nahezu demonstrativ hervorgetreten. Wie sehr aber die studirende Jugend sich ihres Deutschtums bewußt ist, davon lieferten die neuesten Vorgänge an der Wiener Universität, so unerfreulich sie an sich sind, den genügenden Beweis. Noch halten die Deutschen mit dem Eifer für ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/548>, abgerufen am 08.09.2024.