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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte prachtwerke des ^5. und ^6, Jahrhunderts.

erste, welcher seine Produkte mit figürlichen Darstellungen ausstattete, war viel¬
mehr der Briefdrucker Albrecht Pfister von Bnmberg. Man kennt von ihm vier
illustrirte Bücher, von denen zwei in doppelten Ausgaben erschienen sind. Das
erste mit seinem Namen versehene Werk ist das 1462 gedruckte "Buch der vier
Historien von Joseph, Daniel, Esther und Judith"; das zweite, das zwar nicht
seinen Namen, wohl aber die Jahrzahl 1461 trägt, Boners "Edelstein"; das
dritte, etwa ums Jcchr 1460 entstandene, eine Armenbibel; das vierte ebenfalls
undatirte der "Rechtsstreit des Menschen mit dem Tode." Die Illustrationen
in allen vier Büchern sind höchst primitiv. Nur die Umrißlinien der einzelnen
Figuren sind mit dicken, eckigen Strichen angegeben, Schraffirungen innerhalb
der Umrisse sind nicht versucht worden. Pfisters Drucke im Original zu studiren,
ist jetzt schwer, da sie an weit entfernten Orten zusammengesucht werden müssen.
Vom "Buch der vier Historien" existiren zwei Exemplare, von denen das eine
in der Nationalbibliothek zu Paris, das andre in der Sammlung des englischen
Bibliophilen Lord Spencer in Althorv bewahrt wird. Von Bvners "Edelstein,"
der in zwei Ausgaben erschien, sind drei Exemplare bekannt. Ein der ersten
Ausgabe angehöriges wurde in den sechziger Jahren von dem Münchener Anti¬
quar Stöger aufgefunden und von der Berliner Hofbibliothek für eine hohe
Summe angekauft. Von der zweiten Ausgabe existirt ein Exemplar in der
herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, ein andres in der Nationalbibliothek
zu Paris. Von der Armenbibel, welche Pfister in einer lateinischen und in
einer deutschen Ausgabe druckte, kennt man ebenfalls drei Exemplare, ein latei¬
nisches bei Lord Spencer, ein deutsches in Wolfenbüttel und in Paris. Diese
Bibliotheken besitzen auch die beiden einzigen vollständigen Exemplare des "Rechts¬
streites des Menschen mit dem Tode."

Künstlerisch nicht höher als diese uralten Pfisterschen Jllustrationswerke
stehen die in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts erschienenen. Die erste
Stadt, welche sich um diese Zeit durch ihre illustrirten Prachtwerke auszeich¬
nete, war Augsburg, wo damals eine sehr große Anzahl von Formschueidern
lebte. Hier entstand um 1470 die erste illustrirte deutsche Bibel, die mit 55
je eine Columne einnehmenden*) kolorirten Holzschnitten versehen ist. Der erste
zeigt die Schöpfung. Gottvater, ein alter Mann mit langem, schwarzem Ge¬
wände und grauem Haupt- und Barthaar, hält in der linken Hand eine große
Scheibe und macht mit der rechten ein Zeichen. Auf der Scheibe sieht man
Sonne, Mond und Sterne, eine mittelalterliche, rosenrot gemalte, mit Thürmen
befestigte Stadt, Felsen, Bäume, einen Hasen und, schon säuberlich in roten Rock
und blaue Beinkleider gehüllt, den ersten Menschen. In dem Bilde der Er-



*) Unsre heutigen Prachtwerksverleger haben dafür das schöne Wort "Vollbild" er-
funden. Sogar "Doppclvollbilder" preist man an. Wenn das nicht zieht! Doppelvoll¬
D. Red. bild -- wie das rauscht und rollt!
Jllustrirte prachtwerke des ^5. und ^6, Jahrhunderts.

erste, welcher seine Produkte mit figürlichen Darstellungen ausstattete, war viel¬
mehr der Briefdrucker Albrecht Pfister von Bnmberg. Man kennt von ihm vier
illustrirte Bücher, von denen zwei in doppelten Ausgaben erschienen sind. Das
erste mit seinem Namen versehene Werk ist das 1462 gedruckte „Buch der vier
Historien von Joseph, Daniel, Esther und Judith"; das zweite, das zwar nicht
seinen Namen, wohl aber die Jahrzahl 1461 trägt, Boners „Edelstein"; das
dritte, etwa ums Jcchr 1460 entstandene, eine Armenbibel; das vierte ebenfalls
undatirte der „Rechtsstreit des Menschen mit dem Tode." Die Illustrationen
in allen vier Büchern sind höchst primitiv. Nur die Umrißlinien der einzelnen
Figuren sind mit dicken, eckigen Strichen angegeben, Schraffirungen innerhalb
der Umrisse sind nicht versucht worden. Pfisters Drucke im Original zu studiren,
ist jetzt schwer, da sie an weit entfernten Orten zusammengesucht werden müssen.
Vom „Buch der vier Historien" existiren zwei Exemplare, von denen das eine
in der Nationalbibliothek zu Paris, das andre in der Sammlung des englischen
Bibliophilen Lord Spencer in Althorv bewahrt wird. Von Bvners „Edelstein,"
der in zwei Ausgaben erschien, sind drei Exemplare bekannt. Ein der ersten
Ausgabe angehöriges wurde in den sechziger Jahren von dem Münchener Anti¬
quar Stöger aufgefunden und von der Berliner Hofbibliothek für eine hohe
Summe angekauft. Von der zweiten Ausgabe existirt ein Exemplar in der
herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, ein andres in der Nationalbibliothek
zu Paris. Von der Armenbibel, welche Pfister in einer lateinischen und in
einer deutschen Ausgabe druckte, kennt man ebenfalls drei Exemplare, ein latei¬
nisches bei Lord Spencer, ein deutsches in Wolfenbüttel und in Paris. Diese
Bibliotheken besitzen auch die beiden einzigen vollständigen Exemplare des „Rechts¬
streites des Menschen mit dem Tode."

