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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam
und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 2.

nur man gegenüber dem Projekt einer deutsch-österreichischen Kunst¬
ausstellung die Frage nach der unumgänglichen Notwendigkeit der¬
selben auswirft, so wird man diese Frage ebensogut verneinen
müssen wie die gleiche, welche man in Bezug auf eine allgemeine
Weltausstellung erhoben hat. Dank der deutschen Politik, welche
die beiden großen mitteleuropäischen Kaiserreiche, die sichersten Bürgschaften für
die Erhaltung des europäischen Friedens, immer enger miteinander verknüpft,
haben sich auch die Beziehungen zwischen Wien und Berlin immer lebhafter
gestaltet. Zuerst ist Berlin mit Wiener Kellnern, dann mit Wiener Journalisten,
mit Wiener Restaurants und Wiener Cafes überschwemmt worden. Das Personal
der größern Bühnen ist in der Mehrzahl aus österreichischen Schauspielern und
Sängern zusammengesetzt, sodaß man jetzt auf den Berliner Bühnen schon sämt¬
liche Idiome des vielzungigen Kaiserstaats zu hören bekommen kann, nur nicht
die deutsche Sprache. Aber nicht bloß die Cafes sind mitgewandert, auch die
österreichische Industrie hat ihren Einzug in die deutsche Reichshauptstadt ge¬
halten. Eine Anzahl österreichischer Industriellen hat Filialen und Niederlagen
in Berlin errichtet, und wenn man die Leipziger Straße entlang spaziert, kann
man sich mit österreichischen Fabrikaten nicht nur vom Kopf bis zu den Füßen
equipiren, sondern auch aus denselben den gesamten Bedarf für Wohnungs¬
ausstattung und Hausrat bestreiten: Möbel, Teppiche, Stiefel und Galanterie-
Lederwaaren aus Wien, böhmische Gläser, Porzellanblumen, Krüge -- alles,
was die österreichische Kunstindustrie eignes und brauchbares produzirt, ist in
Berlin reichlich vertreten, und die Niederlagen werden fortwährend so assortirt
und auf der Höhe erhalten, daß man sich aus den Schaufenstern der Berliner
Läden ein völlig Kares Bild von den gewerblichen Fortschritten Österreichs
machen kann. Bei dem regen Verkehr, welcher zwischen diesen beiden, durch
Import, Export und Transithandel ohnehin aufeinander angewiesenen Ländern
herrscht, werden ferner alle Gebiete, auf denen noch eine Ergänzung der beider¬
seitigen Leistungen erzielt werden kann, unablässig geprüft. Ein positiver Ge¬
winn für die beiden Länder dürfte daher wohl schwerlich aus einer gemeinsamen
Knnstindustrieausstellung gezogen werden. Man könnte dieselbe eben nur als
ein Symbol für das freundschaftliche, auf die Gemeinschaftlichkeit der Lebens-


Grenzbvtcn III, 1833, 64
Die Ausstellung in Amsterdam
und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg. 2.

