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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei.

Regel war zu verzeichne", und es gereicht uns zur Genugthuung, an sie zu er¬
innern. Inmitten aller jener heillose" Verblendung, jenes betrübenden Znrück-
tretcns des Patriotismus vor demokratischen Velleitäten hatten die städtischen
Behörden Breslaus den Verstand, das richtige Gefühl und den Mut, um den
König eine Adresse zu richten, die vom 15. Mai datirt war, und in der es
u. a. hieß: "Ein. Majestät haben die Mobilmachung der gesamten Armee be¬
fohlen. Wir wissen, daß Ew. Majestät sich mit schwerem Herzen dazu ent¬
schlossen haben. Ew. Majestät kennen die Leiden, welche die in langen Friedens¬
jahren so reich entwickelte Eriverbsthätigkeit des preußischen Volkes bereits
getroffen haben und im Falle des Ausbruchs des Krieges in noch weit Höheren
Grade treffen werden. Es müssen also schwerwiegende Gründe sein, die Ew.
Majestät zu dem ernsten Entschlüsse bestimmt haben. Wir glauben an aller¬
höchster Stelle die Versicherung abgeben zu dürfen, daß Breslau an Opfer¬
willigkeit wie im Jahre 1813 so auch jetzt keiner andern Stadt Preußens nach¬
stehen wird. Wir fühlen gemeinsam mit Ew. Majestät die Drangsale des
Krieges; wir unterschätzen uicht die Lasten, welche das preußische Volk zu tragen
haben wird; wir kennen die Opfer, welche der Krieg fordert. Demungeachtet
sprechen wir es aus und glauben hierin der Zustimmung unsrer Mitbrüder sicher
zu sein, daß wir, wenn es die Macht und Ehre Preußens, seiue Rettung in
Deutschland und die mit dieser Stellung in notwendigen Zusammenhange
stehende Einheit unsers gemeinsamen Vaterlandes gilt, den Gefahren lind Nöten
des Krieges mit derselben Opferwilligkeit und Hingebung entgegengehen, wie die
schlesischen Männer es unter der Führung von Ew. Majestät hochseligen Vater
gethan. Können jene höchsten Güter Preußens und Deutschlands erhalten werden
im Frieden, so begrüßen wir dieselben freudigen Herzens; sollten aber die Gegner
Preußens und Deutschlands, wie es im Jahre 1850 geschehen, wieder eine
Minderung der Machtstellung Preußens, wieder eine Demütigung Preußens
erstreben, so wird Schlesien lieber alle Lasten und Leiden des Krieges auf sich
nehmen, als die Lösung der historischen Aufgabe Preußens, die Einigung Deutsch¬
lands, wieder auf Jahrzehnte hinaufrücken lassen. Aber wir können Ew. Majestät
in dem Gefühle, daß es in der für das ganze Vaterland so schweren Zeit unsre
erste Pflicht ist, unsrer aufrichtigen und innersten Überzeugung offne" Ausdruck
zu geben, nicht verhehlen, wie in diesem Angenblicke die Grundlage einer all¬
gemeinen Begeisterung uoch fehlt. Der Einklang zwischen Regierung und Volk,
der in jener für Preußen und Deutschland so ruhmreichen Zeit den unver¬
gessenen Thaten Sieg verlieh, ist nicht vorhanden; der Vcrfassungskampf ist
uicht beendet. Die Weisheit Ew. Majestät wird die Mittel und Wege finden,
den innern Konflikt, der so schwer ans dem Lande lastet, zu beseitigen und das
Vertrauen zwischen der Staatsregierung und dem Volte herzustellen, welches
erforderlich ist, um die für einen solchen Kampf notwendige nationale Be¬
geisterung wachzurufen."


Grenzboten III. 1833. 16
Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei.

Regel war zu verzeichne», und es gereicht uns zur Genugthuung, an sie zu er¬
innern. Inmitten aller jener heillose» Verblendung, jenes betrübenden Znrück-
tretcns des Patriotismus vor demokratischen Velleitäten hatten die städtischen
Behörden Breslaus den Verstand, das richtige Gefühl und den Mut, um den
König eine Adresse zu richten, die vom 15. Mai datirt war, und in der es
u. a. hieß: „Ein. Majestät haben die Mobilmachung der gesamten Armee be¬
fohlen. Wir wissen, daß Ew. Majestät sich mit schwerem Herzen dazu ent¬
schlossen haben. Ew. Majestät kennen die Leiden, welche die in langen Friedens¬
jahren so reich entwickelte Eriverbsthätigkeit des preußischen Volkes bereits
getroffen haben und im Falle des Ausbruchs des Krieges in noch weit Höheren
Grade treffen werden. Es müssen also schwerwiegende Gründe sein, die Ew.
Majestät zu dem ernsten Entschlüsse bestimmt haben. Wir glauben an aller¬
höchster Stelle die Versicherung abgeben zu dürfen, daß Breslau an Opfer¬
willigkeit wie im Jahre 1813 so auch jetzt keiner andern Stadt Preußens nach¬
stehen wird. Wir fühlen gemeinsam mit Ew. Majestät die Drangsale des
Krieges; wir unterschätzen uicht die Lasten, welche das preußische Volk zu tragen
haben wird; wir kennen die Opfer, welche der Krieg fordert. Demungeachtet
sprechen wir es aus und glauben hierin der Zustimmung unsrer Mitbrüder sicher
zu sein, daß wir, wenn es die Macht und Ehre Preußens, seiue Rettung in
Deutschland und die mit dieser Stellung in notwendigen Zusammenhange
stehende Einheit unsers gemeinsamen Vaterlandes gilt, den Gefahren lind Nöten
des Krieges mit derselben Opferwilligkeit und Hingebung entgegengehen, wie die
schlesischen Männer es unter der Führung von Ew. Majestät hochseligen Vater
gethan. Können jene höchsten Güter Preußens und Deutschlands erhalten werden
im Frieden, so begrüßen wir dieselben freudigen Herzens; sollten aber die Gegner
Preußens und Deutschlands, wie es im Jahre 1850 geschehen, wieder eine
Minderung der Machtstellung Preußens, wieder eine Demütigung Preußens
erstreben, so wird Schlesien lieber alle Lasten und Leiden des Krieges auf sich
nehmen, als die Lösung der historischen Aufgabe Preußens, die Einigung Deutsch¬
lands, wieder auf Jahrzehnte hinaufrücken lassen. Aber wir können Ew. Majestät
in dem Gefühle, daß es in der für das ganze Vaterland so schweren Zeit unsre
erste Pflicht ist, unsrer aufrichtigen und innersten Überzeugung offne» Ausdruck
zu geben, nicht verhehlen, wie in diesem Angenblicke die Grundlage einer all¬
gemeinen Begeisterung uoch fehlt. Der Einklang zwischen Regierung und Volk,
der in jener für Preußen und Deutschland so ruhmreichen Zeit den unver¬
gessenen Thaten Sieg verlieh, ist nicht vorhanden; der Vcrfassungskampf ist
uicht beendet. Die Weisheit Ew. Majestät wird die Mittel und Wege finden,
den innern Konflikt, der so schwer ans dem Lande lastet, zu beseitigen und das
Vertrauen zwischen der Staatsregierung und dem Volte herzustellen, welches
erforderlich ist, um die für einen solchen Kampf notwendige nationale Be¬
geisterung wachzurufen."


