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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Graf Lhambord -j-.

Anmänner, Malagassen und Kongoncger wettznmachen. Aber zu gleicher Zeit
zu viele Töpfe am Feuer zu huben, ist, mögen sie mich klein sei", gefährliche
Politik. Alle fernen Kolonien, zu denen keine Telegraphenleitung hinführt,
hängen von der Fähigkeit untergeordneter Beamten im Beurteilen der Lage ab.
Unbeeinflußt und uutoutrvlirt durch den Draht, können die französischen Be¬
amten leicht die Operation vornehmen, die man "die Ehre der Fahne ver¬
pfänden" nennt. Nichts macht sich so rasch. Sehr bald ist im Verkehr mit
Wilden oder Halbwilden "eine Beleidigung, die mit Blut abgewaschen werden
muß," zustande gebracht. Natürlich können die uuzivilisirteu Feinde der Re-
publik in den Tropenländern nicht zur Belagerung von Paris verfahrenen, den
Franzosen ein paar Departements abnehmen und ihnen etliche Milliarden Kriegs-
steuer auferlegen; wohl aber können sie dieselben nötigen, Monate und Jahre
hindurch Menschen und Geld zu opfern, indem sie sie zu kleinen Kriegen zwingen,
die sie für große Kriege in Europa lahmen. Napoleon III. hielt deu Kampf
mit der Republik Mexiko zuerst für eine Kleinigkeit, aber die Verluste, die lange
Dauer und die Niederlagen desselben wirkten auf seine Finanzen so nachteilig
ein und schwachem die Schlagfertigkeit seiner Armee so erheblich, daß er 1866
noch nicht so viel Kräfte wieder gesammelt hatte, um das Ergebnis von KönigS-
grätz anfechten zu können. So kann auch die Republik zu Falle kommen, wo
uicht durch eine einzige Katastrophe, so doch durch mehrere mißlungene Unter¬
nehmungen.

Es ist uicht völlig sicher, daß alle Legitimisten den Grafen von Paris als
Erben der Rechte des Grafen Chambord annehmen werden. Nicht wenige
scheinen dem Enkel Ludwig Philipps Don Carlos, den spanischen Kronpräten¬
denten, vorzuziehen, der nach dem Ableben des Grafen Chambord der legitime
Erbe der Bourbonen ist, da er von dem ältesten Sohne Ludwigs XIII. abstammt,
während der Graf vou Paris den zweiten zum Stammvater hat. Hütte Don
Carlos mit feinem Versuche, sich den spanischen Thron zu erobern, Erfolg ge¬
habt, so würde er keinen Anspruch auf die französische Krone zu erheben befugt
sein; denn im Utrechter Friedensverträge willigte Ludwig XIV. in seinem eignen
und seiner Nachkommen Namen in die Bestimmung, daß die Kronen Frankreichs
und Spaniens niemals auf einem und demselben Haupte vereinigt werden sollten.
Da der bourbonische Prinz aber Spanien verloren hat, so konnte er glauben,
daß er sich seiner Erbrechte auf Frankreich bedienen dürfte, um die eine der
beiden Kronen zu gewinnen. Er ist unternehmungslustig und dreist, macht sich
aus Blutvergießen kein Gewissen und will durchaus nichts vou dem Konstitu-
tionalismus wissen, den Ludwig Philipp auf seine Söhne und Enkel vererbt
hat, und der in den Angen der alten Royalisten von echtem Schrot und Korn
ungefähr wie ein Charaktcrfleck aussieht. Es würde die Komödie der franzö¬
sischen Politik vervollständigen, wenn die Bourbonen nach dem Ableben ihres
bisherigen Hauptes geteilt blieben. Es heißt sogar, daß die Reise, die vor


Graf Lhambord -j-.

Anmänner, Malagassen und Kongoncger wettznmachen. Aber zu gleicher Zeit
zu viele Töpfe am Feuer zu huben, ist, mögen sie mich klein sei», gefährliche
Politik. Alle fernen Kolonien, zu denen keine Telegraphenleitung hinführt,
hängen von der Fähigkeit untergeordneter Beamten im Beurteilen der Lage ab.
Unbeeinflußt und uutoutrvlirt durch den Draht, können die französischen Be¬
amten leicht die Operation vornehmen, die man „die Ehre der Fahne ver¬
pfänden" nennt. Nichts macht sich so rasch. Sehr bald ist im Verkehr mit
Wilden oder Halbwilden „eine Beleidigung, die mit Blut abgewaschen werden
muß," zustande gebracht. Natürlich können die uuzivilisirteu Feinde der Re-
publik in den Tropenländern nicht zur Belagerung von Paris verfahrenen, den
Franzosen ein paar Departements abnehmen und ihnen etliche Milliarden Kriegs-
steuer auferlegen; wohl aber können sie dieselben nötigen, Monate und Jahre
hindurch Menschen und Geld zu opfern, indem sie sie zu kleinen Kriegen zwingen,
die sie für große Kriege in Europa lahmen. Napoleon III. hielt deu Kampf
mit der Republik Mexiko zuerst für eine Kleinigkeit, aber die Verluste, die lange
Dauer und die Niederlagen desselben wirkten auf seine Finanzen so nachteilig
ein und schwachem die Schlagfertigkeit seiner Armee so erheblich, daß er 1866
noch nicht so viel Kräfte wieder gesammelt hatte, um das Ergebnis von KönigS-
grätz anfechten zu können. So kann auch die Republik zu Falle kommen, wo
uicht durch eine einzige Katastrophe, so doch durch mehrere mißlungene Unter¬
nehmungen.

