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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der pariser Salon.

Detaillc, sind mit solcher Anschaulichkeit, mit solcher Überzeugungstreue von der
Wahrheit des Dargestellten und mit einer so feurigen, sieghaften Beredtsamkeit
gemalt, daß man sich am Ende nicht wundern kann, wenn sich die kommende
Generation der Franzosen einbildet, daß ihre Väter als die physischen oder
doch wenigstens als die moralischen Sieger aus dem großen Kampfe hervor¬
gegangen sind. In dem diesjährigen Salon wurde genau dieselbe Sprache ge¬
führt. Wenn man die große Treppe emporschritt, sah man oben im Vestibül
ein riesiges Gemälde von Castellari, einem gebornen Belgier, aber naturali-
sirten Franzosen, welches den Tod des preußischen Prinzen Louis Ferdinand
bei Saalfeld, am Tage vor Jena, in so dekorativer Manier darstellte, daß man
das Ungetüm schon aus diesem Grunde in das Vestibül verbannt haben mag.
In einem Glasschränke gegenüber, in welchem Erzeugnisse der Email- und
Porzellanmalerei, der Graveur- und Steinschneidekunst ausgestellt waren, erblickte
man die Vereinsmedaille der von Paul Deroulede geleiteten Patriotenliga. Die¬
selbe, von H. Dubois modellirt, zeigt auf dem Revers die französische Trikolore
mit der Inschrift: Horreur se x^tris! auf der Zinne einer Verteidigungsmauer
aufgepflanzt, im Hintergrunde den Straßburger Münster und die Thore von
Metz und dazu die Legende: Hui vio<z? -- Frg.nos! In den Sälen sah man
so zahlreiche auf den Krieg bezügliche Bilder, als wäre der Friede erst vorgestern
geschlossen worden. Wie ein mittelalterliches Heiligenbild hob sich Jean Benners
"Trauernde Elsässeriu" mit der rührenden Devise: ^ ig. Kranes toujours! vom
goldnen Hintergründe ab. Richemouts "Keller in der Luxembourgvorstadt
während des Bombardements" rief mit seinen angsterfüllter Bewohnern die
Schrecken der Belagerung wieder wach, und Viel-Cazals "Schlächterei während
der Belagerung," in welcher man die blutigen Kadaver abgehäuteter Pferde in
naturgroße sieht, bildete das schauderhafte Pendant dazu. Daneben nahmen
sich die Episoden aus den Kämpfen selbst noch ganz harmlos aus. Daß sich
auch auf diesen Darstellungen die Deutschen im Nachteil befinden, ist nach dem
Gesagten selbstverständlich. Armand-Dumaresq hat für seine "Episode aus
der Schlacht bei Bapanme" die Ausdrucksformen der Malerei großen Stils an¬
nehmen wollen, er ist aber in Wirklichkeit nicht über deu Panoramenstil hinaus¬
gekommen. Auf der beschneiten Straße des Dorfes Biefvillers hält der General
Pittie mit seinem Stäbe, während die vorwärtsstürmende Infanterie mit ihrem
Feuer die Straße bestreicht, an deren untersten Ende sich die Preußen in wilder
Flucht zurückziehen. Was der Katalog zur Erläuterung hinzufügt, übertrifft
noch die Darstellung des Malers: "Die Ankunft der Brigade Pittie entschied
den definitiven Rückzug der Preußen, welche das brennende Dorf aufgaben,
indem sie das Terrain mit ihren Toten bedeckt zurückließen." In Wahrheit
liegt die Sache aber so, daß das 33. ostpreußische Regiment, welches Biefvillers
kurz vorher erstürmt hatte, von einer feindlichen Übermacht an Infanterie und
Artillerie nach heißem Kampf zum Rückzüge gezwungen wurde. Dieser Rückzug


Der pariser Salon.

