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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Friedrich preller.

och ist kein Jahrzehnt verflossen, seit der größte Landschaftsmaler
unsrer Zeit, der letzte hervorragende Vertreter der historischen
Landschaft, Friedrich Preller, aus dem Leben geschieden ist.
Und doch, in dem Augenblicke, wo eine vortreffliche Biographie
des Weimarischen Meisters aus der Feder des Dichters Otto
Roquette erscheint,*) muß uns und vielen, die persönliche Erinnerungen an
Preller bewahren und mit dem eigentümlich bedeutenden Manne gelebt haben,
die kurze Zeit, welche seit seinem Hinscheiden verflossen ist, schier wie ein
Menschenalter und darüber dünken -- so sehr haben sich alle Verhältnisse und
Anschauungen gewandelt. Werfen wir einen Blick auf die meisterhafte Porträt¬
zeichnung von der Hand des jüngern Preller, welche dem Buche in heliographischer
Nachbildung voransteht, so lebt das ernst charakteristische Gesicht des "alten
Preller" in all seiner Lebendigkeit vor uns auf, so meinen wir die kräftig un¬
geschminkte Sprache des Meisters wieder zu hören, wie wir sie so manchen un¬
vergeßlichen Tag und Abend vernommen haben. Beginnen wir aber das mit
warmer Pietät und feinem Verständnis für eine eigenartige Natur geschriebene,
auf persönlichen Erinnerungen und dem besten Material beruhende Buch Roquettes
zu lesen, versetzen wir uns an der Hand des Biographen in die persönliche Ent¬
wicklung, die Lebenszustände und die Künstlerschicksale Prellers, so steigen so
fremdartige, s'o total andre Erlebnisse als die heute gewohnten vor uns auf, daß
uns nicht einen Augenblick das Gefühl verläßt, es sei von vergangnen Tagen
die Rede, Dieser Reichtum der Phantasie und diese Energie des Strebens, diese
hohen geistigen Forderungen an sich selbst und andre, und daneben diese äußerste
Schlichtheit der persönlichen täglichen Existenz, diese jahrelange Ausdauer in
kleinen und oft kleinlichen Umgebungen, sie gehören einer andern Zeit und
Generation an, sie erscheinen geradezu dem Verständnis der Mehrzahl aller heute
lebenden entrückt! Mit geteilter Empfindung legen wir dies Geständnis ab;
denn ungleich den unbedingten Lobrednern des gegenwärtigen Zustandes sind
wir uns wohl bewußt, was auf dem Wege von damals zu heute verloren
gegangen ist,

Roquettes Prellerbiographie enthält das Porträt eines hoch bedeutenden
Künstlers und -- was freilich eins damit ist -- eines tief ursprünglichen
Menschen, Sie drängt in knapper Darstellung eine Fülle von Erinnerungen



*) Friedrich Preller, Ein Lebensbild von Otto Roquette, Frankfurt a. M,,
Literarische Anstalt (Rütten und Loening), 1833.
Friedrich preller.

och ist kein Jahrzehnt verflossen, seit der größte Landschaftsmaler
unsrer Zeit, der letzte hervorragende Vertreter der historischen
Landschaft, Friedrich Preller, aus dem Leben geschieden ist.
Und doch, in dem Augenblicke, wo eine vortreffliche Biographie
des Weimarischen Meisters aus der Feder des Dichters Otto
Roquette erscheint,*) muß uns und vielen, die persönliche Erinnerungen an
Preller bewahren und mit dem eigentümlich bedeutenden Manne gelebt haben,
die kurze Zeit, welche seit seinem Hinscheiden verflossen ist, schier wie ein
Menschenalter und darüber dünken — so sehr haben sich alle Verhältnisse und
Anschauungen gewandelt. Werfen wir einen Blick auf die meisterhafte Porträt¬
zeichnung von der Hand des jüngern Preller, welche dem Buche in heliographischer
Nachbildung voransteht, so lebt das ernst charakteristische Gesicht des „alten
Preller" in all seiner Lebendigkeit vor uns auf, so meinen wir die kräftig un¬
geschminkte Sprache des Meisters wieder zu hören, wie wir sie so manchen un¬
vergeßlichen Tag und Abend vernommen haben. Beginnen wir aber das mit
warmer Pietät und feinem Verständnis für eine eigenartige Natur geschriebene,
auf persönlichen Erinnerungen und dem besten Material beruhende Buch Roquettes
zu lesen, versetzen wir uns an der Hand des Biographen in die persönliche Ent¬
wicklung, die Lebenszustände und die Künstlerschicksale Prellers, so steigen so
fremdartige, s'o total andre Erlebnisse als die heute gewohnten vor uns auf, daß
uns nicht einen Augenblick das Gefühl verläßt, es sei von vergangnen Tagen
die Rede, Dieser Reichtum der Phantasie und diese Energie des Strebens, diese
hohen geistigen Forderungen an sich selbst und andre, und daneben diese äußerste
Schlichtheit der persönlichen täglichen Existenz, diese jahrelange Ausdauer in
kleinen und oft kleinlichen Umgebungen, sie gehören einer andern Zeit und
Generation an, sie erscheinen geradezu dem Verständnis der Mehrzahl aller heute
lebenden entrückt! Mit geteilter Empfindung legen wir dies Geständnis ab;
denn ungleich den unbedingten Lobrednern des gegenwärtigen Zustandes sind
wir uns wohl bewußt, was auf dem Wege von damals zu heute verloren
gegangen ist,

