Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Frankreich, Arran und Lhina.

einigen Jahren den Grafen von Paris nach Frohsdorf führte, und dessen Unter¬
werfung unter den no/ die Fusion nur halb vollendet hätte. Der Herzog von
Anmale weigerte sich damals, der Sache beizutreten. Die Familie Orleans
zeigte damit eine Vorsicht, die an das Verhalten hochschottischer Häuptlinge im
vorigen Jahrhundert erinnerte, bei welchen immer der eine Bruder für das
Recht des Kurfürsten von Hannover kämpfte, während der andre im Heere des
Chevaliers Charley, des Gegenkönigs, diente, sodaß, was auch Passiren mochte,
die Güter immer bei der Familie verblieben. Schwachmütige Herzen erreichen
nur selten glänzende Auszeichnungen, und diese übergroße Vorsicht der Familie
Orleans hat ihr allenthalben Mißtrauen erweckt; die Republik gestattet ihr nicht,
dem Staate zu dienen, und der "König," den sie nnr zögernd und nicht in allen
ihrer Mitglieder anerkannte, nahm sie nnr ungern und vielleicht mit Hinter¬
gedanken als legitime Erbin seiner Rechte an.




Frankreich, Arran und (Lhina.

le neue französische Ausdehnungspolitik, die sich erst ans Tunis,
dann auf Madagaskar und Tonkin warf und zu gleicher Zeit im
Thale des Kongo den Grundstein zu einem afrikanischen Kolonial¬
reiche zu legen versuchte, ist ein vergleichsweise ziemlich junges
Erzeugnis der staatsmännischen Kreise in Paris. Wenigstens gilt
dies von der Energie, mit der sie jetzt betrieben wird. Auf große Niederlagen
und Gebietsverluste folgte eine Periode der Ruhe, die von Befürchtungen ge¬
boten war, welche der Sieger einflößte. Diese Befürchtungen wurden von der
Erfahrung zerstreut, und daneben machte das Bewußtsein, für alle Fälle ge¬
rüstet zu sein, gleichfalls sicherer. Man fühlte sich nicht mehr von außen her
bedroht, man fühlte sich stark, und man wurde daraufhin unternehmungslustig.
Die Politiker, welche die Angelegenheiten Frankreichs leiten und verwalte",
warfen ihr Auge auf entfernte Länder und Inseln, um nach Entschädigung für
die Verminderung der Macht und Größe in der Heimat zu suchen, und bald
sah man Operationen zu diesem Zwecke sich vorbereiten. Waddington setzte die
Grundsätze, welche bei diesen Unternehmungen leiteten, im Juli vorigen Jahres
dem Senate in großer Rede auseinander. Nachdem er mit kräftigen Worten
die Politik der Isolirung und Unthätigkeit verurteilt hatte, hob er mit gleichem
Eifer die Notwendigkeit hervor, die neugewonnenen Kräfte Frankreichs zur Er¬
werbung von Kolonien zu verwenden. Zunächst deutete er auf die Südküste


Frankreich, Arran und Lhina.

einigen Jahren den Grafen von Paris nach Frohsdorf führte, und dessen Unter¬
werfung unter den no/ die Fusion nur halb vollendet hätte. Der Herzog von
Anmale weigerte sich damals, der Sache beizutreten. Die Familie Orleans
zeigte damit eine Vorsicht, die an das Verhalten hochschottischer Häuptlinge im
vorigen Jahrhundert erinnerte, bei welchen immer der eine Bruder für das
Recht des Kurfürsten von Hannover kämpfte, während der andre im Heere des
Chevaliers Charley, des Gegenkönigs, diente, sodaß, was auch Passiren mochte,
die Güter immer bei der Familie verblieben. Schwachmütige Herzen erreichen
nur selten glänzende Auszeichnungen, und diese übergroße Vorsicht der Familie
Orleans hat ihr allenthalben Mißtrauen erweckt; die Republik gestattet ihr nicht,
dem Staate zu dienen, und der „König," den sie nnr zögernd und nicht in allen
ihrer Mitglieder anerkannte, nahm sie nnr ungern und vielleicht mit Hinter¬
gedanken als legitime Erbin seiner Rechte an.




