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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Friedrich breitet.

entfaltende Künstlernatur bannte, nur allzu typisch für die Lage der Künstler
und Gelehrten an zahlreichen deutschen Orten gewesen ist, wo man doch den auf¬
richtigen Wunsch hegte, Kunst und Wissenschaft zu schützen und zu fördern,
so mußte die Sehnsucht nach den Zentralpunkten, die Überzeugung, daß fern
von diesen Zentralpunkten kein Leben und kein Heil sei, zu ihrer gegenwärtigen
Stärke gedeihen. Es ist hier nicht der Ort, die schlimmen Resultate dieser
Wendung einzeln aufzuzählen, man empfindet sie auch da, wo man seiner
Zeit mit freierem Urteil und etwas größerer Liberalität die gesunden Zustände
hätte erhalten können, jetzt bitter genug.

Auf der andern Seite widerlegt Prellers weiterer Lebensgang und seine
wenig beirrte, durch und durch naturgemäße und immer größere geistige Ent¬
faltung die Behauptungen derjenigen, welche von dem Glänze und der Fülle
des äußern Lebens den Schwung und die Gesundheit der Schöpfung abhängig
machen wollen. Nachdem Preller in den Jahren 1832--1834 die ersten Fresken,
den ältesten Bildcrcyklus zur homerischen Odyssee im römischen Hause zu Leipzig
ausgeführt, der ihm die Mittel zur Gründung seines Hauses gab, nachdem er
um die Mitte der dreißiger Jahre in der phantastischen orientalischen Land¬
schaft des Wielandzimmers im Weimarischen Residenzschloß seine Studien aus
dem Süden noch einmal verwertet, kam seine "nordische Periode," in der die
größte Zahl seiner Staffeleibilder entstand. Seine Studienreisen erstreckten sich
zwei Jahrzehnte hindurch hauptsächlich nach Thüringen, der Rhön, nach Rügen
und Norwegen, seine Bilder stellten abwechselnd deutsche Wald- und Gebirgs-
szencn und Felscnlandschaften am Meere wie das Meer selbst mit großartiger
Phantasie und einer Meisterschaft der Ausführung dar, welche in einem kleinen
Kreise wirklicher Kunstkenner und Kunstfreunde längst bekannt und anerkannt
war, ehe das große Publikum auch nur Prellers Namen kennen lernte.

Dies ist die Periode in Prcllcrs Leben, welche in Roquettes Darstellung
am kürzesten und zu sehr als Durchgangspunkt behandelt erscheint. Ein Viertel¬
jahrhundert aber ist in keinem thätigen und tüchtigen Leben eine bloße Über¬
gangszeit. Roquette selbst betont es, daß, "wenn ein Künstler wie Preller in
einem bestimmten Stoffkreis einmal eine Vollendung erreicht hat, er auch seine
ganze künstlerische Hingabe an die Werke gesetzt haben muß. Es lag eben in
Prellers Natur ein stark und groß ausgeprägter Gegensatz. Der germanische
Zug nach dem phantastisch Elementaren, düster Bewegten und Ergreifenden
wollte sein Recht haben." Ja es scheint uns, als ob die einfachen, schwer¬
mütigen Vorwürfe, denen Preller damals in seinen landschaftlichen Darstellungen
den Vorzug gab, in einem tiefern Zusammenhange mit dem äußern und innern
Leben des Künstlers gestanden hätten, als wie die Biographie andeutet. Wir
billigen es gewiß, daß Roquette sich nicht der Sitte neuester Lebensbeschreiber
angeschlossen hat, welche das private Leben mit seinen- Freuden, Leiden und
wechselnden Stimmungen rücksichts- und pietätlos in den Kreis öffentlicher


Grenzboten III. 1833. 5
Friedrich breitet.

entfaltende Künstlernatur bannte, nur allzu typisch für die Lage der Künstler
und Gelehrten an zahlreichen deutschen Orten gewesen ist, wo man doch den auf¬
richtigen Wunsch hegte, Kunst und Wissenschaft zu schützen und zu fördern,
so mußte die Sehnsucht nach den Zentralpunkten, die Überzeugung, daß fern
von diesen Zentralpunkten kein Leben und kein Heil sei, zu ihrer gegenwärtigen
Stärke gedeihen. Es ist hier nicht der Ort, die schlimmen Resultate dieser
Wendung einzeln aufzuzählen, man empfindet sie auch da, wo man seiner
Zeit mit freierem Urteil und etwas größerer Liberalität die gesunden Zustände
hätte erhalten können, jetzt bitter genug.

Auf der andern Seite widerlegt Prellers weiterer Lebensgang und seine
wenig beirrte, durch und durch naturgemäße und immer größere geistige Ent¬
faltung die Behauptungen derjenigen, welche von dem Glänze und der Fülle
des äußern Lebens den Schwung und die Gesundheit der Schöpfung abhängig
machen wollen. Nachdem Preller in den Jahren 1832—1834 die ersten Fresken,
den ältesten Bildcrcyklus zur homerischen Odyssee im römischen Hause zu Leipzig
ausgeführt, der ihm die Mittel zur Gründung seines Hauses gab, nachdem er
um die Mitte der dreißiger Jahre in der phantastischen orientalischen Land¬
schaft des Wielandzimmers im Weimarischen Residenzschloß seine Studien aus
dem Süden noch einmal verwertet, kam seine „nordische Periode," in der die
größte Zahl seiner Staffeleibilder entstand. Seine Studienreisen erstreckten sich
zwei Jahrzehnte hindurch hauptsächlich nach Thüringen, der Rhön, nach Rügen
und Norwegen, seine Bilder stellten abwechselnd deutsche Wald- und Gebirgs-
szencn und Felscnlandschaften am Meere wie das Meer selbst mit großartiger
Phantasie und einer Meisterschaft der Ausführung dar, welche in einem kleinen
Kreise wirklicher Kunstkenner und Kunstfreunde längst bekannt und anerkannt
war, ehe das große Publikum auch nur Prellers Namen kennen lernte.

