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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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L. L. podis Haydn> Biographie.

gewirkt hatte, so hat er sich dann eingebildet, er habe ihn dort gesehen. --
I, 45 spricht Pohl vom Gebrauch der Trompeten in den Kirchen und berichtet,
daß es 1754 in Wien untersagt, oder doch auf das "Klarinblasen" einge¬
schränkt worden sei. Dies letztere, meint er, habe auf der Anwendung von
Trompeten mit Dampfern beruht. Aber das Klarinblasen wurde nicht durch
eine mechanische Veränderung des Instruments bewirkt, sondern durch die be¬
sondre Behandlung Vonseiten des Blasenden. Es war das gesangreiche Blasen
im höhern Tongebiete und mit besonders Heller Tongebung; ein eigner, schwierig
zu erlernender Ansatz war dazu erforderlich. Ihm gegenüber stand das natura¬
listische Schmettern des Prinzipalblasens; dieses also wurde damals als un¬
würdig aus den Kirchen verbannt, jenes mit seinem weichen, schmiegsamen Wesen
konnte bleiben. Was die Sortiren betrifft, so liegt es in der Natur der Sache,
daß man sie vorzugsweise nur beim Klarinblasen anwendete: sie waren geeignet,
der Melodie eine besondre Farbe zu geben, während sie beim Prinzipalblasen
die Entfaltung der Eigentümlichkeit desselben nur hinderten. In diesem Sinne
wird Matthesons oft zitirter Ausspruch zu verstehen sein. -- S. 234 ff. des
ersten Bandes bin ich an einigen Namen des Festspiels "Acide" hängen ge¬
blieben. Heißt die Freundin der Galatea wirklich Glance, wie Pohl immerfort
schreibt, sodaß ein Druckfehler nicht angenommen werden kann? Ich denke:
Glance oder richtiger wohl noch /Ä""^, die homerische NereideV Ist
S. 235 Tethys, die Gemahlin des Okeanos, oder die Nereide Thetis gemeint?
Vermutlich die erstere. -- II, 12 wird erzählt, Diwaldt habe in EsterhZz bis
1785 aufgeführt "Fiesco," "Kabale und Liebe" und "Maria Stuart." Wer
war der Verfasser dieser "Maria Stuart"? Die Schillersche kann nicht gemeint
sein, da sie ihre erste Aufführung am 14. Juni 1800 erfuhr. -- Nicht genug
gethan hat mir, was I, 269 über Elslers Kopie" gesagt wird. "Er schrieb
eine äußerst reinliche, sorgfältige Notenschrift." Damit ist allerdings, genan
genommen, mir über die äußere Erscheinung seiner Schrift ein Urteil abgegeben.
Aber man wird doch leicht geneigt sein, jenen Satz auch auf die Richtigkeit der
Kopien zu beziehen. In diesem Punkte habe ich bis jetzt von Elster eine durchaus
günstige Meinung nicht gewinnen können. In meinem Besitz befindet sich eine
Abschrift der Sinfonie (Ur. 2 der sechs Pariser Sinfonien), eopiss
Mr MsIör Ooxists Ah 1s 26 ^um 1803 a MsiznstAät su Honssi'is.
Sie stammt aus dem Nachlasse Lessels, der um diese Zeit Haydns Schüler war,
und hat, als unmittelbar vom Autograph genommen, urkundlichen Wert. Ihr
Äußeres ist wirklich sehr vertrauenerweckend, nicht ganz so ihr Inneres, das
allerhand Ungenauigkeiten und Fehler zeigt. Das Gcsamturteil über Elslers
Zuverlässigkeit mag immerhin ein günstiges sein müssen. Ein solches Urteil zu
fallen ist jetzt wohl keiner in gleichem Maße ausgerüstet wie Pohl. Gern hätte
man daher hierüber seine bestimmte Meinung erfahren. Die Sache ist für die
Überlieferung von Haydns Werken wichtig genug.


