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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

zwar bei, in Wirklichkeit wird sie aber von ihren Unternehmern, wie man täglich
aus den Kundgebungen ihrer Korrespondenzbüreaus ersehen kann, für eine all¬
gemeine Weltausstellung ausgegeben.

Alle Macht der Reklame ist aber nicht imstande, einerseits das Fiasko der
Amsterdamer Ausstellung, andrerseits die Niederlage zu bemänteln, welche die
Holländer in ihrem eignen Lande erlitten haben. Auch hier kann man der Re¬
gierung keinen Vorwurf machen. Sie hat sich klüger und weitblickender er¬
wiesen als das Ausstellungskomitee, welches sich durch gallische Beredsamkeit
zu einem aussichtslosen Unternehmen hinreißen ließ. Sie hat genug gethan, zu
warum und abzuraten, und wenn sie in letzter Stunde das Projekt durch die
Flagge ihres Protektorats zu schützen für gut befand, so hat sie es nur gethan,
weil sie glaubte, daß die holländische Nationalehre dem Auslande gegenüber schon
zu weit engagirt sei und daß wenigstens ein Versuch gemacht werden müsse, um
Hollands Ehre zu retten. Ist dieser Versuch nun auch nicht gelungen, so wird
doch auch kein Vernünftiger behaupten wollen, daß die Ehre des Landes durch
die Spekulationssucht französischer und belgischer Geldmänner gefährdet worden
sei. Nur blamirt haben sich die Holländer, weil sie es duldeten, daß auf ihrem
Grund und Boden zwei Belgier einen Ausstellungspalast erbauen durften, zu
welchem ein Franzose den Entwurf geliefert hatte.

Immerhin ist diese beschämende Thatsache bezeichnend für die UnPopu¬
larität, welcher das Unternehmen von vornherein begegnete. Dieselbe Hütte sich
nur auf die Dauer erhalten sollen, und die Holländer würden außer dem Schaden
nicht auch noch den Spott gehabt haben. Im letzten Augenblicke haben sie
doch dem Kitzel der Eitelkeit, eine Weltausstellung bei sich zu sehen, nachgegeben
und sich verleiten lassen, die ganze Welt zu sich einzuladen, ohne für einen ent¬
sprechenden Empfang zu sorgen. Hätten sie wenigstens noch bis zur Vollen¬
dung des neuen Nijksmuseums gewartet, welches zur Aufnahme der jetzt in
verschiednen, schlecht beleuchteten und schlecht ausgestatteten Lokalen zerstreuten
Kunstschätze der Vorzeit bestimmt ist! Was hätte das für einen Augenschmaus
gegeben, diese stupenden Meisterwerke der holländischen Malerei in einem statt¬
lichen und würdigen Monumentalbau vereinigt zu sehen! Da hätte die Welt¬
ausstellung so kläglich ausfallen können, wie sie wollte -- hier wären die
Fremden für die Unbequemlichkeiten eines Aufenthalts in dem engen, geräusch¬
vollen, landschaftlich ganz reizlosen Amsterdam doppelt und dreifach entschädigt
worden! Aber die Herren Entrepreneurs hatten keine Zeit zu warten! Der
Neubau des Nijksmuseums bildet den Zugang zu dem Ausstellungsfelde. Seine
Fassade ist indessen durch Gerüste den Blicken entzogen. Die Passage durch
die hohe Durchfahrt befindet sich noch im primitivsten Zustande, und nur einige
Säle sind notdürftig hergerichtet worden, in welchen die indischen Schätze des
Prinzen von Wales zu sehen sind, die jeder Ausstellungsbesucher bereits aus¬
wendig gelernt hat. Bei Regenwetter muß die Verbindung mit dem Haupt-


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

zwar bei, in Wirklichkeit wird sie aber von ihren Unternehmern, wie man täglich
aus den Kundgebungen ihrer Korrespondenzbüreaus ersehen kann, für eine all¬
gemeine Weltausstellung ausgegeben.

Alle Macht der Reklame ist aber nicht imstande, einerseits das Fiasko der
Amsterdamer Ausstellung, andrerseits die Niederlage zu bemänteln, welche die
Holländer in ihrem eignen Lande erlitten haben. Auch hier kann man der Re¬
gierung keinen Vorwurf machen. Sie hat sich klüger und weitblickender er¬
wiesen als das Ausstellungskomitee, welches sich durch gallische Beredsamkeit
zu einem aussichtslosen Unternehmen hinreißen ließ. Sie hat genug gethan, zu
warum und abzuraten, und wenn sie in letzter Stunde das Projekt durch die
Flagge ihres Protektorats zu schützen für gut befand, so hat sie es nur gethan,
weil sie glaubte, daß die holländische Nationalehre dem Auslande gegenüber schon
zu weit engagirt sei und daß wenigstens ein Versuch gemacht werden müsse, um
Hollands Ehre zu retten. Ist dieser Versuch nun auch nicht gelungen, so wird
doch auch kein Vernünftiger behaupten wollen, daß die Ehre des Landes durch
die Spekulationssucht französischer und belgischer Geldmänner gefährdet worden
sei. Nur blamirt haben sich die Holländer, weil sie es duldeten, daß auf ihrem
Grund und Boden zwei Belgier einen Ausstellungspalast erbauen durften, zu
welchem ein Franzose den Entwurf geliefert hatte.

Immerhin ist diese beschämende Thatsache bezeichnend für die UnPopu¬
larität, welcher das Unternehmen von vornherein begegnete. Dieselbe Hütte sich
nur auf die Dauer erhalten sollen, und die Holländer würden außer dem Schaden
nicht auch noch den Spott gehabt haben. Im letzten Augenblicke haben sie
doch dem Kitzel der Eitelkeit, eine Weltausstellung bei sich zu sehen, nachgegeben
und sich verleiten lassen, die ganze Welt zu sich einzuladen, ohne für einen ent¬
sprechenden Empfang zu sorgen. Hätten sie wenigstens noch bis zur Vollen¬
dung des neuen Nijksmuseums gewartet, welches zur Aufnahme der jetzt in
verschiednen, schlecht beleuchteten und schlecht ausgestatteten Lokalen zerstreuten
Kunstschätze der Vorzeit bestimmt ist! Was hätte das für einen Augenschmaus
gegeben, diese stupenden Meisterwerke der holländischen Malerei in einem statt¬
lichen und würdigen Monumentalbau vereinigt zu sehen! Da hätte die Welt¬
ausstellung so kläglich ausfallen können, wie sie wollte — hier wären die
Fremden für die Unbequemlichkeiten eines Aufenthalts in dem engen, geräusch¬
vollen, landschaftlich ganz reizlosen Amsterdam doppelt und dreifach entschädigt
worden! Aber die Herren Entrepreneurs hatten keine Zeit zu warten! Der
Neubau des Nijksmuseums bildet den Zugang zu dem Ausstellungsfelde. Seine
Fassade ist indessen durch Gerüste den Blicken entzogen. Die Passage durch
die hohe Durchfahrt befindet sich noch im primitivsten Zustande, und nur einige
Säle sind notdürftig hergerichtet worden, in welchen die indischen Schätze des
Prinzen von Wales zu sehen sind, die jeder Ausstellungsbesucher bereits aus¬
wendig gelernt hat. Bei Regenwetter muß die Verbindung mit dem Haupt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/517>, abgerufen am 08.09.2024.