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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Geschichte der Gegenreformation.

so brach um die Herrschaft über Münster blutiger Kampf aus, dessen Ende
niemand absehen konnte; ließ sie ihn ein, dann erkannte sie Johann Wilhelm
von Kleve als Administrator an und verhalf damit der römischen Partei zum
Siege. Die Entscheidung über das Schicksal des Stifts lag also in den Händen
der Bürgerschaft von Münster. Aber vor dem Kampfe scheute sie zurück und
für die protestantische Sache hatte sie, ganz überwiegend katholisch, kein Interesse,
sie öffnete also dem Herzog von Kleve die Thore (7. Mai 1580).

Die jetzt folgende klevische Verwaltung (1580--85) konnte nun zwar gegen
die Protestanten nicht nachdrücklich vorgehen, weil sie im Lande selbst keinen
rechten Halt hatte, aber sie bildete den Übergang zur Regierung Ernsts von
Baiern, denn nachdem dieser nach dem Sturze Gebhards von Waldburg zum
Erzbistum Köln gelangt war (22. Mai 1583), war seine Wahl in Münster
nicht mehr zu hindern (18. Mai 1585). Mit ihr begann eine Periode entschlossener
Reaktion, der Protestantismus in Münster wurde vernichtet.

In demselben Jahre siegte dieselbe Partei im benachbarten Stift Pader-
born. Kaum irgendwo haben die kirchlichen Verhältnisse stärker geschwankt.
Bischof Hermann, Graf von Wied, zugleich Erzbischof von Köln, hatte die prote¬
stantische Bewegung zuerst unterdrückt (1532), dann nach seinem eignen Über¬
tritt sie gefördert (1545). Sein Sturz im Jahre 1546 brachte den Senior des
Kapitels, den in Italien zum eifrigen Katholiken gebildeten Neubert von Kerßen-
broick, ans Ruder (1547--68), der aber doch nun in der Hoffnung auf eine
nationale Kirchenreform nur das Augsburger Interim zur strengen Durch¬
führung brachte (1548). Als jedoch die benachbarten weltlichen Herrschaften,
wie Lippe und Rietberg, der größte Teil des Münsterlandes, die Reichsstädte
Dortmund und Lippstadt abfielen, da nahm die protestantische Bewegung auch
in Pciderborn einen neuen Aufschwung, wenn auch nicht ohne heftige Kämpfe.
Seit 1566 wirkte an der Marktkirche Martin Hoitband mit so großem Erfolge,
daß er zu Ostern des nächsten Jahres 500 Bürgern das Abendmahl nach
lutherischem Ritus reichen konnte. Der Bischof entsetzte ihn, aber dessen Tod
(12. Februar 1568) brachte ihn wieder ins Amt. Umso dringender schien es
dem Kapitel, durch eine Wahlkapitulation den neuen Bischof, Johann von Hoya
(1568--1574), zu entschiednen Maßregeln zu verpflichten, und wirklich wies
dieser alsbald Hoitband ans und bewog die Stadt Paderborn zu dem Vertrage,
sie wolle seinen Anordnungen bis zu einer Kirchenreform durch das Reich sich
fügen (11. Februar 1569). Indeß half das wenig, die Bürger gingen zum
evangelischen Gottesdienst nach Lippe hinüber, und auch in Warburg hing die
Mehrzahl dem Protestantismus an. Die im ganzen maßvolle Haltung des
Bischofs, der meist den: Stifte fern blieb und die Regierung sogar dem evangelisch
gesinnten Johann von Büren überließ, erweckte ihm nun aber heftige Gegner¬
schaft im Kapitel. Dessen römisch gesinnte Minderheit nämlich wählte zum
Domdechanten Heinrich von Meschede und setzte die Bestätigung desselben bei


Zur Geschichte der Gegenreformation.

so brach um die Herrschaft über Münster blutiger Kampf aus, dessen Ende
niemand absehen konnte; ließ sie ihn ein, dann erkannte sie Johann Wilhelm
von Kleve als Administrator an und verhalf damit der römischen Partei zum
Siege. Die Entscheidung über das Schicksal des Stifts lag also in den Händen
der Bürgerschaft von Münster. Aber vor dem Kampfe scheute sie zurück und
für die protestantische Sache hatte sie, ganz überwiegend katholisch, kein Interesse,
sie öffnete also dem Herzog von Kleve die Thore (7. Mai 1580).

Die jetzt folgende klevische Verwaltung (1580—85) konnte nun zwar gegen
die Protestanten nicht nachdrücklich vorgehen, weil sie im Lande selbst keinen
rechten Halt hatte, aber sie bildete den Übergang zur Regierung Ernsts von
Baiern, denn nachdem dieser nach dem Sturze Gebhards von Waldburg zum
Erzbistum Köln gelangt war (22. Mai 1583), war seine Wahl in Münster
nicht mehr zu hindern (18. Mai 1585). Mit ihr begann eine Periode entschlossener
Reaktion, der Protestantismus in Münster wurde vernichtet.

