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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der Gesellschaft.

Es ist, wie wir glauben, unbestreitbar, daß das preußische, jetzt das deutsche
Heer seit den drei gewaltigen Kriegen, die es siegreich geführt hat, in unsrer
Volksanschauung eine ganz andre Stellung einnimmt als früher. Während
man früher in Deutschland das Militär mehr oder minder für einen Luxus¬
artikel zu halten geneigt war, weiß jetzt jedermann, welch ein schneidiges Werk¬
zeug und welche ungeheure Kraft wir in unsern: Heere besitzen. Auch kann
sich heute jeder sagen, daß inmitten einer feindlich gesinnten Welt wir unser
Heer nicht entbehren können. Dadurch ist dasselbe in Vergleich mit früher z"
einer wahrhaft populären Institution geworden.

Gleichwohl würden wir dem Verfasser jener Schrift vielleicht in allem
wesentlichen beistimmen können, wenn das Heer für unser Stantswesen nnr die
Bedeutung hätte, uns gegen auswärtige Feinde zu schützen. Das Verdienst
dieses Schutzes kommt nicht ausschließlich dem stehenden Herre und seinen Offi¬
zieren zu. Auch der Reserve- und Landwehroffizier, der in Friedenszeiten inner¬
halb aller möglichen andern Berufsstände sein bescheidnes Dasein führt, muß,
wenn es Krieg giebt, seine Brust der feindlichen Kugel gegenüberstelle", und
hat daher in gleichem Maße Anspruch auf unsre Anerkennung und Dankbarkeit.
Insoweit läge also kein Grund vor, den Berufsoffizier irgendwie anders zu
stellen als die Glieder andrer Bernfsstände von gleicher Bildung.

Aber unser Heer hat noch eine andre Bedeutung, die wir nnr allzuleicht
zu übersehen geneigt sind, weil sie seit langer Zeit nur in negativen Erschei¬
nungen sich kundgegeben hat. Seit einem vollen Menschenalter hat ganz
Deutschland keine innern Unruhen, keine erheblichen Störungen der öffentlichen
Ordnung erlitten. Überall haben die staatlichen Organe ihre regelmäßigen
Funktionen üben können. Diese Thatsache erscheint umso bewunderungswürdiger,
wenn man bedenkt, welche starke Spannung der Gemüter, welche schweren geistigen
Kämpfe in diesen Zeitraum fallen. Die traurige Reaktionsperiode der fünfziger
Jahre, der leidige Verfassungskvnslikt in Preußen zu Anfang des folgenden
Jahrzehnts, der schwere Kirchenkampf, die Aufhetzung der Volksmassen durch
die Sozialdemokratie -- alle diese Dinge, welche die Geister in furchtbare
Erregung versetzten, sind vorübergegangen, ohne daß die äußere Ordnung
irgendwo gestört wurde. Unser gegenwärtiges Geschlecht achtet darauf wenig,
gerade so, wie wir alle uns kaum des Segens bewußt sind, der darin liegt,
daß wir unser deutsches Vaterland nach allen geschichtlichen Erfahrungen von
schwereren Erdbeben frei erachten dürfen. Aber dennoch liegt in dieser sichern
Ordnung eine ungeheure Wohlthat. Wenn Deutschland im Laufe des letzten
Menschenalters mehr denn je an Wohlstand und Reichtum zugenommen hat,
so hat dies einen wesentlichen Grund auch darin, daß jeder mit voller Ruhe
und Sicherheit seinem Erwerbe nachgehen konnte, und daß nicht Aufruhr und
Revolution die angesammelten Güter zerstörten. Diese Wohlthat aber verdanken
wir -- darüber kann kein Zweifel sein -- der Zuverlässigkeit unsers Heeres.


Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der Gesellschaft.

Es ist, wie wir glauben, unbestreitbar, daß das preußische, jetzt das deutsche
Heer seit den drei gewaltigen Kriegen, die es siegreich geführt hat, in unsrer
Volksanschauung eine ganz andre Stellung einnimmt als früher. Während
man früher in Deutschland das Militär mehr oder minder für einen Luxus¬
artikel zu halten geneigt war, weiß jetzt jedermann, welch ein schneidiges Werk¬
zeug und welche ungeheure Kraft wir in unsern: Heere besitzen. Auch kann
sich heute jeder sagen, daß inmitten einer feindlich gesinnten Welt wir unser
Heer nicht entbehren können. Dadurch ist dasselbe in Vergleich mit früher z»
einer wahrhaft populären Institution geworden.

Gleichwohl würden wir dem Verfasser jener Schrift vielleicht in allem
wesentlichen beistimmen können, wenn das Heer für unser Stantswesen nnr die
Bedeutung hätte, uns gegen auswärtige Feinde zu schützen. Das Verdienst
dieses Schutzes kommt nicht ausschließlich dem stehenden Herre und seinen Offi¬
zieren zu. Auch der Reserve- und Landwehroffizier, der in Friedenszeiten inner¬
halb aller möglichen andern Berufsstände sein bescheidnes Dasein führt, muß,
wenn es Krieg giebt, seine Brust der feindlichen Kugel gegenüberstelle», und
hat daher in gleichem Maße Anspruch auf unsre Anerkennung und Dankbarkeit.
Insoweit läge also kein Grund vor, den Berufsoffizier irgendwie anders zu
stellen als die Glieder andrer Bernfsstände von gleicher Bildung.