Frankreich, Arran und (Lhina.

le neue französische Ausdehnungspolitik, die sich erst ans Tunis,
dann auf Madagaskar und Tonkin warf und zu gleicher Zeit im
Thale des Kongo den Grundstein zu einem afrikanischen Kolonial¬
reiche zu legen versuchte, ist ein vergleichsweise ziemlich junges
Erzeugnis der staatsmännischen Kreise in Paris. Wenigstens gilt
dies von der Energie, mit der sie jetzt betrieben wird. Auf große Niederlagen
und Gebietsverluste folgte eine Periode der Ruhe, die von Befürchtungen ge¬
boten war, welche der Sieger einflößte. Diese Befürchtungen wurden von der
Erfahrung zerstreut, und daneben machte das Bewußtsein, für alle Fälle ge¬
rüstet zu sein, gleichfalls sicherer. Man fühlte sich nicht mehr von außen her
bedroht, man fühlte sich stark, und man wurde daraufhin unternehmungslustig.
Die Politiker, welche die Angelegenheiten Frankreichs leiten und verwalte»,
warfen ihr Auge auf entfernte Länder und Inseln, um nach Entschädigung für
die Verminderung der Macht und Größe in der Heimat zu suchen, und bald
sah man Operationen zu diesem Zwecke sich vorbereiten. Waddington setzte die
Grundsätze, welche bei diesen Unternehmungen leiteten, im Juli vorigen Jahres
dem Senate in großer Rede auseinander. Nachdem er mit kräftigen Worten
die Politik der Isolirung und Unthätigkeit verurteilt hatte, hob er mit gleichem
Eifer die Notwendigkeit hervor, die neugewonnenen Kräfte Frankreichs zur Er¬
werbung von Kolonien zu verwenden. Zunächst deutete er auf die Südküste


