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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Geschichte der Gegenreformation.

der Kurie durch, obwohl Johann von Hoya diese verfassungswidrige Anrufung
Päpstlicher Einmischung aufs schärfste tadelte. Aber er ließ sich dadurch eben
doch in römisches Fahrwasser drängen, ordnete eine Kirchenvisitation (1570)
und die Einführung des römischen Katechismus an.

Sein Tod brachte Salentin von Jsenburg, Erzbischof von Köln, auf den
Bischofstuhl (1574--1577), der nun sofort mit Eifer an die Wiederherstellung
der alten Kirche ging. Indes; blieb fast die einzige Frucht seiner Thätigkeit die
Gründung des nach ihm genannten Gymnasium Salentinianum (Anfang 1577),
und sein Verzicht kam nicht der römischen Partei zu Gute, verhalf vielmehr
Heinrich von Bremen zum Siege (1577--1585). fast in demselben Augenblick,
wo in Köln Gebhard von Waldburg triumphirte. Trotzdem vermochte er dem
Protestantismus den fehlenden Rechtsboden nicht zu schaffen. Gleichviel aus
welchen Gründen, seit dem Jahre 1580 begann im Domkapitel der spanisch-
römische Einfluß zu überwiegen. Im Oktober 1580 erschienen die ersten Jesuiten
aus Heiligcnstadt in Paderborn, kurz darauf wurden ihnen die obern Klassen
des Gymnasium Salentinianum übergeben, dann Dr. Michael v. Nvrtwyk zum
Weihbischof und Vivarius MiizMis in sviriwglibris erwählt; ja Bischof Heinrich
mußte sich die stärksten Vorwürfe über seine Lauheit gefallen lassen. Andrer¬
seits belebte wieder der Ausbruch des kölnischen Krieges (1582) die Hoffnungen
der protestantischen Partei: auf dem Herbstlandtage vom Jahre 1582 ver¬
ständigten sich die Städte über eine Petition an den Bischof, welche die freie
Religionsübung forderte, und der Adel beschwerte sich über Mißbrüuche der
geistlichen Gerichtsbarkeit. Da fiel die Entscheidung über Köln für Rom und
damit auch über Pnderbvrn. Anfang 1585 wurde das Gymnasium Salen¬
tinianum den Jesuiten übertragen, am 1. Juni desselben Jahres als Jesuiten¬
schule eröffnet, um fortan das Zentrum aller katholisireuden Bestrebungen im
Hochstift zu bleiben. Der Tod Heinrichs (22. April 1585), die Wahl Theodors
von Fürstenberg verschaffte Rom vollständig den Sieg. Es waren die ver-
hüngnisschwcrcn Jahre, in denen überall die katholisch-habsburgischen Tendenzen
im raschen Vordringen erscheinen. Mit dem Ausgange des kölnischen Krieges
fühlte sich die römische Partei in Deutschland zu den kühnsten Hoffnungen ent¬
flammt; 1582 war zuerst den protestantischen Administratoren der Stiftslande
Sitz und Stimme im Reichstage versagt und damit eine künstliche Mehrheit dem
Katholizismus gesichert worden. In den Niederlanden erfochten nach Oraniens
Ermordung die spanischen Waffen Sieg auf Sieg. 1585 erlag ihnen Ant¬
werpen, und der Gedanke, England ihnen zu unterwerfen, gewann Gestalt. In
diesem großen Zusammenhange erhalten die Vorgänge am Niederrhein und in
Westfalen erst die rechte Beleuchtung. Und als mit dem Scheitern der "un¬
überwindlichen Armada" im Jahre 1588 die Katholisiruug Englands sich als
ein Traum erwies, da hielt Spanien doch mit zäher Energie deu Plan fest,
die Niederlande wiederzugewinnen, und je weniger es noch imstande war, die


Zur Geschichte der Gegenreformation.

der Kurie durch, obwohl Johann von Hoya diese verfassungswidrige Anrufung
Päpstlicher Einmischung aufs schärfste tadelte. Aber er ließ sich dadurch eben
doch in römisches Fahrwasser drängen, ordnete eine Kirchenvisitation (1570)
und die Einführung des römischen Katechismus an.

Sein Tod brachte Salentin von Jsenburg, Erzbischof von Köln, auf den
Bischofstuhl (1574—1577), der nun sofort mit Eifer an die Wiederherstellung
der alten Kirche ging. Indes; blieb fast die einzige Frucht seiner Thätigkeit die
Gründung des nach ihm genannten Gymnasium Salentinianum (Anfang 1577),
und sein Verzicht kam nicht der römischen Partei zu Gute, verhalf vielmehr
Heinrich von Bremen zum Siege (1577—1585). fast in demselben Augenblick,
wo in Köln Gebhard von Waldburg triumphirte. Trotzdem vermochte er dem
Protestantismus den fehlenden Rechtsboden nicht zu schaffen. Gleichviel aus
welchen Gründen, seit dem Jahre 1580 begann im Domkapitel der spanisch-
römische Einfluß zu überwiegen. Im Oktober 1580 erschienen die ersten Jesuiten
aus Heiligcnstadt in Paderborn, kurz darauf wurden ihnen die obern Klassen
des Gymnasium Salentinianum übergeben, dann Dr. Michael v. Nvrtwyk zum
Weihbischof und Vivarius MiizMis in sviriwglibris erwählt; ja Bischof Heinrich
mußte sich die stärksten Vorwürfe über seine Lauheit gefallen lassen. Andrer¬
seits belebte wieder der Ausbruch des kölnischen Krieges (1582) die Hoffnungen
der protestantischen Partei: auf dem Herbstlandtage vom Jahre 1582 ver¬
ständigten sich die Städte über eine Petition an den Bischof, welche die freie
Religionsübung forderte, und der Adel beschwerte sich über Mißbrüuche der
geistlichen Gerichtsbarkeit. Da fiel die Entscheidung über Köln für Rom und
damit auch über Pnderbvrn. Anfang 1585 wurde das Gymnasium Salen¬
tinianum den Jesuiten übertragen, am 1. Juni desselben Jahres als Jesuiten¬
schule eröffnet, um fortan das Zentrum aller katholisireuden Bestrebungen im
Hochstift zu bleiben. Der Tod Heinrichs (22. April 1585), die Wahl Theodors
von Fürstenberg verschaffte Rom vollständig den Sieg. Es waren die ver-
hüngnisschwcrcn Jahre, in denen überall die katholisch-habsburgischen Tendenzen
im raschen Vordringen erscheinen. Mit dem Ausgange des kölnischen Krieges
fühlte sich die römische Partei in Deutschland zu den kühnsten Hoffnungen ent¬
flammt; 1582 war zuerst den protestantischen Administratoren der Stiftslande
Sitz und Stimme im Reichstage versagt und damit eine künstliche Mehrheit dem
Katholizismus gesichert worden. In den Niederlanden erfochten nach Oraniens
Ermordung die spanischen Waffen Sieg auf Sieg. 1585 erlag ihnen Ant¬
werpen, und der Gedanke, England ihnen zu unterwerfen, gewann Gestalt. In
diesem großen Zusammenhange erhalten die Vorgänge am Niederrhein und in
Westfalen erst die rechte Beleuchtung. Und als mit dem Scheitern der „un¬
überwindlichen Armada" im Jahre 1588 die Katholisiruug Englands sich als
ein Traum erwies, da hielt Spanien doch mit zäher Energie deu Plan fest,
die Niederlande wiederzugewinnen, und je weniger es noch imstande war, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/303>, abgerufen am 08.09.2024.