Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Die Grafen von Altenschwcrdt. mitgebracht hatte und ihm nun vom Wagen herabreichte, und sah in besserer Die Koffer sind gepackt, und es ist alles zur Abreise fertig, sagte Andrew. Eberhardt wandte den Blick von dem entschwindenden Wagen ab auf das Packe sie wieder aus, sagte er. Es eilt noch nicht. Dann drehte er sich um und schritt, die Hand an dem Briefpacket in seiner Die Briefe brannten ihm auf dem Herzen, bis er sie im Schatten der Komm noch einmal an das schwarze Wasser, wo ich dir gelogen habe -- Auf einem andern Briefbogen, der die Spuren von Thränen aufwies, Ein drittes Blatt lautete: Zwei Wege sind es, die sich meinem Blicke Die Grafen von Altenschwcrdt. mitgebracht hatte und ihm nun vom Wagen herabreichte, und sah in besserer Die Koffer sind gepackt, und es ist alles zur Abreise fertig, sagte Andrew. Eberhardt wandte den Blick von dem entschwindenden Wagen ab auf das Packe sie wieder aus, sagte er. Es eilt noch nicht. Dann drehte er sich um und schritt, die Hand an dem Briefpacket in seiner Die Briefe brannten ihm auf dem Herzen, bis er sie im Schatten der Komm noch einmal an das schwarze Wasser, wo ich dir gelogen habe — Auf einem andern Briefbogen, der die Spuren von Thränen aufwies, Ein drittes Blatt lautete: Zwei Wege sind es, die sich meinem Blicke <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153825"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwcrdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1597" prev="#ID_1596"> mitgebracht hatte und ihm nun vom Wagen herabreichte, und sah in besserer<lb/> Stimmung als vorher, obwohl immer noch traurig, dem eilig davonrollenden<lb/> Gefährt nach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1598"> Die Koffer sind gepackt, und es ist alles zur Abreise fertig, sagte Andrew.</p><lb/> <p xml:id="ID_1599"> Eberhardt wandte den Blick von dem entschwindenden Wagen ab auf das<lb/> ehrliche schwarze Gesicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1600"> Packe sie wieder aus, sagte er. 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Mein Vater — Eberhardt, in deiner Umschlingung laß mich in der<lb/> stillen Tiefe vergehen, die eine so geheimnisvolle Anziehungskraft für mich hatte<lb/> und Zeuge eines Treuschwurs war, den ich gebrochen habe. Doch nein, mein<lb/> Vater — der alte Mann — ich kann ihn nicht töten. Zwischen dir und ihm<lb/> stehe ich als das unglücklichste aller lebenden Geschöpfe. Denke an dich! Vergiß<lb/> mich! O höre nicht auf, mich zu lieben! — Was schreibe ich? — Was wollte ich<lb/> dir sagen? — Ohne dich, ohne dich, wie ruhig könnte ich sein! — Kein Wort<lb/> des Vorwurfs für dich, Eberhardt, verzeih mir. Wir sind für immer getrennt,<lb/> wer kann sagen, was nun werden soll? —</p><lb/> <p xml:id="ID_1604"> Auf einem andern Briefbogen, der die Spuren von Thränen aufwies,<lb/> standen folgende Sätze: Giebt es eine Vernichtung für immer, oder wird die<lb/> Seele nach der Zerstörung des Leibes Kraft haben, wieder aufzusuchen, was<lb/> sie liebte? Nur diese Hoffnung ist es, die mir ein Dasein erträglich machen<lb/> könnte, welches ich ohne dich führen muß. Wie stolz ich in meiner Thorheit<lb/> war! Ich forderte das Schicksal heraus und glaubte über die Schranken mich<lb/> hinwegsehen zu können, die von der Sitte und dem Herkommen, die von<lb/> Fnmilienbanden gezogen werden. Wie schwach sehe ich mich jetzt, wo ich —<lb/> Und du hast zustimmen können, Verräter! Ach, du hast es gemußt, weil ich<lb/> es von dir verlangte. Wie habe ich dich an deinem Wort festhalten können,<lb/> da ich das meinige zurücknahm? Aber habe ich denn mein Herz zurückgezogen?<lb/> Undankbarer, wie konntest dn das denken? — Die Worte fließen mir nicht in<lb/> die Feder. — Ich fühle, wie meine Stirn zu schmerzen und das Gehirn darin<lb/> zu taumeln beginnt. Kraft! Kraft! Es mußte geschehen! Ich mußte dem Freunde<lb/> das Messer in das Herz stoßen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1605" next="#ID_1606"> Ein drittes Blatt lautete: Zwei Wege sind es, die sich meinem Blicke<lb/> bieten, der eine sührt zu dir und zu dem Grabe meines Vaters, der andre<lb/> zu meinem eignen Grabe, auf dem du, mir fluchend, sitzen wirst. Es ist<lb/> Wahnsinn, was ich da schreibe — vergieb, mein Freund, der Wahnsinnigen.<lb/> Ich will jetzt veruüttftig sprechen, und vielleicht — morgen werde ich imstande<lb/> sein, länger und ausführlicher zu sein. Ich mußte mein Wort zurücknehmen,<lb/> lieber Freund. Wir dürfen einander nichts mehr sein, gar nichts. Auch ein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
Die Grafen von Altenschwcrdt.
