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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Erhöhung der Branntweinsteuer,

Ein zweiter möglicher Einwand, daß in Folge der hohen Ausbeute,
welche die Zymotechnik aus dem zur Verarbeitung kommenden Rohmaterial
in Form von Alkohol erzielt, für das Fabrikat beim Export eine höhere Boni¬
fikation gegeben wird, als dafür an Maischsteuer gezahlt worden ist, ist, soweit
er den Spiritusfabrikanten treffen soll, gleichfalls hinfällig. Der Eugros-
spiritushaudel, sowohl der im Inlande als der nach dem Auslande, ist natur¬
gemäß nicht in den Händen der ackerbautreibenden Erzeuger der Waare, sondern
in denen der Kaufleute und der Nafsineure, und nur diesen dürfte der aus dem
Export stammende kleine Vorteil direkt zu Gute kommen. Bei einer in der Export¬
bonifikation eintretenden Remedur, wie eine solche auch beim Zuckerexport beliebt
worden ist. dürfte immerhin bei dem geringen Nutzen, welche der Sprit- und
Spiritushandel bringt, die Frage entstehen, ob unser deutsches Fabrikat bei der
jetzt stark auftretenden Konkurrenz aus Österreich, Ungarn, Belgien und Amerika
und bei den ungünstigen Frachtverhältnissen unsrer Ostprovinzen, mit denen
schlesische und posensche Rciffineure zu kämpfen haben, im Auslande noch kon¬
kurrenzfähig bleiben würde.

Nicht unerwähnt wollen wir übrigens lassen, daß unsrer Spiritusindustrie
durch die Erneuerung des deutsch-spanischen Handelsvertrags ein altes Absatz¬
gebiet wieder zurückgegeben worden ist und daß durch die Bestimmung des
Art. 9 I im Zusatzprotokoll desselben eine Abnormität aus der Welt geschafft
worden ist, welche auf Grund des alten Handelsvertrags zu Gunsten einiger
wenige" Hamburger Rafsineurc die gesamte deutsche Spiritusinduftrie schädigte.
Infolge der Forderung des Urspruugsattestes können diese Herren nicht mehr
den ihnen billig kommenden russischen Rohspiritus in Hamburg rektifizircu, um
ihn als deutsches Fabrikat unter Ausnutzung des nur diesem zustehenden billigeren
Eingangszolls nach Spanien zu exportireu. Obgleich dnrch das bisherige Ver¬
fahren der Hamburger Rciffineure der deutsche Sprit vom spanischen Markte
fast verdrängt und damit die so wichtige vaterländische Spiritnsindustrie schwer
geschädigt wurde, schreit doch die gesamte liberale Presse ob des erwähnten
Zusatzprotokolls über Vergewaltigung ihrer liberalen Hamburger Brüder, denen
die "Veredlung" des russischen Rohspiritus zur Ausfuhr unter deutscher Marke
nicht mehr gestattet sein soll. Auch dieses Stückchen Freihandelspolitik wirft
eigentümliches Schlaglicht auf die uneigennützigen Tendenzen unsrer Man¬
chestermänner. Sie drohen auch schon mit dem Kopenhagener Schreckgespenst,
bei welchem nur die Fixigkeit des sonst so bedächtigen "tappcru Landsoldaten" zu
bewundern ist. Obgleich die Hamburger selbst eingestehen, bei der Veröffent¬
lichung des Handelsvertrags durch jenes Zusatzprotokoll überrascht worden zu
sein, lassen sie in einer Korrespondenz des Berliner Tageblatts vom 25, Juli d. I.
die Kopenhagener sich bereits rüsten, um bei sich den russischen Spiritus zu
rektifiziren und so aus der Kurzsichtigkeit der deutschen Handelspolitik und ihres
Leiters auf Kosten der Hamburger für Dänemark Kapital zu schlagen. Wenn die


