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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Riolschels Lutherkopf.

Volkswirtschaftlicher Gewinn ist, Bahnen, welche die Kanäle vertreten würden,
wo die Natur diese billig und zweckdienlich herzustellen nicht gestattet.

Wir schätzen den Wert einer Entdeckung über den ursächlichen Zusammen¬
hang der Naturvorgänge nach dem Maße, als sie uns innerlich und äußerlich
von der Gewalt der Natur befreit. Die Einsicht nimmt uns das Gefühl der
Abhängigkeit von der Willkür und dem Zufall, verleiht Vertrauen zu der all¬
gemeinen Gesetzmäßigkeit, giebt eine freiere Stellung in der Natur, gewährt
andrerseits die Mittel, die Kräfte zu beherrschen und unsern Zwecken dienstbar
zu machen. In ähnlicher Weise muß man auch eine richtige volkswirtschaftliche
Einsicht schätzen, die uns in den Stand setzt, eine wirtschaftliche Umgestaltung
zu durchschaue", ihre Wirkungen als segensreich vorauszusehen und den sichern
Weg vorzuzeichnen, der uns ihre Wohlthaten teilhaftig werden läßt und vor
Übeln Nachteilen bewahrt. Solcher Art aber war die großartige Auffassung
Friedrich Lifts vom Verkehrswesen.




Rietschels Lutherkopf.

as Lntherjubiläum dieses Jahres zeitigt wunderbare Blüten,
Spekulation, Sensationsdrang und persönlich egoistische Interessen
aller Art benutzen den Anlaß der Nationalfeier, um sich breit in
den Vordergrund zu drängen; eine unerquickliche Gelegenheits¬
literatur und Gelegenheitskunst heischt mit allen Mittel der Reklame
Aufmerksamkeit und Anerkennung, und die dämonische Lust der Gegenwart am
Skandal, an der "Vernichtung" anerkannten Rufes und makelloser Ehre erblickt
in der Lntherfeier gleichfalls eine Gelegenheit, sich einmal wieder geltend zu
machen. Da der bis jetzt in Dresdner Lokalblättern geführte Krieg über den
Kopf der Lutherstatue von Ernst Rietschel wahrscheinlich demnächst zu allen er¬
denkliche" Erörterungen und Auseinandersetzungen führen wird, so halten wir es
für unsre Pflicht, die Angelegenheit vorläufig unsern Lesern gegenüber zu er¬
wähnen -- "so durch und durch unerquicklich dieselbe auch sein mag.

Das letzte Werk des Bildhauers Ernst Rietschel war bekanntlich das große
Reformativnsdenkmal für die Stadt Worms. Der Entwurf dieses Denkmals,
welches außer der großen Kolossalstatue Luthers in einer burgähnlichen architek¬
tonischen Umfassung eine ganze Reihe von Statuen umfaßt, war von Rietschel
im Jahre 18S9 endgiltig festgestellt worden. Die Kolossalstatue Luthers, wie
diejenige des Vorreformators Wilkes entstanden 1859 und 1860. Bis zum


Riolschels Lutherkopf.

Volkswirtschaftlicher Gewinn ist, Bahnen, welche die Kanäle vertreten würden,
wo die Natur diese billig und zweckdienlich herzustellen nicht gestattet.

Wir schätzen den Wert einer Entdeckung über den ursächlichen Zusammen¬
hang der Naturvorgänge nach dem Maße, als sie uns innerlich und äußerlich
von der Gewalt der Natur befreit. Die Einsicht nimmt uns das Gefühl der
Abhängigkeit von der Willkür und dem Zufall, verleiht Vertrauen zu der all¬
gemeinen Gesetzmäßigkeit, giebt eine freiere Stellung in der Natur, gewährt
andrerseits die Mittel, die Kräfte zu beherrschen und unsern Zwecken dienstbar
zu machen. In ähnlicher Weise muß man auch eine richtige volkswirtschaftliche
Einsicht schätzen, die uns in den Stand setzt, eine wirtschaftliche Umgestaltung
zu durchschaue», ihre Wirkungen als segensreich vorauszusehen und den sichern
Weg vorzuzeichnen, der uns ihre Wohlthaten teilhaftig werden läßt und vor
Übeln Nachteilen bewahrt. Solcher Art aber war die großartige Auffassung
Friedrich Lifts vom Verkehrswesen.