Künstlerisch nicht höher als diese uralten Pfisterschen Jllustrationswerke
stehen die in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts erschienenen. Die erste
Stadt, welche sich um diese Zeit durch ihre illustrirten Prachtwerke auszeich¬
nete, war Augsburg, wo damals eine sehr große Anzahl von Formschueidern
lebte. Hier entstand um 1470 die erste illustrirte deutsche Bibel, die mit 55
je eine Columne einnehmenden*) kolorirten Holzschnitten versehen ist. Der erste
zeigt die Schöpfung. Gottvater, ein alter Mann mit langem, schwarzem Ge¬
wände und grauem Haupt- und Barthaar, hält in der linken Hand eine große
Scheibe und macht mit der rechten ein Zeichen. Auf der Scheibe sieht man
Sonne, Mond und Sterne, eine mittelalterliche, rosenrot gemalte, mit Thürmen
befestigte Stadt, Felsen, Bäume, einen Hasen und, schon säuberlich in roten Rock
und blaue Beinkleider gehüllt, den ersten Menschen. In dem Bilde der Er-



*) Unsre heutigen Prachtwerksverleger haben dafür das schöne Wort „Vollbild" er-
funden. Sogar „Doppclvollbilder" preist man an. Wenn das nicht zieht! Doppelvoll¬
D. Red. bild — wie das rauscht und rollt!
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[0140] Jllustrirte prachtwerke des ^5. und ^6, Jahrhunderts. erste, welcher seine Produkte mit figürlichen Darstellungen ausstattete, war viel¬ mehr der Briefdrucker Albrecht Pfister von Bnmberg. Man kennt von ihm vier illustrirte Bücher, von denen zwei in doppelten Ausgaben erschienen sind. Das erste mit seinem Namen versehene Werk ist das 1462 gedruckte „Buch der vier Historien von Joseph, Daniel, Esther und Judith"; das zweite, das zwar nicht seinen Namen, wohl aber die Jahrzahl 1461 trägt, Boners „Edelstein"; das dritte, etwa ums Jcchr 1460 entstandene, eine Armenbibel; das vierte ebenfalls undatirte der „Rechtsstreit des Menschen mit dem Tode." Die Illustrationen in allen vier Büchern sind höchst primitiv. Nur die Umrißlinien der einzelnen Figuren sind mit dicken, eckigen Strichen angegeben, Schraffirungen innerhalb der Umrisse sind nicht versucht worden. Pfisters Drucke im Original zu studiren, ist jetzt schwer, da sie an weit entfernten Orten zusammengesucht werden müssen. Vom „Buch der vier Historien" existiren zwei Exemplare, von denen das eine in der Nationalbibliothek zu Paris, das andre in der Sammlung des englischen Bibliophilen Lord Spencer in Althorv bewahrt wird. Von Bvners „Edelstein," der in zwei Ausgaben erschien, sind drei Exemplare bekannt. Ein der ersten Ausgabe angehöriges wurde in den sechziger Jahren von dem Münchener Anti¬ quar Stöger aufgefunden und von der Berliner Hofbibliothek für eine hohe Summe angekauft. Von der zweiten Ausgabe existirt ein Exemplar in der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, ein andres in der Nationalbibliothek zu Paris. Von der Armenbibel, welche Pfister in einer lateinischen und in einer deutschen Ausgabe druckte, kennt man ebenfalls drei Exemplare, ein latei¬ nisches bei Lord Spencer, ein deutsches in Wolfenbüttel und in Paris. Diese Bibliotheken besitzen auch die beiden einzigen vollständigen Exemplare des „Rechts¬ streites des Menschen mit dem Tode." Künstlerisch nicht höher als diese uralten Pfisterschen Jllustrationswerke stehen die in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts erschienenen. Die erste Stadt, welche sich um diese Zeit durch ihre illustrirten Prachtwerke auszeich¬ nete, war Augsburg, wo damals eine sehr große Anzahl von Formschueidern lebte. Hier entstand um 1470 die erste illustrirte deutsche Bibel, die mit 55 je eine Columne einnehmenden*) kolorirten Holzschnitten versehen ist. Der erste zeigt die Schöpfung. Gottvater, ein alter Mann mit langem, schwarzem Ge¬ wände und grauem Haupt- und Barthaar, hält in der linken Hand eine große Scheibe und macht mit der rechten ein Zeichen. Auf der Scheibe sieht man Sonne, Mond und Sterne, eine mittelalterliche, rosenrot gemalte, mit Thürmen befestigte Stadt, Felsen, Bäume, einen Hasen und, schon säuberlich in roten Rock und blaue Beinkleider gehüllt, den ersten Menschen. In dem Bilde der Er- *) Unsre heutigen Prachtwerksverleger haben dafür das schöne Wort „Vollbild" er- funden. Sogar „Doppclvollbilder" preist man an. Wenn das nicht zieht! Doppelvoll¬ D. Red. bild — wie das rauscht und rollt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/140>, abgerufen am 08.09.2024.