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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

glaubt, daß diese Organe nicht unbeeinflußt von Personen gewesen sind, welche
auf auswärtigen Weltausstellungen Erfahrungen gesammelt haben und nun von
dem brennenden Wunsche beseelt werden, ihre Überlegenheit in diesen Dingen
auch in der Heimat glänzen zu lassen. Wir wollen indessen auf die Personen^
frage nicht weiter eingehen, sondern die beiden Projekte auf ihren sachlichen
Wert prüfen, wobei uns die zur Zeit in Amsterdam stattfindende Internationale
Kolonial- und Expvrtäusstellung das Jllustrationsmaterial liefern soll.

Vorerst sei noch ein Blick auf München erlaubt. Jene Männer, welche
sich ans Grund besonnener Erwägungen in Berlin vereinigt haben, sind, wie es
scheint, auch von dem Gefühl geleitet worden, daß sich Berlin in Dingen, bei
welchen es sich um die Initiative in kunstgewerblichen und Kunstfragen han¬
delt, nicht länger von München oder richtiger gesagt von einer kleinen Koterie
unternehmungslustiger Münchner Künstler bevormunden lassen dürfe. Dank der
vor keinem Risiko zurückschreckenden Thätigkeit dieser Herren soll sich München,
da es den Charakter einer Kunststadt nach und uach zu verlieren beginnt, we¬
nigstens zu einer Knnstansstellnngsstadt M- "xesIlMvö ausbilden, neben welcher
keine zweite Stadt Deutschlands mehr aufkommen soll. Da diese Superiorität
Münchens, wie wir schon in einem frühern Artikel ausgeführt beiden, durch
nichts begründet ist, und da man ferner bereits, um das künstliche Prestige auf¬
rechtzuerhalten, in München ein neues Ausstelluugsprojckt für 1885, welches
ebenfalls eine Vereinigung der kunstgewerblichen Erzeugnisse Deutschlands und
Österreichs bezweckt, in aller Stille vorbereitet haben soll, so erscheint das Vor¬
gehen der Berliner Vereinigung doppelt motivirt. Es liegt auf der Hand, daß
die letztere, zumal wenn der Staat die Angelegenheit zu der seinigen macht, un¬
gleich mehr Autorität besitzt, und daß sie zugleich für die übrigen deutschen
Staaten viel größere Garantien bietet als das Münchner Konsortium, dessen
Hast in der Jnszenirung von Ausstellungen dem durch dieselben verfolgten idealen
Ziele nicht förderlich sein kann.

Durch die zahlreichen Lokalausstellnngen, welche, 1878 in Hannover be¬
ginnend, in Leipzig, Berlin, Halle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mannheim,
schwäbisch-Gmünd, Stuttgart. Schwerin und an andern Orten mit meist
günstigen Erfolgen stattgefunden haben, ist ein Material beigebracht worden,
welches einen unanfechtbaren Beweis für die Fähigkeit der deutschen Industrie
enthält, sich rin jedem Gegner, sei es auf diesem, sei es auf jenem Ge¬
biete, messen zu können. Nach dieser Richtung hin würde also das Projekt
einer Weltausstellung in Berlin, wenn dabei zunächst das deutsche Interesse in
Rücksicht gezogen wird, keinem sachlichen Bedenken unterliegen. Wichtiger jedoch
sind zwei andre Fragen: Ist Berlin wirklich der Ort zu einer Weltausstellung,
und wie wird sich die deutsche Reichsregierung, in sxeois der persönlich apvstro-
Phirte Reichskanzler ,zu dem Projekt einer solchen verhalten? Als dasselbe vor
etwa zwei Jahren von dem deutschen Handelstage angeregt und ebenfalls durch


Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin.

glaubt, daß diese Organe nicht unbeeinflußt von Personen gewesen sind, welche
auf auswärtigen Weltausstellungen Erfahrungen gesammelt haben und nun von
dem brennenden Wunsche beseelt werden, ihre Überlegenheit in diesen Dingen
auch in der Heimat glänzen zu lassen. Wir wollen indessen auf die Personen^
frage nicht weiter eingehen, sondern die beiden Projekte auf ihren sachlichen
Wert prüfen, wobei uns die zur Zeit in Amsterdam stattfindende Internationale
Kolonial- und Expvrtäusstellung das Jllustrationsmaterial liefern soll.

Vorerst sei noch ein Blick auf München erlaubt. Jene Männer, welche
sich ans Grund besonnener Erwägungen in Berlin vereinigt haben, sind, wie es
scheint, auch von dem Gefühl geleitet worden, daß sich Berlin in Dingen, bei
welchen es sich um die Initiative in kunstgewerblichen und Kunstfragen han¬
delt, nicht länger von München oder richtiger gesagt von einer kleinen Koterie
unternehmungslustiger Münchner Künstler bevormunden lassen dürfe. Dank der
vor keinem Risiko zurückschreckenden Thätigkeit dieser Herren soll sich München,
da es den Charakter einer Kunststadt nach und uach zu verlieren beginnt, we¬
nigstens zu einer Knnstansstellnngsstadt M- «xesIlMvö ausbilden, neben welcher
keine zweite Stadt Deutschlands mehr aufkommen soll. Da diese Superiorität
Münchens, wie wir schon in einem frühern Artikel ausgeführt beiden, durch
nichts begründet ist, und da man ferner bereits, um das künstliche Prestige auf¬
rechtzuerhalten, in München ein neues Ausstelluugsprojckt für 1885, welches
ebenfalls eine Vereinigung der kunstgewerblichen Erzeugnisse Deutschlands und
Österreichs bezweckt, in aller Stille vorbereitet haben soll, so erscheint das Vor¬
gehen der Berliner Vereinigung doppelt motivirt. Es liegt auf der Hand, daß
die letztere, zumal wenn der Staat die Angelegenheit zu der seinigen macht, un¬
gleich mehr Autorität besitzt, und daß sie zugleich für die übrigen deutschen
Staaten viel größere Garantien bietet als das Münchner Konsortium, dessen
Hast in der Jnszenirung von Ausstellungen dem durch dieselben verfolgten idealen
Ziele nicht förderlich sein kann.

