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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Gemischte Lhen,

sei. Der Großherzog Friedrich Franz, der hiermit als treuer evangelischer Christ
keineswegs einverstanden war, verdient noch im Grabe den lebhaften Dank jedes
entschiednen Protestanten, daß er vor der Entbindung von dem ersten Kinde
die Herzogin Paul von Kassel nach Mecklenburg beschied, um das zu erwartende
Kind von dem lutherischen Hofprediger sofort nach seiner Geburt taufen zu
lassen. Darob herrschte römischerseits lebhafte Entrüstung, und es ist -- wir
werden schwerlich in dieser Annahme irren -- sicherlich nicht reiner Zufall, daß
die Herzogin unlängst während der Erkrankung ihres Schwiegervaters weit im
Süden, in Afrika, in römisch-katholischer Umgebung von dem zweiten Kinde ent¬
bunden worden ist. Dieses Kind ist denn natürlich anch sofort von einem ka¬
tholischen Bischof getauft worden. Uns giebt das Anlaß, besonders auch den
evangelischen Adel, die evangelischen Fürsten und Prinzen an das noblssss
odliß'g dringend und energisch zu mahnen; ja, ,r<M<Z88v <Mig'v, auch zum treuen,
gewissenhaften Festhalten an dem evangelischen Bekenntnis, zur Treue gegen
die eigne Kirche gerade auch auf dem Gebiete der Kindererziehung aus gemischten
Ehen. Die evangelische Kirche, welche durch so viele Ströme Blutes, durch
Kerkerhaft und Scheiterhaufen hindurch ihren Glauben bewährt und erprobt
hat, darf es von ihren Gliedern, von Hoch und Niedrig, von den Männern
auf und neben den Fürstenthronen wie von den niedriger und bescheidner Ge¬
stellten erwarten, daß sie ihre Treue bewahren und aus etwaigen gemischten
Ehen wenigstens die Söhne, wenn nicht alle Kinder, ihr erhalten und zu¬
führen.

Die Vorgänge in der fürstlich Jsenburg-Birsteinschen Familie haben die
"Grenzboten" in Ur. 19 d. I., vielen Protestanten zu Dank, eingehend be¬
leuchtet; es ist ein neues, überzeugendes Beispiel von Roms Ansprüchen und
Machinationen, für den Kundigen freilich nicht überraschend. Nicht oft genug
kann nach unserm Dafürhalten der Finger warnend und mahnend aufgehoben
werden mit dem Zurufe: Lernt Rom kennen! Lernt es aus der Geschichte
älterer und neuester Zeit, aus seinem Verhalten zur evangelischen Kirche und
zu evangelischen Staaten kennen! Viele wollen und mögen nicht sehen, was
doch vor Angen liegt, und was ein nicht blödes Auge sofort sehen und erkennen
muß, daß Rom sich noch heute, gerade wie in frühern Zeiten, für die allein
seligmachende Kirche hält und daß ihm jede evangelische Regung und Gesinnung
verhaßt und ein Dorn im Auge ist. Ob die Zeit der mildern, duldsamer!
Salier, Boos, Finneberg, Lindl, Gvßncr, Wessenberg und Sedlnitzky je wieder
kommen wird, ob sie bald anbrechen wird wie eine Morgenröte besserer Zu¬
stände, friedlicherer Zeiten? Nur sehr ungern möchten wir diese freundliche'
Hoffnung ganz schwinden lassen. Dann dürfte es auch auf dem streitigen Gebiete
der Mischehen zu friedlicheren und geordneteren Verhältnissen kommen, dann
würde der evangelischen Kirche nicht länger die Rolle des Lammes imputirt
sein, welches unten am Bache dem Wolfe das Wasser trübt.


Gemischte Lhen,

sei. Der Großherzog Friedrich Franz, der hiermit als treuer evangelischer Christ
keineswegs einverstanden war, verdient noch im Grabe den lebhaften Dank jedes
entschiednen Protestanten, daß er vor der Entbindung von dem ersten Kinde
die Herzogin Paul von Kassel nach Mecklenburg beschied, um das zu erwartende
Kind von dem lutherischen Hofprediger sofort nach seiner Geburt taufen zu
lassen. Darob herrschte römischerseits lebhafte Entrüstung, und es ist — wir
werden schwerlich in dieser Annahme irren — sicherlich nicht reiner Zufall, daß
die Herzogin unlängst während der Erkrankung ihres Schwiegervaters weit im
Süden, in Afrika, in römisch-katholischer Umgebung von dem zweiten Kinde ent¬
bunden worden ist. Dieses Kind ist denn natürlich anch sofort von einem ka¬
tholischen Bischof getauft worden. Uns giebt das Anlaß, besonders auch den
evangelischen Adel, die evangelischen Fürsten und Prinzen an das noblssss
odliß'g dringend und energisch zu mahnen; ja, ,r<M<Z88v <Mig'v, auch zum treuen,
gewissenhaften Festhalten an dem evangelischen Bekenntnis, zur Treue gegen
die eigne Kirche gerade auch auf dem Gebiete der Kindererziehung aus gemischten
Ehen. Die evangelische Kirche, welche durch so viele Ströme Blutes, durch
Kerkerhaft und Scheiterhaufen hindurch ihren Glauben bewährt und erprobt
hat, darf es von ihren Gliedern, von Hoch und Niedrig, von den Männern
auf und neben den Fürstenthronen wie von den niedriger und bescheidner Ge¬
stellten erwarten, daß sie ihre Treue bewahren und aus etwaigen gemischten
Ehen wenigstens die Söhne, wenn nicht alle Kinder, ihr erhalten und zu¬
führen.

Die Vorgänge in der fürstlich Jsenburg-Birsteinschen Familie haben die
„Grenzboten" in Ur. 19 d. I., vielen Protestanten zu Dank, eingehend be¬
leuchtet; es ist ein neues, überzeugendes Beispiel von Roms Ansprüchen und
Machinationen, für den Kundigen freilich nicht überraschend. Nicht oft genug
kann nach unserm Dafürhalten der Finger warnend und mahnend aufgehoben
werden mit dem Zurufe: Lernt Rom kennen! Lernt es aus der Geschichte
älterer und neuester Zeit, aus seinem Verhalten zur evangelischen Kirche und
zu evangelischen Staaten kennen! Viele wollen und mögen nicht sehen, was
doch vor Angen liegt, und was ein nicht blödes Auge sofort sehen und erkennen
muß, daß Rom sich noch heute, gerade wie in frühern Zeiten, für die allein
seligmachende Kirche hält und daß ihm jede evangelische Regung und Gesinnung
verhaßt und ein Dorn im Auge ist. Ob die Zeit der mildern, duldsamer!
Salier, Boos, Finneberg, Lindl, Gvßncr, Wessenberg und Sedlnitzky je wieder
kommen wird, ob sie bald anbrechen wird wie eine Morgenröte besserer Zu¬
stände, friedlicherer Zeiten? Nur sehr ungern möchten wir diese freundliche'
Hoffnung ganz schwinden lassen. Dann dürfte es auch auf dem streitigen Gebiete
der Mischehen zu friedlicheren und geordneteren Verhältnissen kommen, dann
würde der evangelischen Kirche nicht länger die Rolle des Lammes imputirt
sein, welches unten am Bache dem Wolfe das Wasser trübt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/136>, abgerufen am 08.09.2024.