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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Fritz Reuters Haushund.

geschieht. Robert Prutz hat nicht so geschrieben. O, ich weiß dessen schöne
Dichtung auswendig:


Des Dichters Geist, der urgewaltige,
Erfaßt der Dinge tiefstes Sein,
Er schließt die Welt, die vielgestaltige,
Als wie mit Liebesarmen ein.
Den Lebenstraum, den allzuflüchtiger,
Befestigt er mit starker Hand,
Und allem Guten, Großen, Tüchtigen,
Er giebt ihm Dauer und Bestand.

Kommen Sie, sehen Sie selbst, wer Recht hat!

Durch den reich getäfelten Speisesaal und den mit Palmen und Topf¬
gewächsen gezierten Salon sind wir in das Gemach der Hausfrau getreten, in
jenes wie eine Kapelle ausschauende Erkerzimmer, wo Fritz Reuters sterbliche
Hülle vor neun Jahren aufgebahrt war. Hier, wo jetzt seine Marmorbüste,
von der Meisterhand des nun auch heimgegangenen Bernhard Afinger gemeißelt,
auf eichenen Sockel sich erhebt, neben dem Bildnisse seines erlauchten Gönners,
des Großherzogs Karl Alexander, das dieser edle Fürst von Versailles ans
1870 ihm gesandt, hier zwischen unzähligen kostbaren Reliquie" wird auch das
Haushund verschlossen.

Sehen Sie, lächelt Luising wehmütig und blättert in dem Album, dessen
Umschlag mit Holzschnitzerei bedeckt und von Messiugschließen zusammengehalten
wird. So schrieb Prutz, als er am 7. Oktober 1863 unser lieber Gast war.
Jetzt wird sein Poem entstellt, und ein gleiches Loos droht vielleicht auch deu
andern Beiträgen --

Um dies abzuwenden und damit nicht stückweise, ohne innern Zusammen¬
hang, Unberufene Beliebiges veröffentlichen, rate ich, alles, so weit es von all¬
gemeinem Interesse ist, herauszugeben.

Aber nicht ich, thun Sie das, lieber Freund! -- --

So sitze ich denn um Mitternacht in der "Wartburgstube" und prüfe den
kleinen Schatz. Von wie mancher Feder stehen hier bedeutsame Worte in Poesie
und Prosa, wie viele Erinnerungen ruft fast jedes Blatt wach!

Es war am 1. April 1868, als Fritz Reuter, der bis dahin seit 1863 in
einem schmucken Schweizerhause am Predigerplatz Eisenachs zur Miete ge¬
wohnt hatte, seine von Professor Bohnftedt aus Gotha erbaute prachtvolle
Villa im Johannesthal bezog. Dicht vor der alten Stadt "Jsenac," am Frauen¬
thor, an der Fahrstraße zur Beste, "Frauzoseuweg" im Vvlksmuude genannt,
weil die hier 1870 kriegsgefangenen Gallier die Chaussee mit herstellen halfen,
liegt das neue Heim des Verfassers von "Ut de Franzosentid." Jedem Vor¬
übergehenden füllt da? malerisch hart am Felsen sich erhebende Landhaus auf.


Fritz Reuters Haushund.

geschieht. Robert Prutz hat nicht so geschrieben. O, ich weiß dessen schöne
Dichtung auswendig:


Des Dichters Geist, der urgewaltige,
Erfaßt der Dinge tiefstes Sein,
Er schließt die Welt, die vielgestaltige,
Als wie mit Liebesarmen ein.
Den Lebenstraum, den allzuflüchtiger,
Befestigt er mit starker Hand,
Und allem Guten, Großen, Tüchtigen,
Er giebt ihm Dauer und Bestand.

Kommen Sie, sehen Sie selbst, wer Recht hat!

Durch den reich getäfelten Speisesaal und den mit Palmen und Topf¬
gewächsen gezierten Salon sind wir in das Gemach der Hausfrau getreten, in
jenes wie eine Kapelle ausschauende Erkerzimmer, wo Fritz Reuters sterbliche
Hülle vor neun Jahren aufgebahrt war. Hier, wo jetzt seine Marmorbüste,
von der Meisterhand des nun auch heimgegangenen Bernhard Afinger gemeißelt,
auf eichenen Sockel sich erhebt, neben dem Bildnisse seines erlauchten Gönners,
des Großherzogs Karl Alexander, das dieser edle Fürst von Versailles ans
1870 ihm gesandt, hier zwischen unzähligen kostbaren Reliquie» wird auch das
Haushund verschlossen.

