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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Fritz Routers Haushund.

ausstellung verbinden könnte, die moralische Unterstützung und die materiell
fördernde Teilnahme der Reichsregierung, selbst wenn der Beweis für die Not¬
wendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Unternehmens nicht erbracht werden kann.




Fritz Reuters Haushund.
von Aarl Theodor Gaedertz.

ir sitzen so traulich beisammen, "Luising" oder "Wisiug," die vom
deutschen Volke verehrte Witwe des allbeliebten Dialektdichters,
und meine Wenigkeit, abends beim Ampellicht im trauten Garten-
stübchen der Villa Reuter zu Eisenach. Die breiten Glasthüren
zum Garten sind geöffnet. Wie prächtig liegt er da, dieser von
"Fritzing" selbst künstlerisch angelegte und musterhaft gepflegte Blumenpark mit
seinen Terrassen, Grotten, Vasen, seinen Teppichbeeten, seinen Eichen und Buchen,
die den steilen Felsen beschatten und verdecken! Wie berauschend strömt der
Duft von Rosen, Levkojen, Lilien und Nelken zu uns hinüber! Lustig plätschert der
Springbrunnen. Die Mondsichel steht gerade über der alten Luther-Wartburg,
die in silberner Beleuchtung sich vom Sternenhimmel hoheitsvoll vor unsern
Augen abhebt. Den ganzen Tag Regen -- nun eine italienische Nacht.

Manches Wort haben wir miteinander gewechselt. Wie Fritz Reuter nicht
allein ein tiefes Gemüt, sondern auch einen goldnen Humor zu schönster Be¬
thätigung gebracht hat, ebenso weiß seine treue Gattin der Unterhaltung bald
eine ernste Richtung zu geben, bald eine heitere.

Nicht als ob plötzlich der Faden des Gespräches abgerissen sei, nein,
mechanisch oder gewohnheitsgemäß greift meine Hand nach den Zeitungen, welche
der Gärtner auf den Seitentisch gelegt hat. Unwillkürlich fällt mein Blick auf
einen Artikel. Ich finde ihn in einem Blatte, in einem zweiten, und sogar die
redaktionelle Notiz an alle deutschen Blätter um Weiterverbreitung. Ich stutze.

Was haben Sie, liebster Doktor? fragt bestürzt Luising. O mein Gott,
wird wieder Schreckliches gemeldet von Ischia oder -- ?

Nein, etwas andres, das Sie betrifft, über Ihre Villa, deren beabsich¬
tigten Verkauf und über Reuters wie ein Heiligtum behütetes Album. Hören
Sie! -- Und jetzt: was sagen Sie dazu?

Daß ich erstaunt bin, wie all diese Einzelheiten und namentlich etwas aus
dem Haushunde in die Öffentlichkeit gedrungen, ohne mein Wissen, ohne meinen
Willen. Mir thuts weh, daß letzeres noch obendrein in unrichtiger Wiedergabe


Grenzboten III. 1"83. 68
Fritz Routers Haushund.

ausstellung verbinden könnte, die moralische Unterstützung und die materiell
fördernde Teilnahme der Reichsregierung, selbst wenn der Beweis für die Not¬
wendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Unternehmens nicht erbracht werden kann.




Fritz Reuters Haushund.
von Aarl Theodor Gaedertz.

ir sitzen so traulich beisammen, „Luising" oder „Wisiug," die vom
deutschen Volke verehrte Witwe des allbeliebten Dialektdichters,
und meine Wenigkeit, abends beim Ampellicht im trauten Garten-
stübchen der Villa Reuter zu Eisenach. Die breiten Glasthüren
zum Garten sind geöffnet. Wie prächtig liegt er da, dieser von
„Fritzing" selbst künstlerisch angelegte und musterhaft gepflegte Blumenpark mit
seinen Terrassen, Grotten, Vasen, seinen Teppichbeeten, seinen Eichen und Buchen,
die den steilen Felsen beschatten und verdecken! Wie berauschend strömt der
Duft von Rosen, Levkojen, Lilien und Nelken zu uns hinüber! Lustig plätschert der
Springbrunnen. Die Mondsichel steht gerade über der alten Luther-Wartburg,
die in silberner Beleuchtung sich vom Sternenhimmel hoheitsvoll vor unsern
Augen abhebt. Den ganzen Tag Regen — nun eine italienische Nacht.