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[0129] Aus dem Schuldbnche der Fortschrittspartei. Regel war zu verzeichne», und es gereicht uns zur Genugthuung, an sie zu er¬ innern. Inmitten aller jener heillose» Verblendung, jenes betrübenden Znrück- tretcns des Patriotismus vor demokratischen Velleitäten hatten die städtischen Behörden Breslaus den Verstand, das richtige Gefühl und den Mut, um den König eine Adresse zu richten, die vom 15. Mai datirt war, und in der es u. a. hieß: „Ein. Majestät haben die Mobilmachung der gesamten Armee be¬ fohlen. Wir wissen, daß Ew. Majestät sich mit schwerem Herzen dazu ent¬ schlossen haben. Ew. Majestät kennen die Leiden, welche die in langen Friedens¬ jahren so reich entwickelte Eriverbsthätigkeit des preußischen Volkes bereits getroffen haben und im Falle des Ausbruchs des Krieges in noch weit Höheren Grade treffen werden. Es müssen also schwerwiegende Gründe sein, die Ew. Majestät zu dem ernsten Entschlüsse bestimmt haben. Wir glauben an aller¬ höchster Stelle die Versicherung abgeben zu dürfen, daß Breslau an Opfer¬ willigkeit wie im Jahre 1813 so auch jetzt keiner andern Stadt Preußens nach¬ stehen wird. Wir fühlen gemeinsam mit Ew. Majestät die Drangsale des Krieges; wir unterschätzen uicht die Lasten, welche das preußische Volk zu tragen haben wird; wir kennen die Opfer, welche der Krieg fordert. Demungeachtet sprechen wir es aus und glauben hierin der Zustimmung unsrer Mitbrüder sicher zu sein, daß wir, wenn es die Macht und Ehre Preußens, seiue Rettung in Deutschland und die mit dieser Stellung in notwendigen Zusammenhange stehende Einheit unsers gemeinsamen Vaterlandes gilt, den Gefahren lind Nöten des Krieges mit derselben Opferwilligkeit und Hingebung entgegengehen, wie die schlesischen Männer es unter der Führung von Ew. Majestät hochseligen Vater gethan. Können jene höchsten Güter Preußens und Deutschlands erhalten werden im Frieden, so begrüßen wir dieselben freudigen Herzens; sollten aber die Gegner Preußens und Deutschlands, wie es im Jahre 1850 geschehen, wieder eine Minderung der Machtstellung Preußens, wieder eine Demütigung Preußens erstreben, so wird Schlesien lieber alle Lasten und Leiden des Krieges auf sich nehmen, als die Lösung der historischen Aufgabe Preußens, die Einigung Deutsch¬ lands, wieder auf Jahrzehnte hinaufrücken lassen. Aber wir können Ew. Majestät in dem Gefühle, daß es in der für das ganze Vaterland so schweren Zeit unsre erste Pflicht ist, unsrer aufrichtigen und innersten Überzeugung offne» Ausdruck zu geben, nicht verhehlen, wie in diesem Angenblicke die Grundlage einer all¬ gemeinen Begeisterung uoch fehlt. Der Einklang zwischen Regierung und Volk, der in jener für Preußen und Deutschland so ruhmreichen Zeit den unver¬ gessenen Thaten Sieg verlieh, ist nicht vorhanden; der Vcrfassungskampf ist uicht beendet. Die Weisheit Ew. Majestät wird die Mittel und Wege finden, den innern Konflikt, der so schwer ans dem Lande lastet, zu beseitigen und das Vertrauen zwischen der Staatsregierung und dem Volte herzustellen, welches erforderlich ist, um die für einen solchen Kampf notwendige nationale Be¬ geisterung wachzurufen." Grenzboten III. 1833. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/129>, abgerufen am 08.09.2024.