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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Notizen.

Wir wollen gehen, antwortete die Gräfin. Sie sprach in einer ruhigen,
aber sonderbaren und bei ihr nicht gewöhnlichen Weise, sodaß Dietrich sie
verwundert anblickte. Er sah, daß sie zu dem Freiherrn von Valdeghem hin¬
übersah, der jetzt aus der Nische hervorkam und sich ihnen anschloß, als sie
die Bibliothek verließen.

Es ist sehr bedauerlich, daß Ihre Fräulein Braut sich nicht wohl befindet,
sagte der Freiherr, indem er seine grauen Augen forschend auf Dietrichs Ge¬
sicht heftete.

Ja, in der That, antwortete dieser, ich bin sehr in Unruhe darüber.

Ist die Baronesse von zarter Konstitution? fragte jener.

O durchaus nicht, sie ist gottlob sehr gesund -- im allgemeinen, sagte
Dietrich.

Eigentümlich, daß selbst eine sehr gesunde junge Dame durch zu große
Freude leidend werden kann, entgegnete der Freiherr.

Ich werde gehen, mich nach ihr zu erkundigen, sagte Dietrich, dem diese
Unterhaltung unbehaglich war. Er entfernte sich grüßend, und der Herr von
Valdeghem setzte seinen Weg mit der Gräfin allein fort.

Nun aber vor allem dir meinen herzlichsten Glückwunsch, liebe Sibylle,
sagte er. Das nenne ich eine gute Partie. Die Herrschaft Eichhausen! Wahr¬
haftig, nächst der Freude über eignes Glück.kommt doch für ein teilnehmendes
Herz die Freude, daß unsre besten Freunde Glück haben.

Gräfin Sibylle antwortete nicht, bis ihr eignes Zimmer erreicht war,
dort trat sie mit ihrem Begleiter ein, versicherte sich, daß ihr Schlafzimmer
leer sei, und forderte dann ihren unerwünschten Besucher mit entschiednen Tone
auf, zu sagen, in welcher Absicht er gekommen sei. (Fortsetzung folgt.)


I^MMM'

Notizen.
Eine Wahlgeschichte ans Würtemberg.

Im Monat März des vorigen
Jahres wurde vom Reichstage die Wahl des der konservativen Richtung ange¬
hörigen Regicrungsratcs Nickert in Ulm dem Antrage der Wahlprüfungs-
kommissivn entsprechend für ungiltig erklärt, weil -- von einem andern Anfechtungs-
grundc abgesehen -- in einem Schreiben des Vorstandes des Olicramts Ulm,
des Regierungsrath Nampcicher, an den Schultheißen Fischer in Assetfingen eine
amtliche Wahlbceinflussuug gefunden wurde. Der fragliche Brief lautete: "Ver¬
traulich. An Herrn Schultheiß Fischer in Asselfingcn. Als Kandidat der konser¬
vativen Partei ist um Herr Regierungsrat Nickert dahier aufgetreten. Bitte zu
Ihrem Teil mitzuwirken, daß die Wähler auch abstimmen. Mit Gruß Rampacher.
Ulm, 16. X. 81." Der Brief gelangte in einem mit der Adresse Schulthcißeuamt
Asselfingeu versehenen Umschlag, auf welchem die Bemerkung "portopflichtige
Dienstsache innerhalb des ObcramtsbczirkS" vorgedruckt und welcher mit einer für
solche Dienstsachen bestimmten Fünfpfcnnig-Freimarke versehen war, in die Hände
des Schultheißen Fischer. Nachdem ihn der letztere gelesen hatte, legte er ihn in
dein Umschlag in seinem Amtszimmer auf dein Rathause zu Asselfingen zur Seite,
und dort wurde der Brief am 22. Oktober 1881 von einem Unbefugter heimlich
weggenommen.


Notizen.

Wir wollen gehen, antwortete die Gräfin. Sie sprach in einer ruhigen,
aber sonderbaren und bei ihr nicht gewöhnlichen Weise, sodaß Dietrich sie
verwundert anblickte. Er sah, daß sie zu dem Freiherrn von Valdeghem hin¬
übersah, der jetzt aus der Nische hervorkam und sich ihnen anschloß, als sie
die Bibliothek verließen.

Es ist sehr bedauerlich, daß Ihre Fräulein Braut sich nicht wohl befindet,
sagte der Freiherr, indem er seine grauen Augen forschend auf Dietrichs Ge¬
sicht heftete.

Ja, in der That, antwortete dieser, ich bin sehr in Unruhe darüber.

Ist die Baronesse von zarter Konstitution? fragte jener.

O durchaus nicht, sie ist gottlob sehr gesund — im allgemeinen, sagte
Dietrich.

Eigentümlich, daß selbst eine sehr gesunde junge Dame durch zu große
Freude leidend werden kann, entgegnete der Freiherr.

Ich werde gehen, mich nach ihr zu erkundigen, sagte Dietrich, dem diese
Unterhaltung unbehaglich war. Er entfernte sich grüßend, und der Herr von
Valdeghem setzte seinen Weg mit der Gräfin allein fort.

Nun aber vor allem dir meinen herzlichsten Glückwunsch, liebe Sibylle,
sagte er. Das nenne ich eine gute Partie. Die Herrschaft Eichhausen! Wahr¬
haftig, nächst der Freude über eignes Glück.kommt doch für ein teilnehmendes
Herz die Freude, daß unsre besten Freunde Glück haben.

Gräfin Sibylle antwortete nicht, bis ihr eignes Zimmer erreicht war,
dort trat sie mit ihrem Begleiter ein, versicherte sich, daß ihr Schlafzimmer
leer sei, und forderte dann ihren unerwünschten Besucher mit entschiednen Tone
auf, zu sagen, in welcher Absicht er gekommen sei. (Fortsetzung folgt.)


I^MMM'

Notizen.
Eine Wahlgeschichte ans Würtemberg.

Im Monat März des vorigen
Jahres wurde vom Reichstage die Wahl des der konservativen Richtung ange¬
hörigen Regicrungsratcs Nickert in Ulm dem Antrage der Wahlprüfungs-
kommissivn entsprechend für ungiltig erklärt, weil — von einem andern Anfechtungs-
grundc abgesehen — in einem Schreiben des Vorstandes des Olicramts Ulm,
des Regierungsrath Nampcicher, an den Schultheißen Fischer in Assetfingen eine
amtliche Wahlbceinflussuug gefunden wurde. Der fragliche Brief lautete: „Ver¬
traulich. An Herrn Schultheiß Fischer in Asselfingcn. Als Kandidat der konser¬
vativen Partei ist um Herr Regierungsrat Nickert dahier aufgetreten. Bitte zu
Ihrem Teil mitzuwirken, daß die Wähler auch abstimmen. Mit Gruß Rampacher.
Ulm, 16. X. 81." Der Brief gelangte in einem mit der Adresse Schulthcißeuamt
Asselfingeu versehenen Umschlag, auf welchem die Bemerkung „portopflichtige
Dienstsache innerhalb des ObcramtsbczirkS" vorgedruckt und welcher mit einer für
solche Dienstsachen bestimmten Fünfpfcnnig-Freimarke versehen war, in die Hände
des Schultheißen Fischer. Nachdem ihn der letztere gelesen hatte, legte er ihn in
dein Umschlag in seinem Amtszimmer auf dein Rathause zu Asselfingen zur Seite,
und dort wurde der Brief am 22. Oktober 1881 von einem Unbefugter heimlich
weggenommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/269>, abgerufen am 08.09.2024.