Sehen Sie, lächelt Luising wehmütig und blättert in dem Album, dessen
Umschlag mit Holzschnitzerei bedeckt und von Messiugschließen zusammengehalten
wird. So schrieb Prutz, als er am 7. Oktober 1863 unser lieber Gast war.
Jetzt wird sein Poem entstellt, und ein gleiches Loos droht vielleicht auch deu
andern Beiträgen —

Um dies abzuwenden und damit nicht stückweise, ohne innern Zusammen¬
hang, Unberufene Beliebiges veröffentlichen, rate ich, alles, so weit es von all¬
gemeinem Interesse ist, herauszugeben.

Aber nicht ich, thun Sie das, lieber Freund! — —

So sitze ich denn um Mitternacht in der „Wartburgstube" und prüfe den
kleinen Schatz. Von wie mancher Feder stehen hier bedeutsame Worte in Poesie
und Prosa, wie viele Erinnerungen ruft fast jedes Blatt wach!

Es war am 1. April 1868, als Fritz Reuter, der bis dahin seit 1863 in
einem schmucken Schweizerhause am Predigerplatz Eisenachs zur Miete ge¬
wohnt hatte, seine von Professor Bohnftedt aus Gotha erbaute prachtvolle
Villa im Johannesthal bezog. Dicht vor der alten Stadt „Jsenac," am Frauen¬
thor, an der Fahrstraße zur Beste, „Frauzoseuweg" im Vvlksmuude genannt,
weil die hier 1870 kriegsgefangenen Gallier die Chaussee mit herstellen halfen,
liegt das neue Heim des Verfassers von „Ut de Franzosentid." Jedem Vor¬
übergehenden füllt da? malerisch hart am Felsen sich erhebende Landhaus auf.


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[0522] Fritz Reuters Haushund. geschieht. Robert Prutz hat nicht so geschrieben. O, ich weiß dessen schöne Dichtung auswendig: Des Dichters Geist, der urgewaltige, Erfaßt der Dinge tiefstes Sein, Er schließt die Welt, die vielgestaltige, Als wie mit Liebesarmen ein. Den Lebenstraum, den allzuflüchtiger, Befestigt er mit starker Hand, Und allem Guten, Großen, Tüchtigen, Er giebt ihm Dauer und Bestand. Kommen Sie, sehen Sie selbst, wer Recht hat! Durch den reich getäfelten Speisesaal und den mit Palmen und Topf¬ gewächsen gezierten Salon sind wir in das Gemach der Hausfrau getreten, in jenes wie eine Kapelle ausschauende Erkerzimmer, wo Fritz Reuters sterbliche Hülle vor neun Jahren aufgebahrt war. Hier, wo jetzt seine Marmorbüste, von der Meisterhand des nun auch heimgegangenen Bernhard Afinger gemeißelt, auf eichenen Sockel sich erhebt, neben dem Bildnisse seines erlauchten Gönners, des Großherzogs Karl Alexander, das dieser edle Fürst von Versailles ans 1870 ihm gesandt, hier zwischen unzähligen kostbaren Reliquie» wird auch das Haushund verschlossen. Sehen Sie, lächelt Luising wehmütig und blättert in dem Album, dessen Umschlag mit Holzschnitzerei bedeckt und von Messiugschließen zusammengehalten wird. So schrieb Prutz, als er am 7. Oktober 1863 unser lieber Gast war. Jetzt wird sein Poem entstellt, und ein gleiches Loos droht vielleicht auch deu andern Beiträgen — Um dies abzuwenden und damit nicht stückweise, ohne innern Zusammen¬ hang, Unberufene Beliebiges veröffentlichen, rate ich, alles, so weit es von all¬ gemeinem Interesse ist, herauszugeben. Aber nicht ich, thun Sie das, lieber Freund! — — So sitze ich denn um Mitternacht in der „Wartburgstube" und prüfe den kleinen Schatz. Von wie mancher Feder stehen hier bedeutsame Worte in Poesie und Prosa, wie viele Erinnerungen ruft fast jedes Blatt wach! Es war am 1. April 1868, als Fritz Reuter, der bis dahin seit 1863 in einem schmucken Schweizerhause am Predigerplatz Eisenachs zur Miete ge¬ wohnt hatte, seine von Professor Bohnftedt aus Gotha erbaute prachtvolle Villa im Johannesthal bezog. Dicht vor der alten Stadt „Jsenac," am Frauen¬ thor, an der Fahrstraße zur Beste, „Frauzoseuweg" im Vvlksmuude genannt, weil die hier 1870 kriegsgefangenen Gallier die Chaussee mit herstellen halfen, liegt das neue Heim des Verfassers von „Ut de Franzosentid." Jedem Vor¬ übergehenden füllt da? malerisch hart am Felsen sich erhebende Landhaus auf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/522>, abgerufen am 08.09.2024.