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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Prachtwerko des ^5. und ^6. Jahrhunderts,

halb von vierzig Jahren durchgemacht hatte. Als Pfister um 1460 seine ersten
illustrirten Bücher herausgab, hatte er mit den größten Schwierigkeiten zu
kämpfen. Die zeichnende Kunst war in vollständigem Verfall, die Holzschnitt¬
technik nur an Heiligenbildern und Spielkarten erprobt. Erst allmählich ent¬
wickelte sich durch die großen Künstler aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr¬
hunderts, einen Martin Schongauer, Bartholomäus Zeitblom und Michel
Wohlgemuth, die Malerei zu ungeahnter Blüte, die sich auch auf die Werke
der Illustratoren übertrug. Der Holzschnitt wurde durch die Verbindung mit
der frisch emporblühenden Buchdruckerkunst aus der Sphäre der Heiligenbilder
und Spielkartenfabrikation in den Kreis einer weit umfangreichern Produktion
gezogen und machte infolge dessen mit unglaublicher Schnelligkeit die größten
technischen Fortschritte. So war im Beginne des 16. Jahrhunderts nur noch
ein Schritt zu thun, um das Illustrationswesen auf seine höchste Höhe zu
bringen.

Seit dem 13. Jahrhundert waren Kunst und Kunsthandwerk getrennte
Wege gegangen. Auch dem Gebiete der Graphik hatte der eigentliche Künstler
nur selten seine Kräfte geliehen. Der erste bedeutendere, der es nicht verschmähte,
Zeichnungen für den Holzschnitt zu liefern, war Erhard Reuwich; ihm schloß
sich würdig Michel Wohlgemuth an. Aber im allgemeinen hielten sich die bessern
Künstler davon fern, überließen das ganze Gebiet untergeordneten Handwerkern,
deren wenn auch noch so fleißige Leistungen doch nie imstande waren, die
Graphik zur Höhe der eigentlichen Kunst zu erheben. Erst um die Wende des
16. Jahrhunderts kam der große Umschwung. Das Illustrationswesen befreite
sich vom rohen Handwerkertum und wurde von wirklichen Künstlern gepflegt,
die es zu einer Höhe erhoben, welche vorher nicht zu ahnen war und welche es
auch später nie wieder erreichte. Albrecht Dürer war es, durch den es diese
Weihe empfing. Seine Apokalypse von 1498 ist ursprünglich mit deutschem Text
erschienen. Durch seinen Freund Pirkheymer oder durch Hartmann Schedel
wurde er mit dem Dichter Conrad Celtes bekannt, für dessen Werke er mehrere
Blätter lieferte. Und wenn er auch in seiner spätern Zeit nur in vereinzelten
Füllen für die Buchdrucker thätig war, so hat doch sein Beispiel weithin be¬
fruchtend gewirkt. Um die Sonne Dürers bewegte sich allmählich ein ganzer
Planetenkreis von namhaften Künstlern.

Augsburg, wo im 15. Jahrhundert so viele Prachtwerke erschienen waren,
ist auch im 16. der Hcmptpslegepunkt der Vuchillustrationen geblieben und ver¬
dankt dies hauptsächlich den künstlerischen Bestrebungen des Kaisers Maximilian.
Maximilian war wie jeder echte Renaissancemensch von dem Gedanken durch¬
drungen, daß von allen Lebensgütern der Ruhm das höchste sei. Durch sein
ganzes Dasein zieht sich das Streben, für die Sicherung des eignen Nachruhmes
in der nachhaltigsten Weise selbst zu sorgen, und bei seinem unverwüstlichen
literarischen Schaffeusdrcmge und seiner großen Kunstliebe erscheint es natürlich,


Jllustrirte Prachtwerko des ^5. und ^6. Jahrhunderts,

halb von vierzig Jahren durchgemacht hatte. Als Pfister um 1460 seine ersten
illustrirten Bücher herausgab, hatte er mit den größten Schwierigkeiten zu
kämpfen. Die zeichnende Kunst war in vollständigem Verfall, die Holzschnitt¬
technik nur an Heiligenbildern und Spielkarten erprobt. Erst allmählich ent¬
wickelte sich durch die großen Künstler aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr¬
hunderts, einen Martin Schongauer, Bartholomäus Zeitblom und Michel
Wohlgemuth, die Malerei zu ungeahnter Blüte, die sich auch auf die Werke
der Illustratoren übertrug. Der Holzschnitt wurde durch die Verbindung mit
der frisch emporblühenden Buchdruckerkunst aus der Sphäre der Heiligenbilder
und Spielkartenfabrikation in den Kreis einer weit umfangreichern Produktion
gezogen und machte infolge dessen mit unglaublicher Schnelligkeit die größten
technischen Fortschritte. So war im Beginne des 16. Jahrhunderts nur noch
ein Schritt zu thun, um das Illustrationswesen auf seine höchste Höhe zu
bringen.

