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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Fritz Reuters Haushund.

Märtyrerkrone wand. Ihnen gab ein selten glückliches Geschick neben dieser Geduld die
köstliche Gabe unvergleichlichen Humors, und wie er auch Ihre unverdienten Leiden mit
dem Lichtschein der Poesie umgiebt, so hat er Sie mit vollstem Recht zum Liebling des
Volkes gemacht, das wie kein andres unter Thränen zu lächeln weiß.

Darunter das Datum: 23. September 69. Zwei Tage darauf kehrte Wacker¬
nagel, der geschätzte Literarhistoriker, ein. Er las die Zeilen mit Bewegung,
sprach dann lächelnd: "Da hat der gute alte Witte sich aber gewaltig im Mo¬
nate geirrt!" und machte mit seinen kalligraphisch zierliche" Schriftzügen die
lakonische Berichtigung: "W. Wackernagel, den 25. Mai 1869. Lieber Witte:
es soll auch bei Ihnen nicht September, sondern Mai heißen."

Zur Erinnerung an einen Sonntagmorgen im April 1868, an dem Gustav
zu Putlitz. Ednard Tempeltcy und Gisbert von Vincke mit Reuter die Wart¬
burg bestiegen, schrieb der Erstgenannte folgende Verse:


Das war ein prächtiger Frühlingstag,
Deß' ich so oft noch gedachte.
Um die alte Wartburg so sonnig lag
Der Lenz, der eben erwachte.
Wer war's, der damals zur Beste stieg?
Vier Sänger aus deutscheu Gaue".
Doch zogen sie nicht in den Sängerkrieg,
Sie schritten in Fried' und Vertrauen.
Und wo das mächtige Lutherwort
Entflammte des Glaubens Kerzen,
Da schlössen sich auf, am geheiligten Ort,
In Freundschaft die Sängerherzen.
Dann kehrten im traulichen Hause sie ein,
Die Hausfrau grüßt' an der Schwelle.
Da flössen die Reden beim klar deutschen Wein,
Bei sonniger Frühlingshelle.
Gesegnet die Worte, so deutsch und traut,
Die die Viere tauschten und sangen.
Gesegnet das Haus, und der sich's gebaut,
Und die, die es gastlich empfangen.

Auch die plattdeutsche Sprache ist, wie sichs gebührt, vertreten. Ein platt¬
deutsches Lied hat der als Herausgeber von Karoline Bauers Memoiren be¬
kannte Schriftsteller Arnold Wettiner "an Fritz Reuter, bi 'n Wedderseihn
"ah tosis Johr" gerichtet. Gar herzig klingen die heimischen Laute:


Twölf Johr, dat is 'ne körte Tick
For dei oll Burg doa baben,
Sei lachte all netter so oll un witt
Upp Luthcrn, den jungen Knaben.
Twölf Johr. dat is 'ne lange Tick,
Wenn sich loci nich mehr sagen:

Fritz Reuters Haushund.

Märtyrerkrone wand. Ihnen gab ein selten glückliches Geschick neben dieser Geduld die
köstliche Gabe unvergleichlichen Humors, und wie er auch Ihre unverdienten Leiden mit
dem Lichtschein der Poesie umgiebt, so hat er Sie mit vollstem Recht zum Liebling des
Volkes gemacht, das wie kein andres unter Thränen zu lächeln weiß.

Darunter das Datum: 23. September 69. Zwei Tage darauf kehrte Wacker¬
nagel, der geschätzte Literarhistoriker, ein. Er las die Zeilen mit Bewegung,
sprach dann lächelnd: „Da hat der gute alte Witte sich aber gewaltig im Mo¬
nate geirrt!" und machte mit seinen kalligraphisch zierliche» Schriftzügen die
lakonische Berichtigung: „W. Wackernagel, den 25. Mai 1869. Lieber Witte:
es soll auch bei Ihnen nicht September, sondern Mai heißen."

Zur Erinnerung an einen Sonntagmorgen im April 1868, an dem Gustav
zu Putlitz. Ednard Tempeltcy und Gisbert von Vincke mit Reuter die Wart¬
burg bestiegen, schrieb der Erstgenannte folgende Verse:


Das war ein prächtiger Frühlingstag,
Deß' ich so oft noch gedachte.
Um die alte Wartburg so sonnig lag
Der Lenz, der eben erwachte.
Wer war's, der damals zur Beste stieg?
Vier Sänger aus deutscheu Gaue».
Doch zogen sie nicht in den Sängerkrieg,
Sie schritten in Fried' und Vertrauen.
Und wo das mächtige Lutherwort
Entflammte des Glaubens Kerzen,
Da schlössen sich auf, am geheiligten Ort,
In Freundschaft die Sängerherzen.
Dann kehrten im traulichen Hause sie ein,
Die Hausfrau grüßt' an der Schwelle.
Da flössen die Reden beim klar deutschen Wein,
Bei sonniger Frühlingshelle.
Gesegnet die Worte, so deutsch und traut,
Die die Viere tauschten und sangen.
Gesegnet das Haus, und der sich's gebaut,
Und die, die es gastlich empfangen.

Auch die plattdeutsche Sprache ist, wie sichs gebührt, vertreten. Ein platt¬
deutsches Lied hat der als Herausgeber von Karoline Bauers Memoiren be¬
kannte Schriftsteller Arnold Wettiner „an Fritz Reuter, bi 'n Wedderseihn
»ah tosis Johr" gerichtet. Gar herzig klingen die heimischen Laute:


Twölf Johr, dat is 'ne körte Tick
For dei oll Burg doa baben,
Sei lachte all netter so oll un witt
Upp Luthcrn, den jungen Knaben.
Twölf Johr. dat is 'ne lange Tick,
Wenn sich loci nich mehr sagen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/525>, abgerufen am 08.09.2024.