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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

wird, als das äußerst betriebsame Belgien, dessen Industrie seit 1878 einen ganz
bedeutenden Aufschwung genommen hat. Im Augenblick scheint das Übergewicht
Deutschlands sich zumeist auf die größere Wohlfeilheit der Preise zu gründen.

Während der Architekt in dem Aufbau der Fassade etwas ganz außer¬
gewöhnliches und noch nicht dagewesenes angestrebt und auch wohl erreicht
hat, ist er in Bezug auf die Disposition der innern Räume so klug gewesen,
das in Wien und Paris erprobte Fischgrätensystem beizubehalten. Eine breite
durchgehende Haupthalle, welche in der Mittelaxe des Gebäudes liegt, wird
durch eine Anzahl paralleler Galerien rechtwinklig durchschnitten, die ihrerseits
wieder durch senkrecht gestellte Passagen mit einander verbunden sind. Die
Kommunikation ist auf diese Weise sehr leicht, und die Übersicht über die einzelnen,
geographisch abgesonderten Gruppen so bequem, daß man sich ohne Mühe zurecht
finden kann und nicht Gefahr läuft, etwas zu übersehen.

Der beste und lehrreichste Gradmesser für die Ausstellungslust, welche in
den Hauptstaaten herrscht, giebt ein Überblick über den Flächenraum, den der
einzelne in Anspruch nahm. Obenan steht Frankreich mit 11 900 Quadrat¬
metern. Dann folgt Belgien mit 9000, Deutschland mit 8000, Holland mit
7000, England mit 3000, Spanien und Österreich mit je 1400 und Rußland,
Nordamerika und Japan mit je 1000. Dem entsprechend hatte sich auch das
Auftrete" Frankreichs außerhalb des Hauptgebäudes gestaltet. Die Stadt Paris
führte ihre kommunalen Einrichtungen, den ganzen Verwaltungsapparat der
Weltstadt in einem besondern Pavillon vor, dessen Hauptinhalt uns allerdings
schon von der Weltausstellung von 1878 bekannt war. Im Pavillon von Tunis
waren neben einer ethnographischen Ausstellung die Erzeugnisse einer Gesellschaft
etablirt, welche sich die Ausbeutung von Marmorbrüchen zur Aufgabe gestellt
hat, aus denen schon die Römer zur Kaiserzeit den schönen gelben, als "nu-
midisch" bekannten Marmor bezogen haben. In der Kunsthalle spielten die
Franzosen sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität der ausge¬
stellten Kunstwerke dieselbe dominirende Rolle wie im Hauptgebäude, und damit
nichts an dieser französischen Ausstellung auf holländischem Boden fehle, hatten
die Franzosen auch noch das diats eliantimt gestellt, welches solange allein die
Kosten der Unterhaltung tragen mußte, bis Meister Bilse mit seiner Kapelle
einzog, um die deutsche Kunst wenigstens auf einem Gebiete zu Ehren zu bringen.
Das Häuflein deutscher Maler, welches hundert ausrangirte Bilder nach Amsterdam
geschickt hatte, trug nur dazu bei, die Vorstellung, welche sich die Ausländer von
der deutschen Kunst gemacht haben, noch ungünstiger zu gestalten.

Schon um der armen Kunst willen, die immer als Prügelknabe dienen
muß, sollte man von Staatswegen auf irgend eine Veranstaltung denken, durch
welche dem Auslande ein wirkliches Bild von unsrer Leistungsfähigkeit gegeben
werden könnte. Und auch aus diesem Gesichtspunkte verdient das Projekt einer
deutsch-österreichischen Knnstindustrieausstellung, mit der man leicht eine Kunst-


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

wird, als das äußerst betriebsame Belgien, dessen Industrie seit 1878 einen ganz
bedeutenden Aufschwung genommen hat. Im Augenblick scheint das Übergewicht
Deutschlands sich zumeist auf die größere Wohlfeilheit der Preise zu gründen.

Während der Architekt in dem Aufbau der Fassade etwas ganz außer¬
gewöhnliches und noch nicht dagewesenes angestrebt und auch wohl erreicht
hat, ist er in Bezug auf die Disposition der innern Räume so klug gewesen,
das in Wien und Paris erprobte Fischgrätensystem beizubehalten. Eine breite
durchgehende Haupthalle, welche in der Mittelaxe des Gebäudes liegt, wird
durch eine Anzahl paralleler Galerien rechtwinklig durchschnitten, die ihrerseits
wieder durch senkrecht gestellte Passagen mit einander verbunden sind. Die
Kommunikation ist auf diese Weise sehr leicht, und die Übersicht über die einzelnen,
geographisch abgesonderten Gruppen so bequem, daß man sich ohne Mühe zurecht
finden kann und nicht Gefahr läuft, etwas zu übersehen.

Der beste und lehrreichste Gradmesser für die Ausstellungslust, welche in
den Hauptstaaten herrscht, giebt ein Überblick über den Flächenraum, den der
einzelne in Anspruch nahm. Obenan steht Frankreich mit 11 900 Quadrat¬
metern. Dann folgt Belgien mit 9000, Deutschland mit 8000, Holland mit
7000, England mit 3000, Spanien und Österreich mit je 1400 und Rußland,
Nordamerika und Japan mit je 1000. Dem entsprechend hatte sich auch das
Auftrete» Frankreichs außerhalb des Hauptgebäudes gestaltet. Die Stadt Paris
führte ihre kommunalen Einrichtungen, den ganzen Verwaltungsapparat der
Weltstadt in einem besondern Pavillon vor, dessen Hauptinhalt uns allerdings
schon von der Weltausstellung von 1878 bekannt war. Im Pavillon von Tunis
waren neben einer ethnographischen Ausstellung die Erzeugnisse einer Gesellschaft
etablirt, welche sich die Ausbeutung von Marmorbrüchen zur Aufgabe gestellt
hat, aus denen schon die Römer zur Kaiserzeit den schönen gelben, als „nu-
midisch" bekannten Marmor bezogen haben. In der Kunsthalle spielten die
Franzosen sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität der ausge¬
stellten Kunstwerke dieselbe dominirende Rolle wie im Hauptgebäude, und damit
nichts an dieser französischen Ausstellung auf holländischem Boden fehle, hatten
die Franzosen auch noch das diats eliantimt gestellt, welches solange allein die
Kosten der Unterhaltung tragen mußte, bis Meister Bilse mit seiner Kapelle
einzog, um die deutsche Kunst wenigstens auf einem Gebiete zu Ehren zu bringen.
Das Häuflein deutscher Maler, welches hundert ausrangirte Bilder nach Amsterdam
geschickt hatte, trug nur dazu bei, die Vorstellung, welche sich die Ausländer von
der deutschen Kunst gemacht haben, noch ungünstiger zu gestalten.

Schon um der armen Kunst willen, die immer als Prügelknabe dienen
muß, sollte man von Staatswegen auf irgend eine Veranstaltung denken, durch
welche dem Auslande ein wirkliches Bild von unsrer Leistungsfähigkeit gegeben
werden könnte. Und auch aus diesem Gesichtspunkte verdient das Projekt einer
deutsch-österreichischen Knnstindustrieausstellung, mit der man leicht eine Kunst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/520>, abgerufen am 08.09.2024.