mitgebracht hatte und ihm nun vom Wagen herabreichte, und sah in besserer
Stimmung als vorher, obwohl immer noch traurig, dem eilig davonrollenden
Gefährt nach.
Die Koffer sind gepackt, und es ist alles zur Abreise fertig, sagte Andrew.
Eberhardt wandte den Blick von dem entschwindenden Wagen ab auf das
ehrliche schwarze Gesicht.
Packe sie wieder aus, sagte er. Es eilt noch nicht.
Dann drehte er sich um und schritt, die Hand an dem Briefpacket in seiner
Tasche, der Einsamkeit des Waldes zu.
Die Briefe brannten ihm auf dem Herzen, bis er sie im Schatten der
Buchen hervorzog und, an einen grauen starken Stamm gelehnt, mit begierigen
Augen durchflog. Er trug in derselben Brusttasche Dorochens Bild, die Photo¬
graphie, welche sie ihm einst geschickt hatte, und er küßte sie, indem er das
Abbild um Verzeihung wegen des Unrechts bat, welches er der Geliebten selbst
im Geiste zugefügt hatte.
Komm noch einmal an das schwarze Wasser, wo ich dir gelogen habe —
so fing der eine Brief an. Denn ich bin es, die dich verriet, nicht du bist
treulos. Du konntest nicht anders handeln, als du gethan hast. Es ist alles
vorbei. Mein Vater — Eberhardt, in deiner Umschlingung laß mich in der
stillen Tiefe vergehen, die eine so geheimnisvolle Anziehungskraft für mich hatte
und Zeuge eines Treuschwurs war, den ich gebrochen habe. Doch nein, mein
Vater — der alte Mann — ich kann ihn nicht töten. Zwischen dir und ihm
stehe ich als das unglücklichste aller lebenden Geschöpfe. Denke an dich! Vergiß
mich! O höre nicht auf, mich zu lieben! — Was schreibe ich? — Was wollte ich
dir sagen? — Ohne dich, ohne dich, wie ruhig könnte ich sein! — Kein Wort
des Vorwurfs für dich, Eberhardt, verzeih mir. Wir sind für immer getrennt,
wer kann sagen, was nun werden soll? —
Auf einem andern Briefbogen, der die Spuren von Thränen aufwies,
standen folgende Sätze: Giebt es eine Vernichtung für immer, oder wird die
Seele nach der Zerstörung des Leibes Kraft haben, wieder aufzusuchen, was
sie liebte? Nur diese Hoffnung ist es, die mir ein Dasein erträglich machen
könnte, welches ich ohne dich führen muß. Wie stolz ich in meiner Thorheit
war! Ich forderte das Schicksal heraus und glaubte über die Schranken mich
hinwegsehen zu können, die von der Sitte und dem Herkommen, die von
Fnmilienbanden gezogen werden. Wie schwach sehe ich mich jetzt, wo ich —
Und du hast zustimmen können, Verräter! Ach, du hast es gemußt, weil ich
es von dir verlangte. Wie habe ich dich an deinem Wort festhalten können,
da ich das meinige zurücknahm? Aber habe ich denn mein Herz zurückgezogen?
Undankbarer, wie konntest dn das denken? — Die Worte fließen mir nicht in
die Feder. — Ich fühle, wie meine Stirn zu schmerzen und das Gehirn darin
zu taumeln beginnt. Kraft! Kraft! Es mußte geschehen! Ich mußte dem Freunde
das Messer in das Herz stoßen. —
Ein drittes Blatt lautete: Zwei Wege sind es, die sich meinem Blicke
bieten, der eine sührt zu dir und zu dem Grabe meines Vaters, der andre
zu meinem eignen Grabe, auf dem du, mir fluchend, sitzen wirst. Es ist
Wahnsinn, was ich da schreibe — vergieb, mein Freund, der Wahnsinnigen.
Ich will jetzt veruüttftig sprechen, und vielleicht — morgen werde ich imstande
sein, länger und ausführlicher zu sein. Ich mußte mein Wort zurücknehmen,
lieber Freund. Wir dürfen einander nichts mehr sein, gar nichts. Auch ein
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