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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam nud das Projekt einer lveltausstellung in Berlin.

eine Eingabe an maßgebender Stelle empfohlen wurde, hat sich die Regierung
durchaus ablehnend dagegen Verhalten. Wir glauben, daß diese Abneigung
auch heute noch nach wie vor besteht, und sind zugleich der Ansicht, daß die
preußische Staatsregierung wohl daran thut, Berlin vor den unberechenbaren
Folgen einer Weltausstellung zu bewahren. Die Schwärmer für die letztere
weisen freilich hin auf die glänzenden Erfolge der Berliner Gewerbeausstelluug, der
Fischerei- und der Hygieineausstellung, von denen die beiden letztern internationalen
Charakter hatten. Aber die erstere war eine Lokalansstellnng, und die beiden andern
bewegten sich in den Grenzen eines einzelnen Faches. Es ist wahr, daß Berlin
sich während des letzten Jahrzehnts, und zwar, wie wir mit Stolz hinzufügen
dürfen, auf einer soliden Basis und in einem natürlichen Entwicklungsgange, zu
einer Großstadt ersten Ranges emporgeschwungen hat. Der vom Kaiserhause
ausgehende Glanz hat gewissermaßen seine Strahlen bis in die entferntesten
Winkel der Stadt geworfen. Seit dem Durchbruch der Kaiser-Wilhelmsstraße
giebt es keine dunkeln Punkte mehr in Berlin. Welche zweite Großstadt kaun
ein gleiches von sich behaupten? Keine zweite besitzt so schöne und breite
Straßen, keine zweite hat so große und rücksichtslose Opfer gebracht, um die
Physiognomie des Stadtbildes von Unregelmäßigkeiten zu befreien. Wo in
Paris der allgemeine Verkehr durch schwerfällige Omnibusse bewerkstelligt werden
muß, durchschneidet in Berlin ein wohlorganisirtes Netz von Pferdebahnlinieu
die Stadtteile, und dazu tritt das musterhafte, von aller Welt bewunderte In¬
stitut der Stadtbahn, welches alle Lücken in der Kontinuität des Verkehrs er¬
gänzt. Hotels, Restaurants und Vergnüguugsetablissements sind, um das inter¬
nationale Publikum auszunehmen, zu speisen und zu unterhalten, in ausreichender
Anzahl vorhanden. Die Autorität der deutschen Reichsregierung ist ebenfalls
hinlänglich, um alle Kulturstaaten der Erde zur Beteiligung an einer Welt¬
ausstellung in Berlin zu veranlassen. Nach diesen Seiten wäre also ebenfalls
eine genügende Garantie für das glückliche Gelingen des Planes geboten. Auch
ist an dem Fremdenzufluß, mit welchem eine Weltausstellung als mit dem
wichtigsten Faktor zu rechnen hat, nicht zu zweifeln, da der Fremdenverkehr in
Berlin, seitdem es Reichshauptstadt und zum Mittelpunkt der europäischen Po¬
litik geworden, schon in gewöhnlichen Zeiten eine außerordentliche Höhe erreicht.
Die Fremden werden zu ihrem großen Erstaunen gewahr, daß man in Berlin
billiger und besser lebt als in jeder andern Großstadt, und daß Berlin eine
solche Fülle von Annehmlichkeiten besitzt, daß sichs auch der verwöhnteste Aus¬
länder eine Zeit lang in der deutschen Reichshauptstadt wohl sein lassen kann.

