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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Frankreich, Annciin und Lhina.

abgegangen und bereits eingetroffen, während ein bedeutendes Geschwader an
der Küste kreuzt, hinter dem ein zweites in den chinesischen Gewässern statio-
nirt ist.

Bis jetzt scheint die Expedition gegen Tonkin nicht erfolglos gewesen zu
sein. Die in aller Eile von Saigon herbeigczognen französischen Streitkräfte
haben in Verbindung mit den aus Frankreich eingetroffenen Truppen die von
den Anncnniten hartbedrängte Stadt Hanoi entsetzt und verschiedne Buchten des
Flusses in ihren Besitz gebracht. Der in der Stadt Nam Din den Oberbefehl
führende französische Offizier hat sich dort nicht nur behauptet und die Angriffe,
welche die rätselhaften Leute mit der schwarzen Flagge, die nach den einen Flu߬
piraten, nach den andern annamitische Soldaten, wieder nach andern Abteilungen
des regulären chinesischen Heeres sind, auf ihn machten, zurückgeschlagen, sondern
ist seinerseits zur Offensive übergegangen und hat dabei ermutigende Erfolge
errungen. Vor etwa vierzehn Tagen meldeten die französischen Zeitungen, daß
der Oberst Badens aus Nam Diu einen Ausfall gemacht und eine Abteilung
des Feindes geschlagen, ihm gegen tausend Mann getötet und einige Geschütze
erbeutet habe, wobei er selbst fast gar keinen Verlust erlitten haben sollte. Kurz
darauf hatte, einem Telegramm ans Saigon vom 17. August zufolge, bei Nam
Diu ein zweites Treffen stattgefunden, in welchem Badens den Belagerern
' wieder schwere Verluste beigebracht, selbst aber keine erlitten haben sollte. End¬
lich wird berichtet, daß die Franzosen eine Kolonne nach songeai absenden
wollen, einer Stadt, die ungefähr vier deutsche Meilen oberhalb Hanois am
Roten Muffe liegt. Nach diesen Gefechten und Plänen zu schließen, entwickelt
man auf beiden Seiten eine beträchtliche Rührigkeit, und die Verteidiger des
Landes gegen die Franzosen sind zahlreich und sogar mit Artillerie versehen.
Sie verleite,? sich über alle Seiten des von den Franzosen besetzten Dreiecks
am untern Laufe des Roten Flusses, ausgenommen das Stück an der Küste,
wo die fremden Kanonenboote die Oberhand haben. Die Basis der Operationen
und der Versorgung der französischen Truppen mit Munition und Proviant ist
Haiphong, und die Punkte, von wo der Augriff ausgeht, sind Nam Din am
südlichen Arme des Flusses und Hanoi, welches an seinem obern Laufe liegt.
Das nächste Ziel der Verteidiger des Landes war augenscheinlich ein Vorstoß zur
Unterbrechung der Verbindungen ihrer an den drei genannten Orten stehenden
Gegner, welche an den Flüssen hin Stellung genommen haben; aber bis jetzt
ist es jenen noch nicht gelungen, die Linien zu durchbrechen.

Soviel über den Stand der Dinge in Tonkin. Wichtiger in vielen Be¬
ziehungen als der dortige Felozng ist der Entschluß der Franzosen, den Krieg
nach Arran hinüberzutragen. Sie beanspruchen über dieses Reich kraft eines
Vertrages, dessen Giltigkeit vom Pekinger Hofe niemals anerkannt worden ist,
die Schutzherrschaft.. Der vor kurzem verstorbene König oder Kaiser soll, sich
bewußt, daß er gleich seinen Vorgängern auf dem Throne von Anuam ein


Grenzboten III. 1883. 62
Frankreich, Annciin und Lhina.

abgegangen und bereits eingetroffen, während ein bedeutendes Geschwader an
der Küste kreuzt, hinter dem ein zweites in den chinesischen Gewässern statio-
nirt ist.

Bis jetzt scheint die Expedition gegen Tonkin nicht erfolglos gewesen zu
sein. Die in aller Eile von Saigon herbeigczognen französischen Streitkräfte
haben in Verbindung mit den aus Frankreich eingetroffenen Truppen die von
den Anncnniten hartbedrängte Stadt Hanoi entsetzt und verschiedne Buchten des
Flusses in ihren Besitz gebracht. Der in der Stadt Nam Din den Oberbefehl
führende französische Offizier hat sich dort nicht nur behauptet und die Angriffe,
welche die rätselhaften Leute mit der schwarzen Flagge, die nach den einen Flu߬
piraten, nach den andern annamitische Soldaten, wieder nach andern Abteilungen
des regulären chinesischen Heeres sind, auf ihn machten, zurückgeschlagen, sondern
ist seinerseits zur Offensive übergegangen und hat dabei ermutigende Erfolge
errungen. Vor etwa vierzehn Tagen meldeten die französischen Zeitungen, daß
der Oberst Badens aus Nam Diu einen Ausfall gemacht und eine Abteilung
des Feindes geschlagen, ihm gegen tausend Mann getötet und einige Geschütze
erbeutet habe, wobei er selbst fast gar keinen Verlust erlitten haben sollte. Kurz
darauf hatte, einem Telegramm ans Saigon vom 17. August zufolge, bei Nam
Diu ein zweites Treffen stattgefunden, in welchem Badens den Belagerern
' wieder schwere Verluste beigebracht, selbst aber keine erlitten haben sollte. End¬
lich wird berichtet, daß die Franzosen eine Kolonne nach songeai absenden
wollen, einer Stadt, die ungefähr vier deutsche Meilen oberhalb Hanois am
Roten Muffe liegt. Nach diesen Gefechten und Plänen zu schließen, entwickelt
man auf beiden Seiten eine beträchtliche Rührigkeit, und die Verteidiger des
Landes gegen die Franzosen sind zahlreich und sogar mit Artillerie versehen.
Sie verleite,? sich über alle Seiten des von den Franzosen besetzten Dreiecks
am untern Laufe des Roten Flusses, ausgenommen das Stück an der Küste,
wo die fremden Kanonenboote die Oberhand haben. Die Basis der Operationen
und der Versorgung der französischen Truppen mit Munition und Proviant ist
Haiphong, und die Punkte, von wo der Augriff ausgeht, sind Nam Din am
südlichen Arme des Flusses und Hanoi, welches an seinem obern Laufe liegt.
Das nächste Ziel der Verteidiger des Landes war augenscheinlich ein Vorstoß zur
Unterbrechung der Verbindungen ihrer an den drei genannten Orten stehenden
Gegner, welche an den Flüssen hin Stellung genommen haben; aber bis jetzt
ist es jenen noch nicht gelungen, die Linien zu durchbrechen.