Roquettes Prellerbiographie enthält das Porträt eines hoch bedeutenden
Künstlers und — was freilich eins damit ist — eines tief ursprünglichen
Menschen, Sie drängt in knapper Darstellung eine Fülle von Erinnerungen



*) Friedrich Preller, Ein Lebensbild von Otto Roquette, Frankfurt a. M,,
Literarische Anstalt (Rütten und Loening), 1833.
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[0036] Friedrich preller. och ist kein Jahrzehnt verflossen, seit der größte Landschaftsmaler unsrer Zeit, der letzte hervorragende Vertreter der historischen Landschaft, Friedrich Preller, aus dem Leben geschieden ist. Und doch, in dem Augenblicke, wo eine vortreffliche Biographie des Weimarischen Meisters aus der Feder des Dichters Otto Roquette erscheint,*) muß uns und vielen, die persönliche Erinnerungen an Preller bewahren und mit dem eigentümlich bedeutenden Manne gelebt haben, die kurze Zeit, welche seit seinem Hinscheiden verflossen ist, schier wie ein Menschenalter und darüber dünken — so sehr haben sich alle Verhältnisse und Anschauungen gewandelt. Werfen wir einen Blick auf die meisterhafte Porträt¬ zeichnung von der Hand des jüngern Preller, welche dem Buche in heliographischer Nachbildung voransteht, so lebt das ernst charakteristische Gesicht des „alten Preller" in all seiner Lebendigkeit vor uns auf, so meinen wir die kräftig un¬ geschminkte Sprache des Meisters wieder zu hören, wie wir sie so manchen un¬ vergeßlichen Tag und Abend vernommen haben. Beginnen wir aber das mit warmer Pietät und feinem Verständnis für eine eigenartige Natur geschriebene, auf persönlichen Erinnerungen und dem besten Material beruhende Buch Roquettes zu lesen, versetzen wir uns an der Hand des Biographen in die persönliche Ent¬ wicklung, die Lebenszustände und die Künstlerschicksale Prellers, so steigen so fremdartige, s'o total andre Erlebnisse als die heute gewohnten vor uns auf, daß uns nicht einen Augenblick das Gefühl verläßt, es sei von vergangnen Tagen die Rede, Dieser Reichtum der Phantasie und diese Energie des Strebens, diese hohen geistigen Forderungen an sich selbst und andre, und daneben diese äußerste Schlichtheit der persönlichen täglichen Existenz, diese jahrelange Ausdauer in kleinen und oft kleinlichen Umgebungen, sie gehören einer andern Zeit und Generation an, sie erscheinen geradezu dem Verständnis der Mehrzahl aller heute lebenden entrückt! Mit geteilter Empfindung legen wir dies Geständnis ab; denn ungleich den unbedingten Lobrednern des gegenwärtigen Zustandes sind wir uns wohl bewußt, was auf dem Wege von damals zu heute verloren gegangen ist, Roquettes Prellerbiographie enthält das Porträt eines hoch bedeutenden Künstlers und — was freilich eins damit ist — eines tief ursprünglichen Menschen, Sie drängt in knapper Darstellung eine Fülle von Erinnerungen *) Friedrich Preller, Ein Lebensbild von Otto Roquette, Frankfurt a. M,, Literarische Anstalt (Rütten und Loening), 1833.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/36>, abgerufen am 08.09.2024.