Durch die zahlreichen Lokalausstellnngen, welche, 1878 in Hannover be¬
ginnend, in Leipzig, Berlin, Halle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mannheim,
schwäbisch-Gmünd, Stuttgart. Schwerin und an andern Orten mit meist
günstigen Erfolgen stattgefunden haben, ist ein Material beigebracht worden,
welches einen unanfechtbaren Beweis für die Fähigkeit der deutschen Industrie
enthält, sich rin jedem Gegner, sei es auf diesem, sei es auf jenem Ge¬
biete, messen zu können. Nach dieser Richtung hin würde also das Projekt
einer Weltausstellung in Berlin, wenn dabei zunächst das deutsche Interesse in
Rücksicht gezogen wird, keinem sachlichen Bedenken unterliegen. Wichtiger jedoch
sind zwei andre Fragen: Ist Berlin wirklich der Ort zu einer Weltausstellung,
und wie wird sich die deutsche Reichsregierung, in sxeois der persönlich apvstro-
Phirte Reichskanzler ,zu dem Projekt einer solchen verhalten? Als dasselbe vor
etwa zwei Jahren von dem deutschen Handelstage angeregt und ebenfalls durch


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[0399] Die Ausstellung in Amsterdam und das Projekt einer Weltausstellung in Berlin. glaubt, daß diese Organe nicht unbeeinflußt von Personen gewesen sind, welche auf auswärtigen Weltausstellungen Erfahrungen gesammelt haben und nun von dem brennenden Wunsche beseelt werden, ihre Überlegenheit in diesen Dingen auch in der Heimat glänzen zu lassen. Wir wollen indessen auf die Personen^ frage nicht weiter eingehen, sondern die beiden Projekte auf ihren sachlichen Wert prüfen, wobei uns die zur Zeit in Amsterdam stattfindende Internationale Kolonial- und Expvrtäusstellung das Jllustrationsmaterial liefern soll. Vorerst sei noch ein Blick auf München erlaubt. Jene Männer, welche sich ans Grund besonnener Erwägungen in Berlin vereinigt haben, sind, wie es scheint, auch von dem Gefühl geleitet worden, daß sich Berlin in Dingen, bei welchen es sich um die Initiative in kunstgewerblichen und Kunstfragen han¬ delt, nicht länger von München oder richtiger gesagt von einer kleinen Koterie unternehmungslustiger Münchner Künstler bevormunden lassen dürfe. Dank der vor keinem Risiko zurückschreckenden Thätigkeit dieser Herren soll sich München, da es den Charakter einer Kunststadt nach und uach zu verlieren beginnt, we¬ nigstens zu einer Knnstansstellnngsstadt M- «xesIlMvö ausbilden, neben welcher keine zweite Stadt Deutschlands mehr aufkommen soll. Da diese Superiorität Münchens, wie wir schon in einem frühern Artikel ausgeführt beiden, durch nichts begründet ist, und da man ferner bereits, um das künstliche Prestige auf¬ rechtzuerhalten, in München ein neues Ausstelluugsprojckt für 1885, welches ebenfalls eine Vereinigung der kunstgewerblichen Erzeugnisse Deutschlands und Österreichs bezweckt, in aller Stille vorbereitet haben soll, so erscheint das Vor¬ gehen der Berliner Vereinigung doppelt motivirt. Es liegt auf der Hand, daß die letztere, zumal wenn der Staat die Angelegenheit zu der seinigen macht, un¬ gleich mehr Autorität besitzt, und daß sie zugleich für die übrigen deutschen Staaten viel größere Garantien bietet als das Münchner Konsortium, dessen Hast in der Jnszenirung von Ausstellungen dem durch dieselben verfolgten idealen Ziele nicht förderlich sein kann. Durch die zahlreichen Lokalausstellnngen, welche, 1878 in Hannover be¬ ginnend, in Leipzig, Berlin, Halle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mannheim, schwäbisch-Gmünd, Stuttgart. Schwerin und an andern Orten mit meist günstigen Erfolgen stattgefunden haben, ist ein Material beigebracht worden, welches einen unanfechtbaren Beweis für die Fähigkeit der deutschen Industrie enthält, sich rin jedem Gegner, sei es auf diesem, sei es auf jenem Ge¬ biete, messen zu können. Nach dieser Richtung hin würde also das Projekt einer Weltausstellung in Berlin, wenn dabei zunächst das deutsche Interesse in Rücksicht gezogen wird, keinem sachlichen Bedenken unterliegen. Wichtiger jedoch sind zwei andre Fragen: Ist Berlin wirklich der Ort zu einer Weltausstellung, und wie wird sich die deutsche Reichsregierung, in sxeois der persönlich apvstro- Phirte Reichskanzler ,zu dem Projekt einer solchen verhalten? Als dasselbe vor etwa zwei Jahren von dem deutschen Handelstage angeregt und ebenfalls durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/399>, abgerufen am 08.09.2024.