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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Dialektschreibung.

seiner vollen Lösung harrt, wenn er uns auch zunächst nicht den Glauben an
die Echtheit der geschichtlichen Unterlagen Bormcmns stören soll. Umsoweniger,
als seine Veröffentlichungen in den meisterhaften Abbildungen von dem "agade-
mischen Professer der Malcrgunst" E. Ille aufs glaubwürdigste unterstützt
werden. Diese Bilder zeigen durchaus den Stil der klassischen Taschenbuch-
illustrativnen von Lips, Usteri und verwandten Meistern, fügen sich also vor¬
trefflich in die Zeit um den Ausgang des vorigen und den Anfang dieses
Jahrhunderts ein.

Drum genug den Bedenken. Wer sich und andern ein paar vergnügte
Stunden bereiten will, wer um ein heitres Büchlein für die Sommerfrische in
Verlegenheit ist, der greife zu Herrn Engemann. Dort wird er finden, was
sein Herz wünscht.

Was uns freilich auch an diesen hübschen Scherzen wieder aufgefallen ist,
das ist die nach unsrer Meinung zum Teil entschieden fehlerhafte und über¬
triebene schriftliche Darstellung der Mundart. Als wir zu Weihnachten vorigen
Jahres das neueste Bändchen der Bormcmnschen "Boesieen" anzeigten, bemerkten
wir, daß uns die Art, wie Bormann den Dialekt schreibe, bisweilen mehr auf
lachbegierige Augen als auf feinfühlige Ohren berechnet zu sein scheine. Herr
Bormann verteidigte sich damals (im Januar d. I.) gegen unsern Tadel in
einem an die Redaktion dieser Blätter gerichteten Gedichte: "Der alde Leibzger
an den cmenymen Herrn Grensboden-Kridigus, als derselwige seine ordhegra-
phischen Prinzipchen ahngezweifelt hatte," das wir damals sofort und voll¬
ständig abgedruckt haben würden, wenn wir geglaubt hätten, damit dem Ruhmes¬
kranze des Dichters "e reich Lorbeerblatt hinzuzefiegen " Wir haben uns damit
begnügt, es sorgfältig im Nedaktionspulte zu verwahren. Heute wollen wir
wenigstens die Hauptstrophen daraus mitteilen, in denen der Dichter schildert,
welche Mühe er sichs habe kosten lassen, den Leipziger Dialekt korrekt nieder¬
zuschreiben. Er klagt:


Ich warf mich voll von Forscherfcier
Uff Lepsius - Standard-Alphawct.
Las, was in Bricke un in Meyer,
In Merkel un in Whitney steht.
In Arm Garl Albrechts Grammadicke
Gaur ich wie Salemo mer vor,
Und stand in nächsten Oogenblicke
Doch wie die Güb vor'n melen Dhor.
Denn ach! wer sagt mer zum Exembel:
Wie schreibt sichs Leibzger "Ganabee"?
Wie "Gagadu" un "Geddcrdembel"?
Mit p t k? mit b d g?
Als Sacksen läßt bei'n harten be-en
Eegal der Athen uns in Stich;

Grenzboten III. 1883. 31
Zur Dialektschreibung.

seiner vollen Lösung harrt, wenn er uns auch zunächst nicht den Glauben an
die Echtheit der geschichtlichen Unterlagen Bormcmns stören soll. Umsoweniger,
als seine Veröffentlichungen in den meisterhaften Abbildungen von dem „agade-
mischen Professer der Malcrgunst" E. Ille aufs glaubwürdigste unterstützt
werden. Diese Bilder zeigen durchaus den Stil der klassischen Taschenbuch-
illustrativnen von Lips, Usteri und verwandten Meistern, fügen sich also vor¬
trefflich in die Zeit um den Ausgang des vorigen und den Anfang dieses
Jahrhunderts ein.

Drum genug den Bedenken. Wer sich und andern ein paar vergnügte
Stunden bereiten will, wer um ein heitres Büchlein für die Sommerfrische in
Verlegenheit ist, der greife zu Herrn Engemann. Dort wird er finden, was
sein Herz wünscht.

