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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Friedrich greller.

und der eignen Zukunft erwachsen. An den Stützen, an denen sich das er¬
liegende Selbstgefühl emporrichtet, fehlte es unserm Künstler nicht. Das Be¬
wußtsein redlichen, unermüdlichen Fleißes, erfolgreichen Studiums, die Billigung
der altem bewährten Künstler, unter denen Meister Koch obenan stand, die
zuversichtliche Verehrung jüngerer Freunde, von denen wenigstens einer und
der andre, wie 5. B. Doktor Hermann Hürtel aus Leipzig, in der glücklichen
Lage war, den Künstler auch äußerlich zu fördern, waren Gegengewichte gegen
die unbarmherzige Selbstkritik und die dunkeln Befürchtungen.

Hätte Preller eine Möglichkeit gesehen, durch seinen Pinsel schon jetzt
einen bescheidnen aber sichern Unterhalt in der Fremde zu gewinnen und seine
Braut, welche mit ihrer Mutter inzwischen nach Weimar übergesiedelt war,
"ach Rom heimzuführen, so würde er am liebsten in der ewigen Stadt ge¬
blieben sein. Daran war nnn nicht zu denken. Als Goethes einziger Sohn
August im Oktober 1830 in Rom erkrankte und starb, war Preller eben im
Begriff gewesen, die Heimreise anzutreten. Da er von der treuen Pflege des
jüngern Goethe selbst eine Pockenkrankheit davontrug und einige Zeit zur Er¬
holung bedürfte, so blieb er noch den Winter von 1830 auf 1831 in Rom
und kam erst im Mai oder Juni 1831 in Weimar wieder an. Goethe fand
er, scheinbar in alter Rüstigkeit, jedenfalls trotz seiner zweiundachtzig Jahre
ungebrochuen Geistes. Nicht ganz ein Jahr mehr durfte sich der Künstler des
fördernden Verkehrs mit dem greisen Dichter und seiner gewichtigen Empfehlung
erfreuen.

Unmittelbar nach Goethes Tod kam eine Krisis in Prellers Leben, welche
Rvquettc anschaulich schildert. "Durch Goethes Tod war der eigentliche Mittel¬
punkt des geistigen Lebens in Weimar hinweggenommen. Es konnte nur noch
für die Stadt der großen Verstorbenen gelten, deren Glorie über dem kleinen
Orte, vorwiegend sür den fremden Besucher, geblieben; eine Residenzstadt unter¬
haltend nur für denjenigen, der mit seinem Interesse in den Kreisen des Hofes
aufging. Den geistigen Hof Weimars hatte Goethe und sein Haus gebildet.
Wie es mit Weimar schon zu seinen Lebzeiten stand, das wußte Goethe recht
wohl. Nach Goethes Tode blieb somit nur der Hof und das Theater. Wohl¬
habende Leute, die etwas für die Kunst thun konnten oder mochten, scheint es
damals in Weimar nicht gegeben zu haben. Daß Weimar nicht der Ort war
für einen Künstler, der Anregung durch Verkehr und im Anschauen größerer
Werke brauchte, der nicht allein der Aufmunterung, sondern auch der Aufträge
für den Erwerb bedurfte, das sah Preller, wie er es in Italien befürchtet,
jetzt nnr bestätigt. Es war nichts von exzentrischen Neigungen in ihm, hatte
er sich doch im strengsten Pflichtgefühl selbst erzogen; aber nach den Jahren
seines römischen Lebens legte sich der philiströse bürgerliche Dunstkreis seiner
Heimat doch wie drückender Bann auf sein Gemüt, mochten die fremden Be-
sucher immerhin die Straßen Weimars mit gerührten? Entzücken durchwandern,


Friedrich greller.

und der eignen Zukunft erwachsen. An den Stützen, an denen sich das er¬
liegende Selbstgefühl emporrichtet, fehlte es unserm Künstler nicht. Das Be¬
wußtsein redlichen, unermüdlichen Fleißes, erfolgreichen Studiums, die Billigung
der altem bewährten Künstler, unter denen Meister Koch obenan stand, die
zuversichtliche Verehrung jüngerer Freunde, von denen wenigstens einer und
der andre, wie 5. B. Doktor Hermann Hürtel aus Leipzig, in der glücklichen
Lage war, den Künstler auch äußerlich zu fördern, waren Gegengewichte gegen
die unbarmherzige Selbstkritik und die dunkeln Befürchtungen.

Hätte Preller eine Möglichkeit gesehen, durch seinen Pinsel schon jetzt
einen bescheidnen aber sichern Unterhalt in der Fremde zu gewinnen und seine
Braut, welche mit ihrer Mutter inzwischen nach Weimar übergesiedelt war,
»ach Rom heimzuführen, so würde er am liebsten in der ewigen Stadt ge¬
blieben sein. Daran war nnn nicht zu denken. Als Goethes einziger Sohn
August im Oktober 1830 in Rom erkrankte und starb, war Preller eben im
Begriff gewesen, die Heimreise anzutreten. Da er von der treuen Pflege des
jüngern Goethe selbst eine Pockenkrankheit davontrug und einige Zeit zur Er¬
holung bedürfte, so blieb er noch den Winter von 1830 auf 1831 in Rom
und kam erst im Mai oder Juni 1831 in Weimar wieder an. Goethe fand
er, scheinbar in alter Rüstigkeit, jedenfalls trotz seiner zweiundachtzig Jahre
ungebrochuen Geistes. Nicht ganz ein Jahr mehr durfte sich der Künstler des
fördernden Verkehrs mit dem greisen Dichter und seiner gewichtigen Empfehlung
erfreuen.