Grenzboten III. 1883, 46
Zur Erhöhung der Branntweinsteuer,

Ein zweiter möglicher Einwand, daß in Folge der hohen Ausbeute,
welche die Zymotechnik aus dem zur Verarbeitung kommenden Rohmaterial
in Form von Alkohol erzielt, für das Fabrikat beim Export eine höhere Boni¬
fikation gegeben wird, als dafür an Maischsteuer gezahlt worden ist, ist, soweit
er den Spiritusfabrikanten treffen soll, gleichfalls hinfällig. Der Eugros-
spiritushaudel, sowohl der im Inlande als der nach dem Auslande, ist natur¬
gemäß nicht in den Händen der ackerbautreibenden Erzeuger der Waare, sondern
in denen der Kaufleute und der Nafsineure, und nur diesen dürfte der aus dem
Export stammende kleine Vorteil direkt zu Gute kommen. Bei einer in der Export¬
bonifikation eintretenden Remedur, wie eine solche auch beim Zuckerexport beliebt
worden ist. dürfte immerhin bei dem geringen Nutzen, welche der Sprit- und
Spiritushandel bringt, die Frage entstehen, ob unser deutsches Fabrikat bei der
jetzt stark auftretenden Konkurrenz aus Österreich, Ungarn, Belgien und Amerika
und bei den ungünstigen Frachtverhältnissen unsrer Ostprovinzen, mit denen
schlesische und posensche Rciffineure zu kämpfen haben, im Auslande noch kon¬
kurrenzfähig bleiben würde.

Nicht unerwähnt wollen wir übrigens lassen, daß unsrer Spiritusindustrie
durch die Erneuerung des deutsch-spanischen Handelsvertrags ein altes Absatz¬
gebiet wieder zurückgegeben worden ist und daß durch die Bestimmung des
Art. 9 I im Zusatzprotokoll desselben eine Abnormität aus der Welt geschafft
worden ist, welche auf Grund des alten Handelsvertrags zu Gunsten einiger
wenige» Hamburger Rafsineurc die gesamte deutsche Spiritusinduftrie schädigte.
Infolge der Forderung des Urspruugsattestes können diese Herren nicht mehr
den ihnen billig kommenden russischen Rohspiritus in Hamburg rektifizircu, um
ihn als deutsches Fabrikat unter Ausnutzung des nur diesem zustehenden billigeren
Eingangszolls nach Spanien zu exportireu. Obgleich dnrch das bisherige Ver¬
fahren der Hamburger Rciffineure der deutsche Sprit vom spanischen Markte
fast verdrängt und damit die so wichtige vaterländische Spiritnsindustrie schwer
geschädigt wurde, schreit doch die gesamte liberale Presse ob des erwähnten
Zusatzprotokolls über Vergewaltigung ihrer liberalen Hamburger Brüder, denen
die „Veredlung" des russischen Rohspiritus zur Ausfuhr unter deutscher Marke
nicht mehr gestattet sein soll. Auch dieses Stückchen Freihandelspolitik wirft
eigentümliches Schlaglicht auf die uneigennützigen Tendenzen unsrer Man¬
chestermänner. Sie drohen auch schon mit dem Kopenhagener Schreckgespenst,
bei welchem nur die Fixigkeit des sonst so bedächtigen „tappcru Landsoldaten" zu
bewundern ist. Obgleich die Hamburger selbst eingestehen, bei der Veröffent¬
lichung des Handelsvertrags durch jenes Zusatzprotokoll überrascht worden zu
sein, lassen sie in einer Korrespondenz des Berliner Tageblatts vom 25, Juli d. I.
die Kopenhagener sich bereits rüsten, um bei sich den russischen Spiritus zu
rektifiziren und so aus der Kurzsichtigkeit der deutschen Handelspolitik und ihres
Leiters auf Kosten der Hamburger für Dänemark Kapital zu schlagen. Wenn die