Aber alle diese Borzüge reichen noch nicht aus, um auch für den mora¬
lischen Erfolg einer Weltausstellung die nötige Sicherheit zu bieten. Das ent¬
scheidende, am schwersten in das Gewicht fallende Moment ist die Platzfrage,
und diese kann nicht befriedigend gelöst werden. Es liegt in der Natur der
Weltausstellungen, daß jede folgende ihre Vorgängerin nach irgend einer Richtung


Die Ausstellung in Amsterdam nud das Projekt einer lveltausstellung in Berlin.

eine Eingabe an maßgebender Stelle empfohlen wurde, hat sich die Regierung
durchaus ablehnend dagegen Verhalten. Wir glauben, daß diese Abneigung
auch heute noch nach wie vor besteht, und sind zugleich der Ansicht, daß die
preußische Staatsregierung wohl daran thut, Berlin vor den unberechenbaren
Folgen einer Weltausstellung zu bewahren. Die Schwärmer für die letztere
weisen freilich hin auf die glänzenden Erfolge der Berliner Gewerbeausstelluug, der
Fischerei- und der Hygieineausstellung, von denen die beiden letztern internationalen
Charakter hatten. Aber die erstere war eine Lokalansstellnng, und die beiden andern
bewegten sich in den Grenzen eines einzelnen Faches. Es ist wahr, daß Berlin
sich während des letzten Jahrzehnts, und zwar, wie wir mit Stolz hinzufügen
dürfen, auf einer soliden Basis und in einem natürlichen Entwicklungsgange, zu
einer Großstadt ersten Ranges emporgeschwungen hat. Der vom Kaiserhause
ausgehende Glanz hat gewissermaßen seine Strahlen bis in die entferntesten
Winkel der Stadt geworfen. Seit dem Durchbruch der Kaiser-Wilhelmsstraße
giebt es keine dunkeln Punkte mehr in Berlin. Welche zweite Großstadt kaun
ein gleiches von sich behaupten? Keine zweite besitzt so schöne und breite
Straßen, keine zweite hat so große und rücksichtslose Opfer gebracht, um die
Physiognomie des Stadtbildes von Unregelmäßigkeiten zu befreien. Wo in
Paris der allgemeine Verkehr durch schwerfällige Omnibusse bewerkstelligt werden
muß, durchschneidet in Berlin ein wohlorganisirtes Netz von Pferdebahnlinieu
die Stadtteile, und dazu tritt das musterhafte, von aller Welt bewunderte In¬
stitut der Stadtbahn, welches alle Lücken in der Kontinuität des Verkehrs er¬
gänzt. Hotels, Restaurants und Vergnüguugsetablissements sind, um das inter¬
nationale Publikum auszunehmen, zu speisen und zu unterhalten, in ausreichender
Anzahl vorhanden. Die Autorität der deutschen Reichsregierung ist ebenfalls
hinlänglich, um alle Kulturstaaten der Erde zur Beteiligung an einer Welt¬
ausstellung in Berlin zu veranlassen. Nach diesen Seiten wäre also ebenfalls
eine genügende Garantie für das glückliche Gelingen des Planes geboten. Auch
ist an dem Fremdenzufluß, mit welchem eine Weltausstellung als mit dem
wichtigsten Faktor zu rechnen hat, nicht zu zweifeln, da der Fremdenverkehr in
Berlin, seitdem es Reichshauptstadt und zum Mittelpunkt der europäischen Po¬
litik geworden, schon in gewöhnlichen Zeiten eine außerordentliche Höhe erreicht.
Die Fremden werden zu ihrem großen Erstaunen gewahr, daß man in Berlin
billiger und besser lebt als in jeder andern Großstadt, und daß Berlin eine
solche Fülle von Annehmlichkeiten besitzt, daß sichs auch der verwöhnteste Aus¬
länder eine Zeit lang in der deutschen Reichshauptstadt wohl sein lassen kann.

Aber alle diese Borzüge reichen noch nicht aus, um auch für den mora¬
lischen Erfolg einer Weltausstellung die nötige Sicherheit zu bieten. Das ent¬
scheidende, am schwersten in das Gewicht fallende Moment ist die Platzfrage,
und diese kann nicht befriedigend gelöst werden. Es liegt in der Natur der
Weltausstellungen, daß jede folgende ihre Vorgängerin nach irgend einer Richtung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/400>, abgerufen am 08.09.2024.