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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

cinandersetzt, daß sie ihren Handel mit den Kolonien noch viel weiter ausdehnen
können, als es bereits der Fall ist. Einerseits könnten die Produkte der Ko¬
lonien besser und in größerm Maßstabe verwertet werden, andrerseits könnte
Holland selber die Bedürfnisse der Kolonien befriedigen, indem es sich des
Zwischenhandels bemächtigt. Aus sich selbst heraus kann es jenen Bedürfnissen
nicht entgegenkommen, da es keine eigne Industrie besitzt, vielmehr selbst seinen
Bedarf an Manufaktur- und Fabrikwaaren durch Import aus dem Auslande
decken muß. Man war sich dieser Schwäche so vollkommen bewußt, daß die
Versammlung von Würdenträgern und Industriellen, vor welcher Herr Agostini
seinen Plan auseinandersetzte, sich anfangs ablehnend und kühl verhielt. Viel¬
leicht befürchtete man, daß gerade dadurch, daß andre Länder in die Lage ge¬
setzt würden, ihre Produkte den Kolonien direkt anzubieten, ein Teil des sehr
lohnenden Zwischenhandels den Holländern entwunden werden konnte. Vor allen
Dingen konnte man sich aber der Überzeugung nicht verschließen, daß Amsterdam
zur Aufnahme einer Ausstellung in großem Stile in keiner Weise geeignet sei.
Wie soll eine Stadt von noch nicht 300 000 Einwohnern, welche von der Natur
in hohem Grade vernachlässigt ist, den Anforderungen des internationalen Fremden¬
verkehrs genügen können? Woher soll der Raum kommen, um täglich zehn bis
zwanzigtausend Fremde zu beherbergen, auf welche man doch rechnen mußte,
wenn die Rentabilität des Unternehmens nicht fraglich werden sollte?

Die Erfahrung hat nun allerdings gelehrt, daß diese Befürchtung unbe¬
gründet war, da der Fremdenzuflnß auch nicht den bescheidensten Erwartungen
entsprochen hat. Damals aber, als Herr Agostini seinen Plan entwickelte, hatte
man das Recht und die Pflicht, auf die räumliche Unzulänglichkeit Amsterdams,
auf seine ungünstige Lage, auf seinen Mangel an Vergnügungen und Natur¬
schönheiten hinzuweisen. Herr Agostini ließ sich durch diese Bedenken nicht ab¬
schrecken. Hinter dem Projekt einer Kolonial- und Exportausstellung, die doch
mit Bezug auf die kommerzielle Bedeutung Hollands manches für sich hatte,
ließ er das weitschichtigere einer allgemeinen Weltausstellung hervorblicken, und
es scheint, daß sich die holländischen Notabilitäten durch diesen Zauber haben
blenden lassen. Aber sie hätten keine Holländer sein müssen, um mehr als den
Namen herzugeben, Geld ließen sie sich nicht herauslocken, und so mußte sich
Herr Agostiui auswärts nach Kapitalien umsehen, welche ihm dann auch von
französischen und belgischen Spekulanten zur Verfügung gestellt wurden. -

Unter solchen Verhältnissen kann man es ihm nicht verdenken, daß er seine
Landsleute nach allen Richtungen hin bevorzugt hat. Die Regierung seines
Landes war ihm auch auf das bereitwilligste entgegengekommen, während die
holländische Regierung jede finanzielle Unterstützung rundweg abgelehnt hatte.
Erst ein Jahr nach den einleitenden Schritten Agostinis ließ sich die Regierung
dazu bestimmen, die Mächte offiziell zu einer Beteiligung an der Amsterdamer "Ko¬
lonial- und Exportausstellung" einzuladen. Diesen Titel behielt die Ausstellung


Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

cinandersetzt, daß sie ihren Handel mit den Kolonien noch viel weiter ausdehnen
können, als es bereits der Fall ist. Einerseits könnten die Produkte der Ko¬
lonien besser und in größerm Maßstabe verwertet werden, andrerseits könnte
Holland selber die Bedürfnisse der Kolonien befriedigen, indem es sich des
Zwischenhandels bemächtigt. Aus sich selbst heraus kann es jenen Bedürfnissen
nicht entgegenkommen, da es keine eigne Industrie besitzt, vielmehr selbst seinen
Bedarf an Manufaktur- und Fabrikwaaren durch Import aus dem Auslande
decken muß. Man war sich dieser Schwäche so vollkommen bewußt, daß die
Versammlung von Würdenträgern und Industriellen, vor welcher Herr Agostini
seinen Plan auseinandersetzte, sich anfangs ablehnend und kühl verhielt. Viel¬
leicht befürchtete man, daß gerade dadurch, daß andre Länder in die Lage ge¬
setzt würden, ihre Produkte den Kolonien direkt anzubieten, ein Teil des sehr
lohnenden Zwischenhandels den Holländern entwunden werden konnte. Vor allen
Dingen konnte man sich aber der Überzeugung nicht verschließen, daß Amsterdam
zur Aufnahme einer Ausstellung in großem Stile in keiner Weise geeignet sei.
Wie soll eine Stadt von noch nicht 300 000 Einwohnern, welche von der Natur
in hohem Grade vernachlässigt ist, den Anforderungen des internationalen Fremden¬
verkehrs genügen können? Woher soll der Raum kommen, um täglich zehn bis
zwanzigtausend Fremde zu beherbergen, auf welche man doch rechnen mußte,
wenn die Rentabilität des Unternehmens nicht fraglich werden sollte?