Aber unser Heer hat noch eine andre Bedeutung, die wir nnr allzuleicht
zu übersehen geneigt sind, weil sie seit langer Zeit nur in negativen Erschei¬
nungen sich kundgegeben hat. Seit einem vollen Menschenalter hat ganz
Deutschland keine innern Unruhen, keine erheblichen Störungen der öffentlichen
Ordnung erlitten. Überall haben die staatlichen Organe ihre regelmäßigen
Funktionen üben können. Diese Thatsache erscheint umso bewunderungswürdiger,
wenn man bedenkt, welche starke Spannung der Gemüter, welche schweren geistigen
Kämpfe in diesen Zeitraum fallen. Die traurige Reaktionsperiode der fünfziger
Jahre, der leidige Verfassungskvnslikt in Preußen zu Anfang des folgenden
Jahrzehnts, der schwere Kirchenkampf, die Aufhetzung der Volksmassen durch
die Sozialdemokratie — alle diese Dinge, welche die Geister in furchtbare
Erregung versetzten, sind vorübergegangen, ohne daß die äußere Ordnung
irgendwo gestört wurde. Unser gegenwärtiges Geschlecht achtet darauf wenig,
gerade so, wie wir alle uns kaum des Segens bewußt sind, der darin liegt,
daß wir unser deutsches Vaterland nach allen geschichtlichen Erfahrungen von
schwereren Erdbeben frei erachten dürfen. Aber dennoch liegt in dieser sichern
Ordnung eine ungeheure Wohlthat. Wenn Deutschland im Laufe des letzten
Menschenalters mehr denn je an Wohlstand und Reichtum zugenommen hat,
so hat dies einen wesentlichen Grund auch darin, daß jeder mit voller Ruhe
und Sicherheit seinem Erwerbe nachgehen konnte, und daß nicht Aufruhr und
Revolution die angesammelten Güter zerstörten. Diese Wohlthat aber verdanken
wir — darüber kann kein Zweifel sein — der Zuverlässigkeit unsers Heeres.


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[0504] Die Vorrechte der Offiziere im Staate und in der Gesellschaft. Es ist, wie wir glauben, unbestreitbar, daß das preußische, jetzt das deutsche Heer seit den drei gewaltigen Kriegen, die es siegreich geführt hat, in unsrer Volksanschauung eine ganz andre Stellung einnimmt als früher. Während man früher in Deutschland das Militär mehr oder minder für einen Luxus¬ artikel zu halten geneigt war, weiß jetzt jedermann, welch ein schneidiges Werk¬ zeug und welche ungeheure Kraft wir in unsern: Heere besitzen. Auch kann sich heute jeder sagen, daß inmitten einer feindlich gesinnten Welt wir unser Heer nicht entbehren können. Dadurch ist dasselbe in Vergleich mit früher z» einer wahrhaft populären Institution geworden. Gleichwohl würden wir dem Verfasser jener Schrift vielleicht in allem wesentlichen beistimmen können, wenn das Heer für unser Stantswesen nnr die Bedeutung hätte, uns gegen auswärtige Feinde zu schützen. Das Verdienst dieses Schutzes kommt nicht ausschließlich dem stehenden Herre und seinen Offi¬ zieren zu. Auch der Reserve- und Landwehroffizier, der in Friedenszeiten inner¬ halb aller möglichen andern Berufsstände sein bescheidnes Dasein führt, muß, wenn es Krieg giebt, seine Brust der feindlichen Kugel gegenüberstelle», und hat daher in gleichem Maße Anspruch auf unsre Anerkennung und Dankbarkeit. Insoweit läge also kein Grund vor, den Berufsoffizier irgendwie anders zu stellen als die Glieder andrer Bernfsstände von gleicher Bildung. Aber unser Heer hat noch eine andre Bedeutung, die wir nnr allzuleicht zu übersehen geneigt sind, weil sie seit langer Zeit nur in negativen Erschei¬ nungen sich kundgegeben hat. Seit einem vollen Menschenalter hat ganz Deutschland keine innern Unruhen, keine erheblichen Störungen der öffentlichen Ordnung erlitten. Überall haben die staatlichen Organe ihre regelmäßigen Funktionen üben können. Diese Thatsache erscheint umso bewunderungswürdiger, wenn man bedenkt, welche starke Spannung der Gemüter, welche schweren geistigen Kämpfe in diesen Zeitraum fallen. Die traurige Reaktionsperiode der fünfziger Jahre, der leidige Verfassungskvnslikt in Preußen zu Anfang des folgenden Jahrzehnts, der schwere Kirchenkampf, die Aufhetzung der Volksmassen durch die Sozialdemokratie — alle diese Dinge, welche die Geister in furchtbare Erregung versetzten, sind vorübergegangen, ohne daß die äußere Ordnung irgendwo gestört wurde. Unser gegenwärtiges Geschlecht achtet darauf wenig, gerade so, wie wir alle uns kaum des Segens bewußt sind, der darin liegt, daß wir unser deutsches Vaterland nach allen geschichtlichen Erfahrungen von schwereren Erdbeben frei erachten dürfen. Aber dennoch liegt in dieser sichern Ordnung eine ungeheure Wohlthat. Wenn Deutschland im Laufe des letzten Menschenalters mehr denn je an Wohlstand und Reichtum zugenommen hat, so hat dies einen wesentlichen Grund auch darin, daß jeder mit voller Ruhe und Sicherheit seinem Erwerbe nachgehen konnte, und daß nicht Aufruhr und Revolution die angesammelten Güter zerstörten. Diese Wohlthat aber verdanken wir — darüber kann kein Zweifel sein — der Zuverlässigkeit unsers Heeres.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/504>, abgerufen am 08.09.2024.