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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Franzosen in Madagaskar.

alle Länder, welche sie entdecken und erobern würde. Der Befehlshaber des
Geschwaders, welches 1669 in das indische Meer abging, nahm die Weisung
mit, alle Vorteile wahrzunehmen, die man aus bereits okkupirten Punkten
ziehen könne, und sich nach neuen günstigen Örtlichkeiten umzusehen. Der Ver¬
such Colberts mißglückte gleichfalls. 1672 metzelten die Eingebornen alle Fran¬
zosen nieder, die sich zur Mitternachtsmesse in der Kirche vom Fort Dauphin
versammelt hatten. Ludwig der Vierzehnte konnte in dieser Zeit keine Flotte
nach Madagaskar schicken, um aber das Recht Frankreichs nicht fallen zu lassen,
erklärte vier Erlasse des geheimen Rates (einer vom Juni 1686, einer vom
Mai 1719, einer vom Juli 1720 und ein letzter vom Juni 1721) Madagaskar
für eine französische Besitzung. Die Nationalbibliothek zu Paris besitzt eine
Karte vou Madagaskar aus dem Jahre 1731, welche jetzt in der R,conv
8ol6n,MaM veröffentlicht worden ist. Auf derselben ist die ganze Ostküste
zwischen den Buchten von Antongil und Se. Augustin als "unter den Regierungen
Ludwigs des Dreizehnter und Ludwigs des Vierzehnten Frankreich unterworfen
und tributpflichtig" bezeichnet. Die Franzosen hatten damals nach dieser Karte
Niederlassungen in Fort Dauphin, Manfiata, Ambule, Manambudre, Manan-
gara, Madadame, Mancmzari, Andevurantc, Tamatave, Foulepoiute, Tenerivc,
Pointe a Larree, Tintingue, Mancmhcira, Porte-Choiseuil und Marosse. Zu
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts besaßen sie davon nur noch Foulepoiute
und Tamatave, und diese wurden im Februar 1811 von den Engländern ange¬
griffen und zerstört. Im März 1817 wurden die Niederlassungen an der Ost¬
küste wieder in Besitz genommen, 1818 Se. Marie und Tintingue, 1819 Man¬
fiata und Fort Dauphin, aber nur Se. Marie erhielt sich.

1841 erstreckte sich der französische Einfluß noch auf einen großen Teil der
Ostküste Madagaskars. In diesem Jahre trat die Königin der Sakalawas,
Tsumeka, durch einen mit dem Korvettenkapitän Dehemme und dem Marine¬
hauptmann Passot abgeschlossenen Vertrag an Frankreich die Inseln Rossi Be
und Rossi Kumba, sowie alle Souveränetätsrechte ab, die sie auf der Nord¬
ostküste der Insel bis zum Kap Vincent besaß. Durch Vertrag vom Juni des¬
selben Jahres übertrug Tsimiaro, der König der Antara, seine Rechte auf die
Insel Rossi Mitstu und den Norden Madagaskars auf den König Ludwig
Philipp. Diese Traktate wurden endlich vervollständigt durch den vom 24. Juli
1861, durch welche Laymerize, der König der Tullear, den Franzosen alle seine
Besitzungen bis zum rechten Ufer des Flusses Angulabe abtrat, und so betrachten
jene sich jetzt als die Herren, und zwar als die einzigen Herren, aller Küsten¬
striche Madagaskars.

Tamatave ist nach dem ?rossrös ?rs.neM8 (Ur. 26, vom 1. Juli d. I.),
dem wir diese Notizen auszugsweise entnehmen, keine Stadt, sondern nur ein
großes Dorf von 4- bis 5000 Einwohnern, unter denen sich etwa ein Dutzend
Europäer befinden. Die ziemlich weit auseinander liegenden Hütten der Ein-


Die Franzosen in Madagaskar.

alle Länder, welche sie entdecken und erobern würde. Der Befehlshaber des
Geschwaders, welches 1669 in das indische Meer abging, nahm die Weisung
mit, alle Vorteile wahrzunehmen, die man aus bereits okkupirten Punkten
ziehen könne, und sich nach neuen günstigen Örtlichkeiten umzusehen. Der Ver¬
such Colberts mißglückte gleichfalls. 1672 metzelten die Eingebornen alle Fran¬
zosen nieder, die sich zur Mitternachtsmesse in der Kirche vom Fort Dauphin
versammelt hatten. Ludwig der Vierzehnte konnte in dieser Zeit keine Flotte
nach Madagaskar schicken, um aber das Recht Frankreichs nicht fallen zu lassen,
erklärte vier Erlasse des geheimen Rates (einer vom Juni 1686, einer vom
Mai 1719, einer vom Juli 1720 und ein letzter vom Juni 1721) Madagaskar
für eine französische Besitzung. Die Nationalbibliothek zu Paris besitzt eine
Karte vou Madagaskar aus dem Jahre 1731, welche jetzt in der R,conv
8ol6n,MaM veröffentlicht worden ist. Auf derselben ist die ganze Ostküste
zwischen den Buchten von Antongil und Se. Augustin als „unter den Regierungen
Ludwigs des Dreizehnter und Ludwigs des Vierzehnten Frankreich unterworfen
und tributpflichtig" bezeichnet. Die Franzosen hatten damals nach dieser Karte
Niederlassungen in Fort Dauphin, Manfiata, Ambule, Manambudre, Manan-
gara, Madadame, Mancmzari, Andevurantc, Tamatave, Foulepoiute, Tenerivc,
Pointe a Larree, Tintingue, Mancmhcira, Porte-Choiseuil und Marosse. Zu
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts besaßen sie davon nur noch Foulepoiute
und Tamatave, und diese wurden im Februar 1811 von den Engländern ange¬
griffen und zerstört. Im März 1817 wurden die Niederlassungen an der Ost¬
küste wieder in Besitz genommen, 1818 Se. Marie und Tintingue, 1819 Man¬
fiata und Fort Dauphin, aber nur Se. Marie erhielt sich.

1841 erstreckte sich der französische Einfluß noch auf einen großen Teil der
Ostküste Madagaskars. In diesem Jahre trat die Königin der Sakalawas,
Tsumeka, durch einen mit dem Korvettenkapitän Dehemme und dem Marine¬
hauptmann Passot abgeschlossenen Vertrag an Frankreich die Inseln Rossi Be
und Rossi Kumba, sowie alle Souveränetätsrechte ab, die sie auf der Nord¬
ostküste der Insel bis zum Kap Vincent besaß. Durch Vertrag vom Juni des¬
selben Jahres übertrug Tsimiaro, der König der Antara, seine Rechte auf die
Insel Rossi Mitstu und den Norden Madagaskars auf den König Ludwig
Philipp. Diese Traktate wurden endlich vervollständigt durch den vom 24. Juli
1861, durch welche Laymerize, der König der Tullear, den Franzosen alle seine
Besitzungen bis zum rechten Ufer des Flusses Angulabe abtrat, und so betrachten
jene sich jetzt als die Herren, und zwar als die einzigen Herren, aller Küsten¬
striche Madagaskars.

Tamatave ist nach dem ?rossrös ?rs.neM8 (Ur. 26, vom 1. Juli d. I.),
dem wir diese Notizen auszugsweise entnehmen, keine Stadt, sondern nur ein
großes Dorf von 4- bis 5000 Einwohnern, unter denen sich etwa ein Dutzend
Europäer befinden. Die ziemlich weit auseinander liegenden Hütten der Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/157>, abgerufen am 08.09.2024.