Die Erfahrung hat nun allerdings gelehrt, daß diese Befürchtung unbe¬
gründet war, da der Fremdenzuflnß auch nicht den bescheidensten Erwartungen
entsprochen hat. Damals aber, als Herr Agostini seinen Plan entwickelte, hatte
man das Recht und die Pflicht, auf die räumliche Unzulänglichkeit Amsterdams,
auf seine ungünstige Lage, auf seinen Mangel an Vergnügungen und Natur¬
schönheiten hinzuweisen. Herr Agostini ließ sich durch diese Bedenken nicht ab¬
schrecken. Hinter dem Projekt einer Kolonial- und Exportausstellung, die doch
mit Bezug auf die kommerzielle Bedeutung Hollands manches für sich hatte,
ließ er das weitschichtigere einer allgemeinen Weltausstellung hervorblicken, und
es scheint, daß sich die holländischen Notabilitäten durch diesen Zauber haben
blenden lassen. Aber sie hätten keine Holländer sein müssen, um mehr als den
Namen herzugeben, Geld ließen sie sich nicht herauslocken, und so mußte sich
Herr Agostiui auswärts nach Kapitalien umsehen, welche ihm dann auch von
französischen und belgischen Spekulanten zur Verfügung gestellt wurden. -

Unter solchen Verhältnissen kann man es ihm nicht verdenken, daß er seine
Landsleute nach allen Richtungen hin bevorzugt hat. Die Regierung seines
Landes war ihm auch auf das bereitwilligste entgegengekommen, während die
holländische Regierung jede finanzielle Unterstützung rundweg abgelehnt hatte.
Erst ein Jahr nach den einleitenden Schritten Agostinis ließ sich die Regierung
dazu bestimmen, die Mächte offiziell zu einer Beteiligung an der Amsterdamer „Ko¬
lonial- und Exportausstellung" einzuladen. Diesen Titel behielt die Ausstellung


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[0516] Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. cinandersetzt, daß sie ihren Handel mit den Kolonien noch viel weiter ausdehnen können, als es bereits der Fall ist. Einerseits könnten die Produkte der Ko¬ lonien besser und in größerm Maßstabe verwertet werden, andrerseits könnte Holland selber die Bedürfnisse der Kolonien befriedigen, indem es sich des Zwischenhandels bemächtigt. Aus sich selbst heraus kann es jenen Bedürfnissen nicht entgegenkommen, da es keine eigne Industrie besitzt, vielmehr selbst seinen Bedarf an Manufaktur- und Fabrikwaaren durch Import aus dem Auslande decken muß. Man war sich dieser Schwäche so vollkommen bewußt, daß die Versammlung von Würdenträgern und Industriellen, vor welcher Herr Agostini seinen Plan auseinandersetzte, sich anfangs ablehnend und kühl verhielt. Viel¬ leicht befürchtete man, daß gerade dadurch, daß andre Länder in die Lage ge¬ setzt würden, ihre Produkte den Kolonien direkt anzubieten, ein Teil des sehr lohnenden Zwischenhandels den Holländern entwunden werden konnte. Vor allen Dingen konnte man sich aber der Überzeugung nicht verschließen, daß Amsterdam zur Aufnahme einer Ausstellung in großem Stile in keiner Weise geeignet sei. Wie soll eine Stadt von noch nicht 300 000 Einwohnern, welche von der Natur in hohem Grade vernachlässigt ist, den Anforderungen des internationalen Fremden¬ verkehrs genügen können? Woher soll der Raum kommen, um täglich zehn bis zwanzigtausend Fremde zu beherbergen, auf welche man doch rechnen mußte, wenn die Rentabilität des Unternehmens nicht fraglich werden sollte? Die Erfahrung hat nun allerdings gelehrt, daß diese Befürchtung unbe¬ gründet war, da der Fremdenzuflnß auch nicht den bescheidensten Erwartungen entsprochen hat. Damals aber, als Herr Agostini seinen Plan entwickelte, hatte man das Recht und die Pflicht, auf die räumliche Unzulänglichkeit Amsterdams, auf seine ungünstige Lage, auf seinen Mangel an Vergnügungen und Natur¬ schönheiten hinzuweisen. Herr Agostini ließ sich durch diese Bedenken nicht ab¬ schrecken. Hinter dem Projekt einer Kolonial- und Exportausstellung, die doch mit Bezug auf die kommerzielle Bedeutung Hollands manches für sich hatte, ließ er das weitschichtigere einer allgemeinen Weltausstellung hervorblicken, und es scheint, daß sich die holländischen Notabilitäten durch diesen Zauber haben blenden lassen. Aber sie hätten keine Holländer sein müssen, um mehr als den Namen herzugeben, Geld ließen sie sich nicht herauslocken, und so mußte sich Herr Agostiui auswärts nach Kapitalien umsehen, welche ihm dann auch von französischen und belgischen Spekulanten zur Verfügung gestellt wurden. - Unter solchen Verhältnissen kann man es ihm nicht verdenken, daß er seine Landsleute nach allen Richtungen hin bevorzugt hat. Die Regierung seines Landes war ihm auch auf das bereitwilligste entgegengekommen, während die holländische Regierung jede finanzielle Unterstützung rundweg abgelehnt hatte. Erst ein Jahr nach den einleitenden Schritten Agostinis ließ sich die Regierung dazu bestimmen, die Mächte offiziell zu einer Beteiligung an der Amsterdamer „Ko¬ lonial- und Exportausstellung" einzuladen. Diesen Titel behielt die Ausstellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/516>, abgerufen am 08.09.2024.