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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Lngcres und weiteres.

die Notwendigkeit des Vertrages für unsern Handelsstand nachwiesen und das
große Interesse desselben an dem Abschluß unter Abdruck von Eingaben aus
den verschiedensten Kreisen darlegten. Graf Benomar, der spanische Gesandte
in Berlin, konnte sich keinen bessern Bundesgenossen für das Durchdringe" seiner
Forderungen wünschen, denn wenn Deutschland so stark bei dem Vertrags¬
abschluß beteiligt war, dann mußte es sich auch zu jeder Konzession bereit er¬
klären, und nach Art der südländischen Völker wurden die Offerten jederzeit als
Aufschläge betrachtet, an denen man etwas abhandeln mußte. Bei einem Teil
der Presse mag dies Versälle" auf Mangel an Takt zurückzuführen sein, bei
einem andern aber lag offenbar der Wunsch zu Grunde, den Abschluß zu er¬
schweren und alsdann die Schuld der Regierung und ihrer verhängnisvollen
Zollpolitik zuzuschieben. Als die Verhandlungen gescheitert schienen, fehlte es
auch nicht an Variationen dieses Leitmotivs. Endlich ist es nach vieler Mühe
und trotz vieler Hindernisse gelungen -- was England vergeblich anstrebte --,
mit Spanien das Vertragsverhältnis wieder herzustellen, und sofort werden ge¬
wisse Konzessionen als eine politische Niederlage des Reichs bezeichnet.

Nun ist es einleuchtend, daß bei einem solchen Vertrage Vorteile und
Konzessionen einander die Wagschciale halten und daß man es Spanien nicht
verargen kann, wenn es nicht bloß zu Gunsten der in der liberalen Presse so
lebhaft vertretenen Interessen des deutschen Hcmdelsstandcs Vereinbarungen ein¬
gehen will. Auch auf feiten der Reichsregierung wird man es billigenswcrter
finden, wenn sie der Textilindustrie des deutschen Zollvereins ihren bis¬
herigen Export sicherte, als auf deren Sicherung zu Gunsten des halben Dutzends
russischer Spritveredler in Hamburg verzichtete. Thut nichts, der Kanzler wird
verbrannt! Es kommt aber vor allem in Betracht, daß diejenigen Staaten,
deren heimische Industrie erst in der Entwicklung begriffen ist, sich an den
früheren Fehlern der deutschen Freihandels- und Zollpolitik eine Lehre gekauft
haben. Ein konkurrcnzstärkcres Land wird großmütig dem Vertragsgegner
alle möglichen Konzessionen machen, denn diese stehen eigentlich mir ans dem
Papier, in Wahrheit bedeuten sie nichts. Ein Land, das seine Industrie zu
schützen allen Grund hat, ist mit Bewilligung von Handels- und Zollvvrteilen
zurückhaltend. Unter solchen Verhältnissen erscheint das Erreichte anch als das
wirklich Erreichbare.

In der letzten Neichstagssession hat der Reichskanzler einen Handelsvertrag
mit Mexiko ermöglicht und durch denselben die Amerikaner zu Gunsten des
deutschen Handels aus dem Felde geschlagen, einen Handelsvertrag mit Serbien
herbeigeführt und dadurch Osterreich gegenüber für die deutschen Interessen die
größten Vorteile erlaugt, in Spanien dasselbe glückliche Ergebnis dem englischen
Rivalen gegenüber erreicht. Es ist endlich im wesentlichen der alte Handels¬
vertrag mit Italien erneuert worden. Wir sollten meinen, daß das in einer
kurzen Spanne Zeit Resultate sind, wie sie keine andre Nation aufzuweisen


Lngcres und weiteres.

die Notwendigkeit des Vertrages für unsern Handelsstand nachwiesen und das
große Interesse desselben an dem Abschluß unter Abdruck von Eingaben aus
den verschiedensten Kreisen darlegten. Graf Benomar, der spanische Gesandte
in Berlin, konnte sich keinen bessern Bundesgenossen für das Durchdringe» seiner
Forderungen wünschen, denn wenn Deutschland so stark bei dem Vertrags¬
abschluß beteiligt war, dann mußte es sich auch zu jeder Konzession bereit er¬
klären, und nach Art der südländischen Völker wurden die Offerten jederzeit als
Aufschläge betrachtet, an denen man etwas abhandeln mußte. Bei einem Teil
der Presse mag dies Versälle» auf Mangel an Takt zurückzuführen sein, bei
einem andern aber lag offenbar der Wunsch zu Grunde, den Abschluß zu er¬
schweren und alsdann die Schuld der Regierung und ihrer verhängnisvollen
Zollpolitik zuzuschieben. Als die Verhandlungen gescheitert schienen, fehlte es
auch nicht an Variationen dieses Leitmotivs. Endlich ist es nach vieler Mühe
und trotz vieler Hindernisse gelungen — was England vergeblich anstrebte —,
mit Spanien das Vertragsverhältnis wieder herzustellen, und sofort werden ge¬
wisse Konzessionen als eine politische Niederlage des Reichs bezeichnet.

Nun ist es einleuchtend, daß bei einem solchen Vertrage Vorteile und
Konzessionen einander die Wagschciale halten und daß man es Spanien nicht
verargen kann, wenn es nicht bloß zu Gunsten der in der liberalen Presse so
lebhaft vertretenen Interessen des deutschen Hcmdelsstandcs Vereinbarungen ein¬
gehen will. Auch auf feiten der Reichsregierung wird man es billigenswcrter
finden, wenn sie der Textilindustrie des deutschen Zollvereins ihren bis¬
herigen Export sicherte, als auf deren Sicherung zu Gunsten des halben Dutzends
russischer Spritveredler in Hamburg verzichtete. Thut nichts, der Kanzler wird
verbrannt! Es kommt aber vor allem in Betracht, daß diejenigen Staaten,
deren heimische Industrie erst in der Entwicklung begriffen ist, sich an den
früheren Fehlern der deutschen Freihandels- und Zollpolitik eine Lehre gekauft
haben. Ein konkurrcnzstärkcres Land wird großmütig dem Vertragsgegner
alle möglichen Konzessionen machen, denn diese stehen eigentlich mir ans dem
Papier, in Wahrheit bedeuten sie nichts. Ein Land, das seine Industrie zu
schützen allen Grund hat, ist mit Bewilligung von Handels- und Zollvvrteilen
zurückhaltend. Unter solchen Verhältnissen erscheint das Erreichte anch als das
wirklich Erreichbare.

In der letzten Neichstagssession hat der Reichskanzler einen Handelsvertrag
mit Mexiko ermöglicht und durch denselben die Amerikaner zu Gunsten des
deutschen Handels aus dem Felde geschlagen, einen Handelsvertrag mit Serbien
herbeigeführt und dadurch Osterreich gegenüber für die deutschen Interessen die
größten Vorteile erlaugt, in Spanien dasselbe glückliche Ergebnis dem englischen
Rivalen gegenüber erreicht. Es ist endlich im wesentlichen der alte Handels¬
vertrag mit Italien erneuert worden. Wir sollten meinen, daß das in einer
kurzen Spanne Zeit Resultate sind, wie sie keine andre Nation aufzuweisen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/276>, abgerufen am 08.09.2024.