Detaillc, sind mit solcher Anschaulichkeit, mit solcher Überzeugungstreue von der
Wahrheit des Dargestellten und mit einer so feurigen, sieghaften Beredtsamkeit
gemalt, daß man sich am Ende nicht wundern kann, wenn sich die kommende
Generation der Franzosen einbildet, daß ihre Väter als die physischen oder
doch wenigstens als die moralischen Sieger aus dem großen Kampfe hervor¬
gegangen sind. In dem diesjährigen Salon wurde genau dieselbe Sprache ge¬
führt. Wenn man die große Treppe emporschritt, sah man oben im Vestibül
ein riesiges Gemälde von Castellari, einem gebornen Belgier, aber naturali-
sirten Franzosen, welches den Tod des preußischen Prinzen Louis Ferdinand
bei Saalfeld, am Tage vor Jena, in so dekorativer Manier darstellte, daß man
das Ungetüm schon aus diesem Grunde in das Vestibül verbannt haben mag.
In einem Glasschränke gegenüber, in welchem Erzeugnisse der Email- und
Porzellanmalerei, der Graveur- und Steinschneidekunst ausgestellt waren, erblickte
man die Vereinsmedaille der von Paul Deroulede geleiteten Patriotenliga. Die¬
selbe, von H. Dubois modellirt, zeigt auf dem Revers die französische Trikolore
mit der Inschrift: Horreur se x^tris! auf der Zinne einer Verteidigungsmauer
aufgepflanzt, im Hintergrunde den Straßburger Münster und die Thore von
Metz und dazu die Legende: Hui vio<z? — Frg.nos! In den Sälen sah man
so zahlreiche auf den Krieg bezügliche Bilder, als wäre der Friede erst vorgestern
geschlossen worden. Wie ein mittelalterliches Heiligenbild hob sich Jean Benners
„Trauernde Elsässeriu" mit der rührenden Devise: ^ ig. Kranes toujours! vom
goldnen Hintergründe ab. Richemouts „Keller in der Luxembourgvorstadt
während des Bombardements" rief mit seinen angsterfüllter Bewohnern die
Schrecken der Belagerung wieder wach, und Viel-Cazals „Schlächterei während
der Belagerung," in welcher man die blutigen Kadaver abgehäuteter Pferde in
naturgroße sieht, bildete das schauderhafte Pendant dazu. Daneben nahmen
sich die Episoden aus den Kämpfen selbst noch ganz harmlos aus. Daß sich
auch auf diesen Darstellungen die Deutschen im Nachteil befinden, ist nach dem
Gesagten selbstverständlich. Armand-Dumaresq hat für seine „Episode aus
der Schlacht bei Bapanme" die Ausdrucksformen der Malerei großen Stils an¬
nehmen wollen, er ist aber in Wirklichkeit nicht über deu Panoramenstil hinaus¬
gekommen. Auf der beschneiten Straße des Dorfes Biefvillers hält der General
Pittie mit seinem Stäbe, während die vorwärtsstürmende Infanterie mit ihrem
Feuer die Straße bestreicht, an deren untersten Ende sich die Preußen in wilder
Flucht zurückziehen. Was der Katalog zur Erläuterung hinzufügt, übertrifft
noch die Darstellung des Malers: „Die Ankunft der Brigade Pittie entschied
den definitiven Rückzug der Preußen, welche das brennende Dorf aufgaben,
indem sie das Terrain mit ihren Toten bedeckt zurückließen." In Wahrheit
liegt die Sache aber so, daß das 33. ostpreußische Regiment, welches Biefvillers
kurz vorher erstürmt hatte, von einer feindlichen Übermacht an Infanterie und
Artillerie nach heißem Kampf zum Rückzüge gezwungen wurde. Dieser Rückzug


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[0364] Der pariser Salon. Detaillc, sind mit solcher Anschaulichkeit, mit solcher Überzeugungstreue von der Wahrheit des Dargestellten und mit einer so feurigen, sieghaften Beredtsamkeit gemalt, daß man sich am Ende nicht wundern kann, wenn sich die kommende Generation der Franzosen einbildet, daß ihre Väter als die physischen oder doch wenigstens als die moralischen Sieger aus dem großen Kampfe hervor¬ gegangen sind. In dem diesjährigen Salon wurde genau dieselbe Sprache ge¬ führt. Wenn man die große Treppe emporschritt, sah man oben im Vestibül ein riesiges Gemälde von Castellari, einem gebornen Belgier, aber naturali- sirten Franzosen, welches den Tod des preußischen Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld, am Tage vor Jena, in so dekorativer Manier darstellte, daß man das Ungetüm schon aus diesem Grunde in das Vestibül verbannt haben mag. In einem Glasschränke gegenüber, in welchem Erzeugnisse der Email- und Porzellanmalerei, der Graveur- und Steinschneidekunst ausgestellt waren, erblickte man die Vereinsmedaille der von Paul Deroulede geleiteten Patriotenliga. Die¬ selbe, von H. Dubois modellirt, zeigt auf dem Revers die französische Trikolore mit der Inschrift: Horreur se x^tris! auf der Zinne einer Verteidigungsmauer aufgepflanzt, im Hintergrunde den Straßburger Münster und die Thore von Metz und dazu die Legende: Hui vio<z? — Frg.nos! In den Sälen sah man so zahlreiche auf den Krieg bezügliche Bilder, als wäre der Friede erst vorgestern geschlossen worden. Wie ein mittelalterliches Heiligenbild hob sich Jean Benners „Trauernde Elsässeriu" mit der rührenden Devise: ^ ig. Kranes toujours! vom goldnen Hintergründe ab. Richemouts „Keller in der Luxembourgvorstadt während des Bombardements" rief mit seinen angsterfüllter Bewohnern die Schrecken der Belagerung wieder wach, und Viel-Cazals „Schlächterei während der Belagerung," in welcher man die blutigen Kadaver abgehäuteter Pferde in naturgroße sieht, bildete das schauderhafte Pendant dazu. Daneben nahmen sich die Episoden aus den Kämpfen selbst noch ganz harmlos aus. Daß sich auch auf diesen Darstellungen die Deutschen im Nachteil befinden, ist nach dem Gesagten selbstverständlich. Armand-Dumaresq hat für seine „Episode aus der Schlacht bei Bapanme" die Ausdrucksformen der Malerei großen Stils an¬ nehmen wollen, er ist aber in Wirklichkeit nicht über deu Panoramenstil hinaus¬ gekommen. Auf der beschneiten Straße des Dorfes Biefvillers hält der General Pittie mit seinem Stäbe, während die vorwärtsstürmende Infanterie mit ihrem Feuer die Straße bestreicht, an deren untersten Ende sich die Preußen in wilder Flucht zurückziehen. Was der Katalog zur Erläuterung hinzufügt, übertrifft noch die Darstellung des Malers: „Die Ankunft der Brigade Pittie entschied den definitiven Rückzug der Preußen, welche das brennende Dorf aufgaben, indem sie das Terrain mit ihren Toten bedeckt zurückließen." In Wahrheit liegt die Sache aber so, daß das 33. ostpreußische Regiment, welches Biefvillers kurz vorher erstürmt hatte, von einer feindlichen Übermacht an Infanterie und Artillerie nach heißem Kampf zum Rückzüge gezwungen wurde. Dieser Rückzug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/364>, abgerufen am 08.09.2024.