Seit dem 13. Jahrhundert waren Kunst und Kunsthandwerk getrennte
Wege gegangen. Auch dem Gebiete der Graphik hatte der eigentliche Künstler
nur selten seine Kräfte geliehen. Der erste bedeutendere, der es nicht verschmähte,
Zeichnungen für den Holzschnitt zu liefern, war Erhard Reuwich; ihm schloß
sich würdig Michel Wohlgemuth an. Aber im allgemeinen hielten sich die bessern
Künstler davon fern, überließen das ganze Gebiet untergeordneten Handwerkern,
deren wenn auch noch so fleißige Leistungen doch nie imstande waren, die
Graphik zur Höhe der eigentlichen Kunst zu erheben. Erst um die Wende des
16. Jahrhunderts kam der große Umschwung. Das Illustrationswesen befreite
sich vom rohen Handwerkertum und wurde von wirklichen Künstlern gepflegt,
die es zu einer Höhe erhoben, welche vorher nicht zu ahnen war und welche es
auch später nie wieder erreichte. Albrecht Dürer war es, durch den es diese
Weihe empfing. Seine Apokalypse von 1498 ist ursprünglich mit deutschem Text
erschienen. Durch seinen Freund Pirkheymer oder durch Hartmann Schedel
wurde er mit dem Dichter Conrad Celtes bekannt, für dessen Werke er mehrere
Blätter lieferte. Und wenn er auch in seiner spätern Zeit nur in vereinzelten
Füllen für die Buchdrucker thätig war, so hat doch sein Beispiel weithin be¬
fruchtend gewirkt. Um die Sonne Dürers bewegte sich allmählich ein ganzer
Planetenkreis von namhaften Künstlern.

Augsburg, wo im 15. Jahrhundert so viele Prachtwerke erschienen waren,
ist auch im 16. der Hcmptpslegepunkt der Vuchillustrationen geblieben und ver¬
dankt dies hauptsächlich den künstlerischen Bestrebungen des Kaisers Maximilian.
Maximilian war wie jeder echte Renaissancemensch von dem Gedanken durch¬
drungen, daß von allen Lebensgütern der Ruhm das höchste sei. Durch sein
ganzes Dasein zieht sich das Streben, für die Sicherung des eignen Nachruhmes
in der nachhaltigsten Weise selbst zu sorgen, und bei seinem unverwüstlichen
literarischen Schaffeusdrcmge und seiner großen Kunstliebe erscheint es natürlich,


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[0147] Jllustrirte Prachtwerko des ^5. und ^6. Jahrhunderts, halb von vierzig Jahren durchgemacht hatte. Als Pfister um 1460 seine ersten illustrirten Bücher herausgab, hatte er mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Die zeichnende Kunst war in vollständigem Verfall, die Holzschnitt¬ technik nur an Heiligenbildern und Spielkarten erprobt. Erst allmählich ent¬ wickelte sich durch die großen Künstler aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr¬ hunderts, einen Martin Schongauer, Bartholomäus Zeitblom und Michel Wohlgemuth, die Malerei zu ungeahnter Blüte, die sich auch auf die Werke der Illustratoren übertrug. Der Holzschnitt wurde durch die Verbindung mit der frisch emporblühenden Buchdruckerkunst aus der Sphäre der Heiligenbilder und Spielkartenfabrikation in den Kreis einer weit umfangreichern Produktion gezogen und machte infolge dessen mit unglaublicher Schnelligkeit die größten technischen Fortschritte. So war im Beginne des 16. Jahrhunderts nur noch ein Schritt zu thun, um das Illustrationswesen auf seine höchste Höhe zu bringen. Seit dem 13. Jahrhundert waren Kunst und Kunsthandwerk getrennte Wege gegangen. Auch dem Gebiete der Graphik hatte der eigentliche Künstler nur selten seine Kräfte geliehen. Der erste bedeutendere, der es nicht verschmähte, Zeichnungen für den Holzschnitt zu liefern, war Erhard Reuwich; ihm schloß sich würdig Michel Wohlgemuth an. Aber im allgemeinen hielten sich die bessern Künstler davon fern, überließen das ganze Gebiet untergeordneten Handwerkern, deren wenn auch noch so fleißige Leistungen doch nie imstande waren, die Graphik zur Höhe der eigentlichen Kunst zu erheben. Erst um die Wende des 16. Jahrhunderts kam der große Umschwung. Das Illustrationswesen befreite sich vom rohen Handwerkertum und wurde von wirklichen Künstlern gepflegt, die es zu einer Höhe erhoben, welche vorher nicht zu ahnen war und welche es auch später nie wieder erreichte. Albrecht Dürer war es, durch den es diese Weihe empfing. Seine Apokalypse von 1498 ist ursprünglich mit deutschem Text erschienen. Durch seinen Freund Pirkheymer oder durch Hartmann Schedel wurde er mit dem Dichter Conrad Celtes bekannt, für dessen Werke er mehrere Blätter lieferte. Und wenn er auch in seiner spätern Zeit nur in vereinzelten Füllen für die Buchdrucker thätig war, so hat doch sein Beispiel weithin be¬ fruchtend gewirkt. Um die Sonne Dürers bewegte sich allmählich ein ganzer Planetenkreis von namhaften Künstlern. Augsburg, wo im 15. Jahrhundert so viele Prachtwerke erschienen waren, ist auch im 16. der Hcmptpslegepunkt der Vuchillustrationen geblieben und ver¬ dankt dies hauptsächlich den künstlerischen Bestrebungen des Kaisers Maximilian. Maximilian war wie jeder echte Renaissancemensch von dem Gedanken durch¬ drungen, daß von allen Lebensgütern der Ruhm das höchste sei. Durch sein ganzes Dasein zieht sich das Streben, für die Sicherung des eignen Nachruhmes in der nachhaltigsten Weise selbst zu sorgen, und bei seinem unverwüstlichen literarischen Schaffeusdrcmge und seiner großen Kunstliebe erscheint es natürlich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/147>, abgerufen am 08.09.2024.