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153942"/>
          <fw type="header" place="top"> Frankreich, Arran und Lhina.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2207" prev="#ID_2206"> einigen Jahren den Grafen von Paris nach Frohsdorf führte, und dessen Unter¬<lb/>
werfung unter den no/ die Fusion nur halb vollendet hätte. Der Herzog von<lb/>
Anmale weigerte sich damals, der Sache beizutreten. Die Familie Orleans<lb/>
zeigte damit eine Vorsicht, die an das Verhalten hochschottischer Häuptlinge im<lb/>
vorigen Jahrhundert erinnerte, bei welchen immer der eine Bruder für das<lb/>
Recht des Kurfürsten von Hannover kämpfte, während der andre im Heere des<lb/>
Chevaliers Charley, des Gegenkönigs, diente, sodaß, was auch Passiren mochte,<lb/>
die Güter immer bei der Familie verblieben. Schwachmütige Herzen erreichen<lb/>
nur selten glänzende Auszeichnungen, und diese übergroße Vorsicht der Familie<lb/>
Orleans hat ihr allenthalben Mißtrauen erweckt; die Republik gestattet ihr nicht,<lb/>
dem Staate zu dienen, und der &#x201E;König," den sie nnr zögernd und nicht in allen<lb/>
ihrer Mitglieder anerkannte, nahm sie nnr ungern und vielleicht mit Hinter¬<lb/>
gedanken als legitime Erbin seiner Rechte an.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Frankreich, Arran und (Lhina.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2208" next="#ID_2209"> le neue französische Ausdehnungspolitik, die sich erst ans Tunis,<lb/>
dann auf Madagaskar und Tonkin warf und zu gleicher Zeit im<lb/>
Thale des Kongo den Grundstein zu einem afrikanischen Kolonial¬<lb/>
reiche zu legen versuchte, ist ein vergleichsweise ziemlich junges<lb/>
Erzeugnis der staatsmännischen Kreise in Paris. Wenigstens gilt<lb/>
dies von der Energie, mit der sie jetzt betrieben wird. Auf große Niederlagen<lb/>
und Gebietsverluste folgte eine Periode der Ruhe, die von Befürchtungen ge¬<lb/>
boten war, welche der Sieger einflößte. Diese Befürchtungen wurden von der<lb/>
Erfahrung zerstreut, und daneben machte das Bewußtsein, für alle Fälle ge¬<lb/>
rüstet zu sein, gleichfalls sicherer. Man fühlte sich nicht mehr von außen her<lb/>
bedroht, man fühlte sich stark, und man wurde daraufhin unternehmungslustig.<lb/>
Die Politiker, welche die Angelegenheiten Frankreichs leiten und verwalte»,<lb/>
warfen ihr Auge auf entfernte Länder und Inseln, um nach Entschädigung für<lb/>
die Verminderung der Macht und Größe in der Heimat zu suchen, und bald<lb/>
sah man Operationen zu diesem Zwecke sich vorbereiten. Waddington setzte die<lb/>
Grundsätze, welche bei diesen Unternehmungen leiteten, im Juli vorigen Jahres<lb/>
dem Senate in großer Rede auseinander. Nachdem er mit kräftigen Worten<lb/>
die Politik der Isolirung und Unthätigkeit verurteilt hatte, hob er mit gleichem<lb/>
Eifer die Notwendigkeit hervor, die neugewonnenen Kräfte Frankreichs zur Er¬<lb/>
werbung von Kolonien zu verwenden. Zunächst deutete er auf die Südküste</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Frankreich, Arran und Lhina. einigen Jahren den Grafen von Paris nach Frohsdorf führte, und dessen Unter¬ werfung unter den no/ die Fusion nur halb vollendet hätte. Der Herzog von Anmale weigerte sich damals, der Sache beizutreten. Die Familie Orleans zeigte damit eine Vorsicht, die an das Verhalten hochschottischer Häuptlinge im vorigen Jahrhundert erinnerte, bei welchen immer der eine Bruder für das Recht des Kurfürsten von Hannover kämpfte, während der andre im Heere des Chevaliers Charley, des Gegenkönigs, diente, sodaß, was auch Passiren mochte, die Güter immer bei der Familie verblieben. Schwachmütige Herzen erreichen nur selten glänzende Auszeichnungen, und diese übergroße Vorsicht der Familie Orleans hat ihr allenthalben Mißtrauen erweckt; die Republik gestattet ihr nicht, dem Staate zu dienen, und der „König," den sie nnr zögernd und nicht in allen ihrer Mitglieder anerkannte, nahm sie nnr ungern und vielleicht mit Hinter¬ gedanken als legitime Erbin seiner Rechte an. Frankreich, Arran und (Lhina. le neue französische Ausdehnungspolitik, die sich erst ans Tunis, dann auf Madagaskar und Tonkin warf und zu gleicher Zeit im Thale des Kongo den Grundstein zu einem afrikanischen Kolonial¬ reiche zu legen versuchte, ist ein vergleichsweise ziemlich junges Erzeugnis der staatsmännischen Kreise in Paris. Wenigstens gilt dies von der Energie, mit der sie jetzt betrieben wird. Auf große Niederlagen und Gebietsverluste folgte eine Periode der Ruhe, die von Befürchtungen ge¬ boten war, welche der Sieger einflößte. Diese Befürchtungen wurden von der Erfahrung zerstreut, und daneben machte das Bewußtsein, für alle Fälle ge¬ rüstet zu sein, gleichfalls sicherer. Man fühlte sich nicht mehr von außen her bedroht, man fühlte sich stark, und man wurde daraufhin unternehmungslustig. Die Politiker, welche die Angelegenheiten Frankreichs leiten und verwalte», warfen ihr Auge auf entfernte Länder und Inseln, um nach Entschädigung für die Verminderung der Macht und Größe in der Heimat zu suchen, und bald sah man Operationen zu diesem Zwecke sich vorbereiten. Waddington setzte die Grundsätze, welche bei diesen Unternehmungen leiteten, im Juli vorigen Jahres dem Senate in großer Rede auseinander. Nachdem er mit kräftigen Worten die Politik der Isolirung und Unthätigkeit verurteilt hatte, hob er mit gleichem Eifer die Notwendigkeit hervor, die neugewonnenen Kräfte Frankreichs zur Er¬ werbung von Kolonien zu verwenden. Zunächst deutete er auf die Südküste

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/495>, abgerufen am 08.09.2024.