Manches Wort haben wir miteinander gewechselt. Wie Fritz Reuter nicht
allein ein tiefes Gemüt, sondern auch einen goldnen Humor zu schönster Be¬
thätigung gebracht hat, ebenso weiß seine treue Gattin der Unterhaltung bald
eine ernste Richtung zu geben, bald eine heitere.

Nicht als ob plötzlich der Faden des Gespräches abgerissen sei, nein,
mechanisch oder gewohnheitsgemäß greift meine Hand nach den Zeitungen, welche
der Gärtner auf den Seitentisch gelegt hat. Unwillkürlich fällt mein Blick auf
einen Artikel. Ich finde ihn in einem Blatte, in einem zweiten, und sogar die
redaktionelle Notiz an alle deutschen Blätter um Weiterverbreitung. Ich stutze.

Was haben Sie, liebster Doktor? fragt bestürzt Luising. O mein Gott,
wird wieder Schreckliches gemeldet von Ischia oder — ?

Nein, etwas andres, das Sie betrifft, über Ihre Villa, deren beabsich¬
tigten Verkauf und über Reuters wie ein Heiligtum behütetes Album. Hören
Sie! — Und jetzt: was sagen Sie dazu?

Daß ich erstaunt bin, wie all diese Einzelheiten und namentlich etwas aus
dem Haushunde in die Öffentlichkeit gedrungen, ohne mein Wissen, ohne meinen
Willen. Mir thuts weh, daß letzeres noch obendrein in unrichtiger Wiedergabe


Grenzboten III. 1»83. 68
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[0521] Fritz Routers Haushund. ausstellung verbinden könnte, die moralische Unterstützung und die materiell fördernde Teilnahme der Reichsregierung, selbst wenn der Beweis für die Not¬ wendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Unternehmens nicht erbracht werden kann. Fritz Reuters Haushund. von Aarl Theodor Gaedertz. ir sitzen so traulich beisammen, „Luising" oder „Wisiug," die vom deutschen Volke verehrte Witwe des allbeliebten Dialektdichters, und meine Wenigkeit, abends beim Ampellicht im trauten Garten- stübchen der Villa Reuter zu Eisenach. Die breiten Glasthüren zum Garten sind geöffnet. Wie prächtig liegt er da, dieser von „Fritzing" selbst künstlerisch angelegte und musterhaft gepflegte Blumenpark mit seinen Terrassen, Grotten, Vasen, seinen Teppichbeeten, seinen Eichen und Buchen, die den steilen Felsen beschatten und verdecken! Wie berauschend strömt der Duft von Rosen, Levkojen, Lilien und Nelken zu uns hinüber! Lustig plätschert der Springbrunnen. Die Mondsichel steht gerade über der alten Luther-Wartburg, die in silberner Beleuchtung sich vom Sternenhimmel hoheitsvoll vor unsern Augen abhebt. Den ganzen Tag Regen — nun eine italienische Nacht. Manches Wort haben wir miteinander gewechselt. Wie Fritz Reuter nicht allein ein tiefes Gemüt, sondern auch einen goldnen Humor zu schönster Be¬ thätigung gebracht hat, ebenso weiß seine treue Gattin der Unterhaltung bald eine ernste Richtung zu geben, bald eine heitere. Nicht als ob plötzlich der Faden des Gespräches abgerissen sei, nein, mechanisch oder gewohnheitsgemäß greift meine Hand nach den Zeitungen, welche der Gärtner auf den Seitentisch gelegt hat. Unwillkürlich fällt mein Blick auf einen Artikel. Ich finde ihn in einem Blatte, in einem zweiten, und sogar die redaktionelle Notiz an alle deutschen Blätter um Weiterverbreitung. Ich stutze. Was haben Sie, liebster Doktor? fragt bestürzt Luising. O mein Gott, wird wieder Schreckliches gemeldet von Ischia oder — ? Nein, etwas andres, das Sie betrifft, über Ihre Villa, deren beabsich¬ tigten Verkauf und über Reuters wie ein Heiligtum behütetes Album. Hören Sie! — Und jetzt: was sagen Sie dazu? Daß ich erstaunt bin, wie all diese Einzelheiten und namentlich etwas aus dem Haushunde in die Öffentlichkeit gedrungen, ohne mein Wissen, ohne meinen Willen. Mir thuts weh, daß letzeres noch obendrein in unrichtiger Wiedergabe Grenzboten III. 1»83. 68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/521>, abgerufen am 08.09.2024.