Rietschels Lutherkopf.

as Lntherjubiläum dieses Jahres zeitigt wunderbare Blüten,
Spekulation, Sensationsdrang und persönlich egoistische Interessen
aller Art benutzen den Anlaß der Nationalfeier, um sich breit in
den Vordergrund zu drängen; eine unerquickliche Gelegenheits¬
literatur und Gelegenheitskunst heischt mit allen Mittel der Reklame
Aufmerksamkeit und Anerkennung, und die dämonische Lust der Gegenwart am
Skandal, an der „Vernichtung" anerkannten Rufes und makelloser Ehre erblickt
in der Lntherfeier gleichfalls eine Gelegenheit, sich einmal wieder geltend zu
machen. Da der bis jetzt in Dresdner Lokalblättern geführte Krieg über den
Kopf der Lutherstatue von Ernst Rietschel wahrscheinlich demnächst zu allen er¬
denkliche» Erörterungen und Auseinandersetzungen führen wird, so halten wir es
für unsre Pflicht, die Angelegenheit vorläufig unsern Lesern gegenüber zu er¬
wähnen — "so durch und durch unerquicklich dieselbe auch sein mag.

Das letzte Werk des Bildhauers Ernst Rietschel war bekanntlich das große
Reformativnsdenkmal für die Stadt Worms. Der Entwurf dieses Denkmals,
welches außer der großen Kolossalstatue Luthers in einer burgähnlichen architek¬
tonischen Umfassung eine ganze Reihe von Statuen umfaßt, war von Rietschel
im Jahre 18S9 endgiltig festgestellt worden. Die Kolossalstatue Luthers, wie
diejenige des Vorreformators Wilkes entstanden 1859 und 1860. Bis zum


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[0395] Riolschels Lutherkopf. Volkswirtschaftlicher Gewinn ist, Bahnen, welche die Kanäle vertreten würden, wo die Natur diese billig und zweckdienlich herzustellen nicht gestattet. Wir schätzen den Wert einer Entdeckung über den ursächlichen Zusammen¬ hang der Naturvorgänge nach dem Maße, als sie uns innerlich und äußerlich von der Gewalt der Natur befreit. Die Einsicht nimmt uns das Gefühl der Abhängigkeit von der Willkür und dem Zufall, verleiht Vertrauen zu der all¬ gemeinen Gesetzmäßigkeit, giebt eine freiere Stellung in der Natur, gewährt andrerseits die Mittel, die Kräfte zu beherrschen und unsern Zwecken dienstbar zu machen. In ähnlicher Weise muß man auch eine richtige volkswirtschaftliche Einsicht schätzen, die uns in den Stand setzt, eine wirtschaftliche Umgestaltung zu durchschaue», ihre Wirkungen als segensreich vorauszusehen und den sichern Weg vorzuzeichnen, der uns ihre Wohlthaten teilhaftig werden läßt und vor Übeln Nachteilen bewahrt. Solcher Art aber war die großartige Auffassung Friedrich Lifts vom Verkehrswesen. Rietschels Lutherkopf. as Lntherjubiläum dieses Jahres zeitigt wunderbare Blüten, Spekulation, Sensationsdrang und persönlich egoistische Interessen aller Art benutzen den Anlaß der Nationalfeier, um sich breit in den Vordergrund zu drängen; eine unerquickliche Gelegenheits¬ literatur und Gelegenheitskunst heischt mit allen Mittel der Reklame Aufmerksamkeit und Anerkennung, und die dämonische Lust der Gegenwart am Skandal, an der „Vernichtung" anerkannten Rufes und makelloser Ehre erblickt in der Lntherfeier gleichfalls eine Gelegenheit, sich einmal wieder geltend zu machen. Da der bis jetzt in Dresdner Lokalblättern geführte Krieg über den Kopf der Lutherstatue von Ernst Rietschel wahrscheinlich demnächst zu allen er¬ denkliche» Erörterungen und Auseinandersetzungen führen wird, so halten wir es für unsre Pflicht, die Angelegenheit vorläufig unsern Lesern gegenüber zu er¬ wähnen — "so durch und durch unerquicklich dieselbe auch sein mag. Das letzte Werk des Bildhauers Ernst Rietschel war bekanntlich das große Reformativnsdenkmal für die Stadt Worms. Der Entwurf dieses Denkmals, welches außer der großen Kolossalstatue Luthers in einer burgähnlichen architek¬ tonischen Umfassung eine ganze Reihe von Statuen umfaßt, war von Rietschel im Jahre 18S9 endgiltig festgestellt worden. Die Kolossalstatue Luthers, wie diejenige des Vorreformators Wilkes entstanden 1859 und 1860. Bis zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/395>, abgerufen am 08.09.2024.