nur man gegenüber dem Projekt einer deutsch-österreichischen Kunst¬
ausstellung die Frage nach der unumgänglichen Notwendigkeit der¬
selben auswirft, so wird man diese Frage ebensogut verneinen
müssen wie die gleiche, welche man in Bezug auf eine allgemeine
Weltausstellung erhoben hat. Dank der deutschen Politik, welche
die beiden großen mitteleuropäischen Kaiserreiche, die sichersten Bürgschaften für
die Erhaltung des europäischen Friedens, immer enger miteinander verknüpft,
haben sich auch die Beziehungen zwischen Wien und Berlin immer lebhafter
gestaltet. Zuerst ist Berlin mit Wiener Kellnern, dann mit Wiener Journalisten,
mit Wiener Restaurants und Wiener Cafes überschwemmt worden. Das Personal
der größern Bühnen ist in der Mehrzahl aus österreichischen Schauspielern und
Sängern zusammengesetzt, sodaß man jetzt auf den Berliner Bühnen schon sämt¬
liche Idiome des vielzungigen Kaiserstaats zu hören bekommen kann, nur nicht
die deutsche Sprache. Aber nicht bloß die Cafes sind mitgewandert, auch die
österreichische Industrie hat ihren Einzug in die deutsche Reichshauptstadt ge¬
halten. Eine Anzahl österreichischer Industriellen hat Filialen und Niederlagen
in Berlin errichtet, und wenn man die Leipziger Straße entlang spaziert, kann
man sich mit österreichischen Fabrikaten nicht nur vom Kopf bis zu den Füßen
equipiren, sondern auch aus denselben den gesamten Bedarf für Wohnungs¬
ausstattung und Hausrat bestreiten: Möbel, Teppiche, Stiefel und Galanterie-
Lederwaaren aus Wien, böhmische Gläser, Porzellanblumen, Krüge — alles,
was die österreichische Kunstindustrie eignes und brauchbares produzirt, ist in
Berlin reichlich vertreten, und die Niederlagen werden fortwährend so assortirt
und auf der Höhe erhalten, daß man sich aus den Schaufenstern der Berliner
Läden ein völlig Kares Bild von den gewerblichen Fortschritten Österreichs
machen kann. Bei dem regen Verkehr, welcher zwischen diesen beiden, durch
Import, Export und Transithandel ohnehin aufeinander angewiesenen Ländern
herrscht, werden ferner alle Gebiete, auf denen noch eine Ergänzung der beider¬
seitigen Leistungen erzielt werden kann, unablässig geprüft. Ein positiver Ge¬
winn für die beiden Länder dürfte daher wohl schwerlich aus einer gemeinsamen
Knnstindustrieausstellung gezogen werden. Man könnte dieselbe eben nur als
ein Symbol für das freundschaftliche, auf die Gemeinschaftlichkeit der Lebens-


Grenzbvtcn III, 1833, 64
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[0513] Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. von Adolf Rosenberg. 2. nur man gegenüber dem Projekt einer deutsch-österreichischen Kunst¬ ausstellung die Frage nach der unumgänglichen Notwendigkeit der¬ selben auswirft, so wird man diese Frage ebensogut verneinen müssen wie die gleiche, welche man in Bezug auf eine allgemeine Weltausstellung erhoben hat. Dank der deutschen Politik, welche die beiden großen mitteleuropäischen Kaiserreiche, die sichersten Bürgschaften für die Erhaltung des europäischen Friedens, immer enger miteinander verknüpft, haben sich auch die Beziehungen zwischen Wien und Berlin immer lebhafter gestaltet. Zuerst ist Berlin mit Wiener Kellnern, dann mit Wiener Journalisten, mit Wiener Restaurants und Wiener Cafes überschwemmt worden. Das Personal der größern Bühnen ist in der Mehrzahl aus österreichischen Schauspielern und Sängern zusammengesetzt, sodaß man jetzt auf den Berliner Bühnen schon sämt¬ liche Idiome des vielzungigen Kaiserstaats zu hören bekommen kann, nur nicht die deutsche Sprache. Aber nicht bloß die Cafes sind mitgewandert, auch die österreichische Industrie hat ihren Einzug in die deutsche Reichshauptstadt ge¬ halten. Eine Anzahl österreichischer Industriellen hat Filialen und Niederlagen in Berlin errichtet, und wenn man die Leipziger Straße entlang spaziert, kann man sich mit österreichischen Fabrikaten nicht nur vom Kopf bis zu den Füßen equipiren, sondern auch aus denselben den gesamten Bedarf für Wohnungs¬ ausstattung und Hausrat bestreiten: Möbel, Teppiche, Stiefel und Galanterie- Lederwaaren aus Wien, böhmische Gläser, Porzellanblumen, Krüge — alles, was die österreichische Kunstindustrie eignes und brauchbares produzirt, ist in Berlin reichlich vertreten, und die Niederlagen werden fortwährend so assortirt und auf der Höhe erhalten, daß man sich aus den Schaufenstern der Berliner Läden ein völlig Kares Bild von den gewerblichen Fortschritten Österreichs machen kann. Bei dem regen Verkehr, welcher zwischen diesen beiden, durch Import, Export und Transithandel ohnehin aufeinander angewiesenen Ländern herrscht, werden ferner alle Gebiete, auf denen noch eine Ergänzung der beider¬ seitigen Leistungen erzielt werden kann, unablässig geprüft. Ein positiver Ge¬ winn für die beiden Länder dürfte daher wohl schwerlich aus einer gemeinsamen Knnstindustrieausstellung gezogen werden. Man könnte dieselbe eben nur als ein Symbol für das freundschaftliche, auf die Gemeinschaftlichkeit der Lebens- Grenzbvtcn III, 1833, 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/513>, abgerufen am 08.09.2024.