Es ist uicht völlig sicher, daß alle Legitimisten den Grafen von Paris als
Erben der Rechte des Grafen Chambord annehmen werden. Nicht wenige
scheinen dem Enkel Ludwig Philipps Don Carlos, den spanischen Kronpräten¬
denten, vorzuziehen, der nach dem Ableben des Grafen Chambord der legitime
Erbe der Bourbonen ist, da er von dem ältesten Sohne Ludwigs XIII. abstammt,
während der Graf vou Paris den zweiten zum Stammvater hat. Hütte Don
Carlos mit feinem Versuche, sich den spanischen Thron zu erobern, Erfolg ge¬
habt, so würde er keinen Anspruch auf die französische Krone zu erheben befugt
sein; denn im Utrechter Friedensverträge willigte Ludwig XIV. in seinem eignen
und seiner Nachkommen Namen in die Bestimmung, daß die Kronen Frankreichs
und Spaniens niemals auf einem und demselben Haupte vereinigt werden sollten.
Da der bourbonische Prinz aber Spanien verloren hat, so konnte er glauben,
daß er sich seiner Erbrechte auf Frankreich bedienen dürfte, um die eine der
beiden Kronen zu gewinnen. Er ist unternehmungslustig und dreist, macht sich
aus Blutvergießen kein Gewissen und will durchaus nichts vou dem Konstitu-
tionalismus wissen, den Ludwig Philipp auf seine Söhne und Enkel vererbt
hat, und der in den Angen der alten Royalisten von echtem Schrot und Korn
ungefähr wie ein Charaktcrfleck aussieht. Es würde die Komödie der franzö¬
sischen Politik vervollständigen, wenn die Bourbonen nach dem Ableben ihres
bisherigen Hauptes geteilt blieben. Es heißt sogar, daß die Reise, die vor


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[0494] Graf Lhambord -j-. Anmänner, Malagassen und Kongoncger wettznmachen. Aber zu gleicher Zeit zu viele Töpfe am Feuer zu huben, ist, mögen sie mich klein sei», gefährliche Politik. Alle fernen Kolonien, zu denen keine Telegraphenleitung hinführt, hängen von der Fähigkeit untergeordneter Beamten im Beurteilen der Lage ab. Unbeeinflußt und uutoutrvlirt durch den Draht, können die französischen Be¬ amten leicht die Operation vornehmen, die man „die Ehre der Fahne ver¬ pfänden" nennt. Nichts macht sich so rasch. Sehr bald ist im Verkehr mit Wilden oder Halbwilden „eine Beleidigung, die mit Blut abgewaschen werden muß," zustande gebracht. Natürlich können die uuzivilisirteu Feinde der Re- publik in den Tropenländern nicht zur Belagerung von Paris verfahrenen, den Franzosen ein paar Departements abnehmen und ihnen etliche Milliarden Kriegs- steuer auferlegen; wohl aber können sie dieselben nötigen, Monate und Jahre hindurch Menschen und Geld zu opfern, indem sie sie zu kleinen Kriegen zwingen, die sie für große Kriege in Europa lahmen. Napoleon III. hielt deu Kampf mit der Republik Mexiko zuerst für eine Kleinigkeit, aber die Verluste, die lange Dauer und die Niederlagen desselben wirkten auf seine Finanzen so nachteilig ein und schwachem die Schlagfertigkeit seiner Armee so erheblich, daß er 1866 noch nicht so viel Kräfte wieder gesammelt hatte, um das Ergebnis von KönigS- grätz anfechten zu können. So kann auch die Republik zu Falle kommen, wo uicht durch eine einzige Katastrophe, so doch durch mehrere mißlungene Unter¬ nehmungen. Es ist uicht völlig sicher, daß alle Legitimisten den Grafen von Paris als Erben der Rechte des Grafen Chambord annehmen werden. Nicht wenige scheinen dem Enkel Ludwig Philipps Don Carlos, den spanischen Kronpräten¬ denten, vorzuziehen, der nach dem Ableben des Grafen Chambord der legitime Erbe der Bourbonen ist, da er von dem ältesten Sohne Ludwigs XIII. abstammt, während der Graf vou Paris den zweiten zum Stammvater hat. Hütte Don Carlos mit feinem Versuche, sich den spanischen Thron zu erobern, Erfolg ge¬ habt, so würde er keinen Anspruch auf die französische Krone zu erheben befugt sein; denn im Utrechter Friedensverträge willigte Ludwig XIV. in seinem eignen und seiner Nachkommen Namen in die Bestimmung, daß die Kronen Frankreichs und Spaniens niemals auf einem und demselben Haupte vereinigt werden sollten. Da der bourbonische Prinz aber Spanien verloren hat, so konnte er glauben, daß er sich seiner Erbrechte auf Frankreich bedienen dürfte, um die eine der beiden Kronen zu gewinnen. Er ist unternehmungslustig und dreist, macht sich aus Blutvergießen kein Gewissen und will durchaus nichts vou dem Konstitu- tionalismus wissen, den Ludwig Philipp auf seine Söhne und Enkel vererbt hat, und der in den Angen der alten Royalisten von echtem Schrot und Korn ungefähr wie ein Charaktcrfleck aussieht. Es würde die Komödie der franzö¬ sischen Politik vervollständigen, wenn die Bourbonen nach dem Ableben ihres bisherigen Hauptes geteilt blieben. Es heißt sogar, daß die Reise, die vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/494>, abgerufen am 08.09.2024.