Was uns freilich auch an diesen hübschen Scherzen wieder aufgefallen ist,
das ist die nach unsrer Meinung zum Teil entschieden fehlerhafte und über¬
triebene schriftliche Darstellung der Mundart. Als wir zu Weihnachten vorigen
Jahres das neueste Bändchen der Bormcmnschen „Boesieen" anzeigten, bemerkten
wir, daß uns die Art, wie Bormann den Dialekt schreibe, bisweilen mehr auf
lachbegierige Augen als auf feinfühlige Ohren berechnet zu sein scheine. Herr
Bormann verteidigte sich damals (im Januar d. I.) gegen unsern Tadel in
einem an die Redaktion dieser Blätter gerichteten Gedichte: „Der alde Leibzger
an den cmenymen Herrn Grensboden-Kridigus, als derselwige seine ordhegra-
phischen Prinzipchen ahngezweifelt hatte," das wir damals sofort und voll¬
ständig abgedruckt haben würden, wenn wir geglaubt hätten, damit dem Ruhmes¬
kranze des Dichters „e reich Lorbeerblatt hinzuzefiegen " Wir haben uns damit
begnügt, es sorgfältig im Nedaktionspulte zu verwahren. Heute wollen wir
wenigstens die Hauptstrophen daraus mitteilen, in denen der Dichter schildert,
welche Mühe er sichs habe kosten lassen, den Leipziger Dialekt korrekt nieder¬
zuschreiben. Er klagt:


Ich warf mich voll von Forscherfcier
Uff Lepsius - Standard-Alphawct.
Las, was in Bricke un in Meyer,
In Merkel un in Whitney steht.
In Arm Garl Albrechts Grammadicke
Gaur ich wie Salemo mer vor,
Und stand in nächsten Oogenblicke
Doch wie die Güb vor'n melen Dhor.
Denn ach! wer sagt mer zum Exembel:
Wie schreibt sichs Leibzger „Ganabee"?
Wie „Gagadu" un „Geddcrdembel"?
Mit p t k? mit b d g?
Als Sacksen läßt bei'n harten be-en
Eegal der Athen uns in Stich;

Grenzboten III. 1883. 31
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[0249] Zur Dialektschreibung. seiner vollen Lösung harrt, wenn er uns auch zunächst nicht den Glauben an die Echtheit der geschichtlichen Unterlagen Bormcmns stören soll. Umsoweniger, als seine Veröffentlichungen in den meisterhaften Abbildungen von dem „agade- mischen Professer der Malcrgunst" E. Ille aufs glaubwürdigste unterstützt werden. Diese Bilder zeigen durchaus den Stil der klassischen Taschenbuch- illustrativnen von Lips, Usteri und verwandten Meistern, fügen sich also vor¬ trefflich in die Zeit um den Ausgang des vorigen und den Anfang dieses Jahrhunderts ein. Drum genug den Bedenken. Wer sich und andern ein paar vergnügte Stunden bereiten will, wer um ein heitres Büchlein für die Sommerfrische in Verlegenheit ist, der greife zu Herrn Engemann. Dort wird er finden, was sein Herz wünscht. Was uns freilich auch an diesen hübschen Scherzen wieder aufgefallen ist, das ist die nach unsrer Meinung zum Teil entschieden fehlerhafte und über¬ triebene schriftliche Darstellung der Mundart. Als wir zu Weihnachten vorigen Jahres das neueste Bändchen der Bormcmnschen „Boesieen" anzeigten, bemerkten wir, daß uns die Art, wie Bormann den Dialekt schreibe, bisweilen mehr auf lachbegierige Augen als auf feinfühlige Ohren berechnet zu sein scheine. Herr Bormann verteidigte sich damals (im Januar d. I.) gegen unsern Tadel in einem an die Redaktion dieser Blätter gerichteten Gedichte: „Der alde Leibzger an den cmenymen Herrn Grensboden-Kridigus, als derselwige seine ordhegra- phischen Prinzipchen ahngezweifelt hatte," das wir damals sofort und voll¬ ständig abgedruckt haben würden, wenn wir geglaubt hätten, damit dem Ruhmes¬ kranze des Dichters „e reich Lorbeerblatt hinzuzefiegen " Wir haben uns damit begnügt, es sorgfältig im Nedaktionspulte zu verwahren. Heute wollen wir wenigstens die Hauptstrophen daraus mitteilen, in denen der Dichter schildert, welche Mühe er sichs habe kosten lassen, den Leipziger Dialekt korrekt nieder¬ zuschreiben. Er klagt: Ich warf mich voll von Forscherfcier Uff Lepsius - Standard-Alphawct. Las, was in Bricke un in Meyer, In Merkel un in Whitney steht. In Arm Garl Albrechts Grammadicke Gaur ich wie Salemo mer vor, Und stand in nächsten Oogenblicke Doch wie die Güb vor'n melen Dhor. Denn ach! wer sagt mer zum Exembel: Wie schreibt sichs Leibzger „Ganabee"? Wie „Gagadu" un „Geddcrdembel"? Mit p t k? mit b d g? Als Sacksen läßt bei'n harten be-en Eegal der Athen uns in Stich; Grenzboten III. 1883. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/249>, abgerufen am 08.09.2024.