Soviel über den Stand der Dinge in Tonkin. Wichtiger in vielen Be¬
ziehungen als der dortige Felozng ist der Entschluß der Franzosen, den Krieg
nach Arran hinüberzutragen. Sie beanspruchen über dieses Reich kraft eines
Vertrages, dessen Giltigkeit vom Pekinger Hofe niemals anerkannt worden ist,
die Schutzherrschaft.. Der vor kurzem verstorbene König oder Kaiser soll, sich
bewußt, daß er gleich seinen Vorgängern auf dem Throne von Anuam ein


Grenzboten III. 1883. 62
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[0497] Frankreich, Annciin und Lhina. abgegangen und bereits eingetroffen, während ein bedeutendes Geschwader an der Küste kreuzt, hinter dem ein zweites in den chinesischen Gewässern statio- nirt ist. Bis jetzt scheint die Expedition gegen Tonkin nicht erfolglos gewesen zu sein. Die in aller Eile von Saigon herbeigczognen französischen Streitkräfte haben in Verbindung mit den aus Frankreich eingetroffenen Truppen die von den Anncnniten hartbedrängte Stadt Hanoi entsetzt und verschiedne Buchten des Flusses in ihren Besitz gebracht. Der in der Stadt Nam Din den Oberbefehl führende französische Offizier hat sich dort nicht nur behauptet und die Angriffe, welche die rätselhaften Leute mit der schwarzen Flagge, die nach den einen Flu߬ piraten, nach den andern annamitische Soldaten, wieder nach andern Abteilungen des regulären chinesischen Heeres sind, auf ihn machten, zurückgeschlagen, sondern ist seinerseits zur Offensive übergegangen und hat dabei ermutigende Erfolge errungen. Vor etwa vierzehn Tagen meldeten die französischen Zeitungen, daß der Oberst Badens aus Nam Diu einen Ausfall gemacht und eine Abteilung des Feindes geschlagen, ihm gegen tausend Mann getötet und einige Geschütze erbeutet habe, wobei er selbst fast gar keinen Verlust erlitten haben sollte. Kurz darauf hatte, einem Telegramm ans Saigon vom 17. August zufolge, bei Nam Diu ein zweites Treffen stattgefunden, in welchem Badens den Belagerern ' wieder schwere Verluste beigebracht, selbst aber keine erlitten haben sollte. End¬ lich wird berichtet, daß die Franzosen eine Kolonne nach songeai absenden wollen, einer Stadt, die ungefähr vier deutsche Meilen oberhalb Hanois am Roten Muffe liegt. Nach diesen Gefechten und Plänen zu schließen, entwickelt man auf beiden Seiten eine beträchtliche Rührigkeit, und die Verteidiger des Landes gegen die Franzosen sind zahlreich und sogar mit Artillerie versehen. Sie verleite,? sich über alle Seiten des von den Franzosen besetzten Dreiecks am untern Laufe des Roten Flusses, ausgenommen das Stück an der Küste, wo die fremden Kanonenboote die Oberhand haben. Die Basis der Operationen und der Versorgung der französischen Truppen mit Munition und Proviant ist Haiphong, und die Punkte, von wo der Augriff ausgeht, sind Nam Din am südlichen Arme des Flusses und Hanoi, welches an seinem obern Laufe liegt. Das nächste Ziel der Verteidiger des Landes war augenscheinlich ein Vorstoß zur Unterbrechung der Verbindungen ihrer an den drei genannten Orten stehenden Gegner, welche an den Flüssen hin Stellung genommen haben; aber bis jetzt ist es jenen noch nicht gelungen, die Linien zu durchbrechen. Soviel über den Stand der Dinge in Tonkin. Wichtiger in vielen Be¬ ziehungen als der dortige Felozng ist der Entschluß der Franzosen, den Krieg nach Arran hinüberzutragen. Sie beanspruchen über dieses Reich kraft eines Vertrages, dessen Giltigkeit vom Pekinger Hofe niemals anerkannt worden ist, die Schutzherrschaft.. Der vor kurzem verstorbene König oder Kaiser soll, sich bewußt, daß er gleich seinen Vorgängern auf dem Throne von Anuam ein Grenzboten III. 1883. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/497>, abgerufen am 08.09.2024.