L. L. podis Haydn> Biographie.

gewirkt hatte, so hat er sich dann eingebildet, er habe ihn dort gesehen. —
I, 45 spricht Pohl vom Gebrauch der Trompeten in den Kirchen und berichtet,
daß es 1754 in Wien untersagt, oder doch auf das „Klarinblasen" einge¬
schränkt worden sei. Dies letztere, meint er, habe auf der Anwendung von
Trompeten mit Dampfern beruht. Aber das Klarinblasen wurde nicht durch
eine mechanische Veränderung des Instruments bewirkt, sondern durch die be¬
sondre Behandlung Vonseiten des Blasenden. Es war das gesangreiche Blasen
im höhern Tongebiete und mit besonders Heller Tongebung; ein eigner, schwierig
zu erlernender Ansatz war dazu erforderlich. Ihm gegenüber stand das natura¬
listische Schmettern des Prinzipalblasens; dieses also wurde damals als un¬
würdig aus den Kirchen verbannt, jenes mit seinem weichen, schmiegsamen Wesen
konnte bleiben. Was die Sortiren betrifft, so liegt es in der Natur der Sache,
daß man sie vorzugsweise nur beim Klarinblasen anwendete: sie waren geeignet,
der Melodie eine besondre Farbe zu geben, während sie beim Prinzipalblasen
die Entfaltung der Eigentümlichkeit desselben nur hinderten. In diesem Sinne
wird Matthesons oft zitirter Ausspruch zu verstehen sein. — S. 234 ff. des
ersten Bandes bin ich an einigen Namen des Festspiels „Acide" hängen ge¬
blieben. Heißt die Freundin der Galatea wirklich Glance, wie Pohl immerfort
schreibt, sodaß ein Druckfehler nicht angenommen werden kann? Ich denke:
Glance oder richtiger wohl noch /Ä««^, die homerische NereideV Ist
S. 235 Tethys, die Gemahlin des Okeanos, oder die Nereide Thetis gemeint?
Vermutlich die erstere. — II, 12 wird erzählt, Diwaldt habe in EsterhZz bis
1785 aufgeführt „Fiesco," „Kabale und Liebe" und „Maria Stuart." Wer
war der Verfasser dieser „Maria Stuart"? Die Schillersche kann nicht gemeint
sein, da sie ihre erste Aufführung am 14. Juni 1800 erfuhr. — Nicht genug
gethan hat mir, was I, 269 über Elslers Kopie» gesagt wird. „Er schrieb
eine äußerst reinliche, sorgfältige Notenschrift." Damit ist allerdings, genan
genommen, mir über die äußere Erscheinung seiner Schrift ein Urteil abgegeben.
Aber man wird doch leicht geneigt sein, jenen Satz auch auf die Richtigkeit der
Kopien zu beziehen. In diesem Punkte habe ich bis jetzt von Elster eine durchaus
günstige Meinung nicht gewinnen können. In meinem Besitz befindet sich eine
Abschrift der Sinfonie (Ur. 2 der sechs Pariser Sinfonien), eopiss
Mr MsIör Ooxists Ah 1s 26 ^um 1803 a MsiznstAät su Honssi'is.
Sie stammt aus dem Nachlasse Lessels, der um diese Zeit Haydns Schüler war,
und hat, als unmittelbar vom Autograph genommen, urkundlichen Wert. Ihr
Äußeres ist wirklich sehr vertrauenerweckend, nicht ganz so ihr Inneres, das
allerhand Ungenauigkeiten und Fehler zeigt. Das Gcsamturteil über Elslers
Zuverlässigkeit mag immerhin ein günstiges sein müssen. Ein solches Urteil zu
fallen ist jetzt wohl keiner in gleichem Maße ausgerüstet wie Pohl. Gern hätte
man daher hierüber seine bestimmte Meinung erfahren. Die Sache ist für die
Überlieferung von Haydns Werken wichtig genug.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/461>, abgerufen am 08.09.2024.