Unmittelbar nach Goethes Tod kam eine Krisis in Prellers Leben, welche
Rvquettc anschaulich schildert. „Durch Goethes Tod war der eigentliche Mittel¬
punkt des geistigen Lebens in Weimar hinweggenommen. Es konnte nur noch
für die Stadt der großen Verstorbenen gelten, deren Glorie über dem kleinen
Orte, vorwiegend sür den fremden Besucher, geblieben; eine Residenzstadt unter¬
haltend nur für denjenigen, der mit seinem Interesse in den Kreisen des Hofes
aufging. Den geistigen Hof Weimars hatte Goethe und sein Haus gebildet.
Wie es mit Weimar schon zu seinen Lebzeiten stand, das wußte Goethe recht
wohl. Nach Goethes Tode blieb somit nur der Hof und das Theater. Wohl¬
habende Leute, die etwas für die Kunst thun konnten oder mochten, scheint es
damals in Weimar nicht gegeben zu haben. Daß Weimar nicht der Ort war
für einen Künstler, der Anregung durch Verkehr und im Anschauen größerer
Werke brauchte, der nicht allein der Aufmunterung, sondern auch der Aufträge
für den Erwerb bedurfte, das sah Preller, wie er es in Italien befürchtet,
jetzt nnr bestätigt. Es war nichts von exzentrischen Neigungen in ihm, hatte
er sich doch im strengsten Pflichtgefühl selbst erzogen; aber nach den Jahren
seines römischen Lebens legte sich der philiströse bürgerliche Dunstkreis seiner
Heimat doch wie drückender Bann auf sein Gemüt, mochten die fremden Be-
sucher immerhin die Straßen Weimars mit gerührten? Entzücken durchwandern,


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[0039] Friedrich greller. und der eignen Zukunft erwachsen. An den Stützen, an denen sich das er¬ liegende Selbstgefühl emporrichtet, fehlte es unserm Künstler nicht. Das Be¬ wußtsein redlichen, unermüdlichen Fleißes, erfolgreichen Studiums, die Billigung der altem bewährten Künstler, unter denen Meister Koch obenan stand, die zuversichtliche Verehrung jüngerer Freunde, von denen wenigstens einer und der andre, wie 5. B. Doktor Hermann Hürtel aus Leipzig, in der glücklichen Lage war, den Künstler auch äußerlich zu fördern, waren Gegengewichte gegen die unbarmherzige Selbstkritik und die dunkeln Befürchtungen. Hätte Preller eine Möglichkeit gesehen, durch seinen Pinsel schon jetzt einen bescheidnen aber sichern Unterhalt in der Fremde zu gewinnen und seine Braut, welche mit ihrer Mutter inzwischen nach Weimar übergesiedelt war, »ach Rom heimzuführen, so würde er am liebsten in der ewigen Stadt ge¬ blieben sein. Daran war nnn nicht zu denken. Als Goethes einziger Sohn August im Oktober 1830 in Rom erkrankte und starb, war Preller eben im Begriff gewesen, die Heimreise anzutreten. Da er von der treuen Pflege des jüngern Goethe selbst eine Pockenkrankheit davontrug und einige Zeit zur Er¬ holung bedürfte, so blieb er noch den Winter von 1830 auf 1831 in Rom und kam erst im Mai oder Juni 1831 in Weimar wieder an. Goethe fand er, scheinbar in alter Rüstigkeit, jedenfalls trotz seiner zweiundachtzig Jahre ungebrochuen Geistes. Nicht ganz ein Jahr mehr durfte sich der Künstler des fördernden Verkehrs mit dem greisen Dichter und seiner gewichtigen Empfehlung erfreuen. Unmittelbar nach Goethes Tod kam eine Krisis in Prellers Leben, welche Rvquettc anschaulich schildert. „Durch Goethes Tod war der eigentliche Mittel¬ punkt des geistigen Lebens in Weimar hinweggenommen. Es konnte nur noch für die Stadt der großen Verstorbenen gelten, deren Glorie über dem kleinen Orte, vorwiegend sür den fremden Besucher, geblieben; eine Residenzstadt unter¬ haltend nur für denjenigen, der mit seinem Interesse in den Kreisen des Hofes aufging. Den geistigen Hof Weimars hatte Goethe und sein Haus gebildet. Wie es mit Weimar schon zu seinen Lebzeiten stand, das wußte Goethe recht wohl. Nach Goethes Tode blieb somit nur der Hof und das Theater. Wohl¬ habende Leute, die etwas für die Kunst thun konnten oder mochten, scheint es damals in Weimar nicht gegeben zu haben. Daß Weimar nicht der Ort war für einen Künstler, der Anregung durch Verkehr und im Anschauen größerer Werke brauchte, der nicht allein der Aufmunterung, sondern auch der Aufträge für den Erwerb bedurfte, das sah Preller, wie er es in Italien befürchtet, jetzt nnr bestätigt. Es war nichts von exzentrischen Neigungen in ihm, hatte er sich doch im strengsten Pflichtgefühl selbst erzogen; aber nach den Jahren seines römischen Lebens legte sich der philiströse bürgerliche Dunstkreis seiner Heimat doch wie drückender Bann auf sein Gemüt, mochten die fremden Be- sucher immerhin die Straßen Weimars mit gerührten? Entzücken durchwandern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/39>, abgerufen am 08.09.2024.