Grenzboten III. 1883, 46
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[0369] Zur Erhöhung der Branntweinsteuer, Ein zweiter möglicher Einwand, daß in Folge der hohen Ausbeute, welche die Zymotechnik aus dem zur Verarbeitung kommenden Rohmaterial in Form von Alkohol erzielt, für das Fabrikat beim Export eine höhere Boni¬ fikation gegeben wird, als dafür an Maischsteuer gezahlt worden ist, ist, soweit er den Spiritusfabrikanten treffen soll, gleichfalls hinfällig. Der Eugros- spiritushaudel, sowohl der im Inlande als der nach dem Auslande, ist natur¬ gemäß nicht in den Händen der ackerbautreibenden Erzeuger der Waare, sondern in denen der Kaufleute und der Nafsineure, und nur diesen dürfte der aus dem Export stammende kleine Vorteil direkt zu Gute kommen. Bei einer in der Export¬ bonifikation eintretenden Remedur, wie eine solche auch beim Zuckerexport beliebt worden ist. dürfte immerhin bei dem geringen Nutzen, welche der Sprit- und Spiritushandel bringt, die Frage entstehen, ob unser deutsches Fabrikat bei der jetzt stark auftretenden Konkurrenz aus Österreich, Ungarn, Belgien und Amerika und bei den ungünstigen Frachtverhältnissen unsrer Ostprovinzen, mit denen schlesische und posensche Rciffineure zu kämpfen haben, im Auslande noch kon¬ kurrenzfähig bleiben würde. Nicht unerwähnt wollen wir übrigens lassen, daß unsrer Spiritusindustrie durch die Erneuerung des deutsch-spanischen Handelsvertrags ein altes Absatz¬ gebiet wieder zurückgegeben worden ist und daß durch die Bestimmung des Art. 9 I im Zusatzprotokoll desselben eine Abnormität aus der Welt geschafft worden ist, welche auf Grund des alten Handelsvertrags zu Gunsten einiger wenige» Hamburger Rafsineurc die gesamte deutsche Spiritusinduftrie schädigte. Infolge der Forderung des Urspruugsattestes können diese Herren nicht mehr den ihnen billig kommenden russischen Rohspiritus in Hamburg rektifizircu, um ihn als deutsches Fabrikat unter Ausnutzung des nur diesem zustehenden billigeren Eingangszolls nach Spanien zu exportireu. Obgleich dnrch das bisherige Ver¬ fahren der Hamburger Rciffineure der deutsche Sprit vom spanischen Markte fast verdrängt und damit die so wichtige vaterländische Spiritnsindustrie schwer geschädigt wurde, schreit doch die gesamte liberale Presse ob des erwähnten Zusatzprotokolls über Vergewaltigung ihrer liberalen Hamburger Brüder, denen die „Veredlung" des russischen Rohspiritus zur Ausfuhr unter deutscher Marke nicht mehr gestattet sein soll. Auch dieses Stückchen Freihandelspolitik wirft eigentümliches Schlaglicht auf die uneigennützigen Tendenzen unsrer Man¬ chestermänner. Sie drohen auch schon mit dem Kopenhagener Schreckgespenst, bei welchem nur die Fixigkeit des sonst so bedächtigen „tappcru Landsoldaten" zu bewundern ist. Obgleich die Hamburger selbst eingestehen, bei der Veröffent¬ lichung des Handelsvertrags durch jenes Zusatzprotokoll überrascht worden zu sein, lassen sie in einer Korrespondenz des Berliner Tageblatts vom 25, Juli d. I. die Kopenhagener sich bereits rüsten, um bei sich den russischen Spiritus zu rektifiziren und so aus der Kurzsichtigkeit der deutschen Handelspolitik und ihres Leiters auf Kosten der Hamburger für Dänemark Kapital zu schlagen. Wenn die Grenzboten III. 1883, 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/369>, abgerufen am 08.09.2024.