Dies ist die Periode in Prcllcrs Leben, welche in Roquettes Darstellung
am kürzesten und zu sehr als Durchgangspunkt behandelt erscheint. Ein Viertel¬
jahrhundert aber ist in keinem thätigen und tüchtigen Leben eine bloße Über¬
gangszeit. Roquette selbst betont es, daß, „wenn ein Künstler wie Preller in
einem bestimmten Stoffkreis einmal eine Vollendung erreicht hat, er auch seine
ganze künstlerische Hingabe an die Werke gesetzt haben muß. Es lag eben in
Prellers Natur ein stark und groß ausgeprägter Gegensatz. Der germanische
Zug nach dem phantastisch Elementaren, düster Bewegten und Ergreifenden
wollte sein Recht haben." Ja es scheint uns, als ob die einfachen, schwer¬
mütigen Vorwürfe, denen Preller damals in seinen landschaftlichen Darstellungen
den Vorzug gab, in einem tiefern Zusammenhange mit dem äußern und innern
Leben des Künstlers gestanden hätten, als wie die Biographie andeutet. Wir
billigen es gewiß, daß Roquette sich nicht der Sitte neuester Lebensbeschreiber
angeschlossen hat, welche das private Leben mit seinen- Freuden, Leiden und
wechselnden Stimmungen rücksichts- und pietätlos in den Kreis öffentlicher


Grenzboten III. 1833. 5
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[0041] Friedrich breitet. entfaltende Künstlernatur bannte, nur allzu typisch für die Lage der Künstler und Gelehrten an zahlreichen deutschen Orten gewesen ist, wo man doch den auf¬ richtigen Wunsch hegte, Kunst und Wissenschaft zu schützen und zu fördern, so mußte die Sehnsucht nach den Zentralpunkten, die Überzeugung, daß fern von diesen Zentralpunkten kein Leben und kein Heil sei, zu ihrer gegenwärtigen Stärke gedeihen. Es ist hier nicht der Ort, die schlimmen Resultate dieser Wendung einzeln aufzuzählen, man empfindet sie auch da, wo man seiner Zeit mit freierem Urteil und etwas größerer Liberalität die gesunden Zustände hätte erhalten können, jetzt bitter genug. Auf der andern Seite widerlegt Prellers weiterer Lebensgang und seine wenig beirrte, durch und durch naturgemäße und immer größere geistige Ent¬ faltung die Behauptungen derjenigen, welche von dem Glänze und der Fülle des äußern Lebens den Schwung und die Gesundheit der Schöpfung abhängig machen wollen. Nachdem Preller in den Jahren 1832—1834 die ersten Fresken, den ältesten Bildcrcyklus zur homerischen Odyssee im römischen Hause zu Leipzig ausgeführt, der ihm die Mittel zur Gründung seines Hauses gab, nachdem er um die Mitte der dreißiger Jahre in der phantastischen orientalischen Land¬ schaft des Wielandzimmers im Weimarischen Residenzschloß seine Studien aus dem Süden noch einmal verwertet, kam seine „nordische Periode," in der die größte Zahl seiner Staffeleibilder entstand. Seine Studienreisen erstreckten sich zwei Jahrzehnte hindurch hauptsächlich nach Thüringen, der Rhön, nach Rügen und Norwegen, seine Bilder stellten abwechselnd deutsche Wald- und Gebirgs- szencn und Felscnlandschaften am Meere wie das Meer selbst mit großartiger Phantasie und einer Meisterschaft der Ausführung dar, welche in einem kleinen Kreise wirklicher Kunstkenner und Kunstfreunde längst bekannt und anerkannt war, ehe das große Publikum auch nur Prellers Namen kennen lernte. Dies ist die Periode in Prcllcrs Leben, welche in Roquettes Darstellung am kürzesten und zu sehr als Durchgangspunkt behandelt erscheint. Ein Viertel¬ jahrhundert aber ist in keinem thätigen und tüchtigen Leben eine bloße Über¬ gangszeit. Roquette selbst betont es, daß, „wenn ein Künstler wie Preller in einem bestimmten Stoffkreis einmal eine Vollendung erreicht hat, er auch seine ganze künstlerische Hingabe an die Werke gesetzt haben muß. Es lag eben in Prellers Natur ein stark und groß ausgeprägter Gegensatz. Der germanische Zug nach dem phantastisch Elementaren, düster Bewegten und Ergreifenden wollte sein Recht haben." Ja es scheint uns, als ob die einfachen, schwer¬ mütigen Vorwürfe, denen Preller damals in seinen landschaftlichen Darstellungen den Vorzug gab, in einem tiefern Zusammenhange mit dem äußern und innern Leben des Künstlers gestanden hätten, als wie die Biographie andeutet. Wir billigen es gewiß, daß Roquette sich nicht der Sitte neuester Lebensbeschreiber angeschlossen hat, welche das private Leben mit seinen- Freuden, Leiden und wechselnden Stimmungen rücksichts- und pietätlos in den Kreis öffentlicher Grenzboten III. 1833. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/41>, abgerufen am 08.09.2024.