In demselben Jahre siegte dieselbe Partei im benachbarten Stift Pader-
born. Kaum irgendwo haben die kirchlichen Verhältnisse stärker geschwankt.
Bischof Hermann, Graf von Wied, zugleich Erzbischof von Köln, hatte die prote¬
stantische Bewegung zuerst unterdrückt (1532), dann nach seinem eignen Über¬
tritt sie gefördert (1545). Sein Sturz im Jahre 1546 brachte den Senior des
Kapitels, den in Italien zum eifrigen Katholiken gebildeten Neubert von Kerßen-
broick, ans Ruder (1547—68), der aber doch nun in der Hoffnung auf eine
nationale Kirchenreform nur das Augsburger Interim zur strengen Durch¬
führung brachte (1548). Als jedoch die benachbarten weltlichen Herrschaften,
wie Lippe und Rietberg, der größte Teil des Münsterlandes, die Reichsstädte
Dortmund und Lippstadt abfielen, da nahm die protestantische Bewegung auch
in Pciderborn einen neuen Aufschwung, wenn auch nicht ohne heftige Kämpfe.
Seit 1566 wirkte an der Marktkirche Martin Hoitband mit so großem Erfolge,
daß er zu Ostern des nächsten Jahres 500 Bürgern das Abendmahl nach
lutherischem Ritus reichen konnte. Der Bischof entsetzte ihn, aber dessen Tod
(12. Februar 1568) brachte ihn wieder ins Amt. Umso dringender schien es
dem Kapitel, durch eine Wahlkapitulation den neuen Bischof, Johann von Hoya
(1568—1574), zu entschiednen Maßregeln zu verpflichten, und wirklich wies
dieser alsbald Hoitband ans und bewog die Stadt Paderborn zu dem Vertrage,
sie wolle seinen Anordnungen bis zu einer Kirchenreform durch das Reich sich
fügen (11. Februar 1569). Indeß half das wenig, die Bürger gingen zum
evangelischen Gottesdienst nach Lippe hinüber, und auch in Warburg hing die
Mehrzahl dem Protestantismus an. Die im ganzen maßvolle Haltung des
Bischofs, der meist den: Stifte fern blieb und die Regierung sogar dem evangelisch
gesinnten Johann von Büren überließ, erweckte ihm nun aber heftige Gegner¬
schaft im Kapitel. Dessen römisch gesinnte Minderheit nämlich wählte zum
Domdechanten Heinrich von Meschede und setzte die Bestätigung desselben bei


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[0302] Zur Geschichte der Gegenreformation. so brach um die Herrschaft über Münster blutiger Kampf aus, dessen Ende niemand absehen konnte; ließ sie ihn ein, dann erkannte sie Johann Wilhelm von Kleve als Administrator an und verhalf damit der römischen Partei zum Siege. Die Entscheidung über das Schicksal des Stifts lag also in den Händen der Bürgerschaft von Münster. Aber vor dem Kampfe scheute sie zurück und für die protestantische Sache hatte sie, ganz überwiegend katholisch, kein Interesse, sie öffnete also dem Herzog von Kleve die Thore (7. Mai 1580). Die jetzt folgende klevische Verwaltung (1580—85) konnte nun zwar gegen die Protestanten nicht nachdrücklich vorgehen, weil sie im Lande selbst keinen rechten Halt hatte, aber sie bildete den Übergang zur Regierung Ernsts von Baiern, denn nachdem dieser nach dem Sturze Gebhards von Waldburg zum Erzbistum Köln gelangt war (22. Mai 1583), war seine Wahl in Münster nicht mehr zu hindern (18. Mai 1585). Mit ihr begann eine Periode entschlossener Reaktion, der Protestantismus in Münster wurde vernichtet. In demselben Jahre siegte dieselbe Partei im benachbarten Stift Pader- born. Kaum irgendwo haben die kirchlichen Verhältnisse stärker geschwankt. Bischof Hermann, Graf von Wied, zugleich Erzbischof von Köln, hatte die prote¬ stantische Bewegung zuerst unterdrückt (1532), dann nach seinem eignen Über¬ tritt sie gefördert (1545). Sein Sturz im Jahre 1546 brachte den Senior des Kapitels, den in Italien zum eifrigen Katholiken gebildeten Neubert von Kerßen- broick, ans Ruder (1547—68), der aber doch nun in der Hoffnung auf eine nationale Kirchenreform nur das Augsburger Interim zur strengen Durch¬ führung brachte (1548). Als jedoch die benachbarten weltlichen Herrschaften, wie Lippe und Rietberg, der größte Teil des Münsterlandes, die Reichsstädte Dortmund und Lippstadt abfielen, da nahm die protestantische Bewegung auch in Pciderborn einen neuen Aufschwung, wenn auch nicht ohne heftige Kämpfe. Seit 1566 wirkte an der Marktkirche Martin Hoitband mit so großem Erfolge, daß er zu Ostern des nächsten Jahres 500 Bürgern das Abendmahl nach lutherischem Ritus reichen konnte. Der Bischof entsetzte ihn, aber dessen Tod (12. Februar 1568) brachte ihn wieder ins Amt. Umso dringender schien es dem Kapitel, durch eine Wahlkapitulation den neuen Bischof, Johann von Hoya (1568—1574), zu entschiednen Maßregeln zu verpflichten, und wirklich wies dieser alsbald Hoitband ans und bewog die Stadt Paderborn zu dem Vertrage, sie wolle seinen Anordnungen bis zu einer Kirchenreform durch das Reich sich fügen (11. Februar 1569). Indeß half das wenig, die Bürger gingen zum evangelischen Gottesdienst nach Lippe hinüber, und auch in Warburg hing die Mehrzahl dem Protestantismus an. Die im ganzen maßvolle Haltung des Bischofs, der meist den: Stifte fern blieb und die Regierung sogar dem evangelisch gesinnten Johann von Büren überließ, erweckte ihm nun aber heftige Gegner¬ schaft im Kapitel. Dessen römisch gesinnte Minderheit nämlich wählte zum Domdechanten Heinrich von Meschede und setzte die Bestätigung desselben bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/302>, abgerufen am 08.09.2024.